Sein Name ist immer noch präsent, seine ebenso deutliche wie elegante Schlagtechnik ist bis heute legendär, er war eine der prägenden Dirigentenpersönlichkeiten des 19./20. Jahrhunderts: Am 7. Mai vor 75 Jahren starb der österreichische Dirigent, Komponist und Schriftsteller Felix Weingartner in Winterthur. Geboren wurde er am 2. Juni 1863 in Zadar (damals Österreich-Ungarn, heute Kroatien). Die Familie zog nach Graz, als er fünf Jahre alt war. 1881 ging er nach Leipzig, um Philosophie zu studieren, wandte sich aber bald ganz der Musik zu. 1883 war er am Leipziger Konservatorium einer der letzten Schüler von Franz Liszt, der auch 1884 die Aufführung seiner Oper Sakuntala in Weimar unterstützte. Später hat Weingartner auch bei Carl Reinecke studiert. 1884 war er Direktor der Oper Königsberg, von 1885 bis 1887 Kapellmeister in Danzig, dann bis 1889 in Hamburg und bis 1891 in Mannheim. Schließlich ließ er sich in München nieder. Ab 1908 war er in der Nachfolge von Gustav Mahler drei Jahre Direktor an der Wiener Hofoper und leitete von 1908 bis 1927 die Wiener Philharmonischen Konzerte. 1919 bis 1924 war er Direktor der Wiener Volksoper. Zudem unterrichtete er über Jahre an der Wiener Musikakademie. 1927 ging Weingartner nach Basel und war dort bis 1934 gleichzeitig Chefdirigent des damaligen Basler Orchesters, künstlerischer Leiter der Allgemeinen Musikgesellschaft und Direktor des Konservatoriums. Von 1935 bis 1936 war er Direktor der Wiener Staatsoper. Darüber hinaus war Weingartner in Hamburg, Boston und München tätig. Bereits am 9. Oktober 1905 hatte er als einer der ersten Pianisten 6 Stücke für Welte-Mignon aufgenommen, später war er der erste Dirigent, der kommerzielle Aufnahmen von allen neun Beethoven-Sinfonien machte. Als Schriftsteller ist ihm u.a. eine Abhandlung „Über das Dirigieren“ (1905), ein Bericht „Bayreuth 1876-96“ (wo er noch unter Richard Wagner und später unter Cosima Wagners Leitung anfänglich als Assistent und dann als Dirigent tätig war) sowie ein didaktisches Werk „Ratschläge für Aufführungen der Symphonien Beethovens“ - später auch Schuberts, Schumanns und Mozarts – zu danken. Obwohl Weingartner ein verhältnismäßig umfangreiches kompositorisches Œuvre hinterließ (Opern, Sinfonien, Lieder und instrumentale Kammermusik), werden seine Werke kaum noch gespielt. Erst das Klassik-Label cpo machte zwischen 2005 und 2010 mit vielen Erstaufnahmen seiner Werke, darunter seine sieben Sinfonien mit dem Sinfonieorchester Basel, das Violinkonzert und drei Streichquartette, auch wieder auf den Komponisten Weingartner aufmerksam.
Am 28. Mai 2023 jährte sich der Geburtstag des österreichisch-ungarischen Komponisten György Ligeti zum100. Mal Ligeti ist weltweit anerkannt als einer der führenden Komponisten der Moderne. Seine innovatorische Leistung liegt in der Entwicklung der Klangflächenkomposition durch sein Prinzip der Mikropolyphonie: in eine Vielzahl von Strukturen unterteilte Klänge, die ohne rhythmisches Profil und traditionelle Intervallcharaktere kontinuierlich gegeneinander verschoben werden. Sein musikalisches Schaffen umfasst wegweisende Werke für Orchester, Chor, Bühne sowie Kammer- und Klaviermusik. Die Gestaltung des Klangs und die Suche nach Alternativen zum temperierten System sind die wesentlichen Kennzeichen seiner vielfältigen kompositorischen Arbeiten. Ligeti war ein Abenteurer der Form und des Ausdrucks und ein großer Visionär der Neuen Musik. Sein faszinierend vielseitiges Werk nimmt in Hinsicht auf musikalische Qualität und kompromisslose Individualität eine Ausnahmestellung ein. Komplexe polyrhythmische Strukturen, experimentelle elektronische Musik, phonetische Experimente: Ligeti bewegte sich zeitlebens fernab ästhetischer Moden und Schulen. Ihn kennzeichneten frische und unorthodoxe Ideen, jeder Dogmatismus war ihm fremd, radikale Einschnitte prägen sein gesamtes Schaffen. Mit seinen phantastischen Ideen hat er nicht nur das Fachpublikum angesprochen. Die sinnliche Zugänglichkeit seiner Musik wirkt auf alle Hörer faszinierend und anregend. Biochemie, Chaosforschung, fraktale Geometrie, aus allem gewann der ursprünglich zum Physikstudium tendierende Ligeti Inspiration für neue Kompositionsprinzipien. Das 1961 entstandene Orchesterstück Atmosphères machte Ligeti schlagartig bekannt. Er verzichtet darin beinahe vollständig auf traditionelle melodische, harmonische und rhythmische Parameter und konzentriert sich auf Klänge mit ständig sich wandelnden Texturen. Nach seiner intensiven Arbeit im Studio für elektronische Musik des WDR in Köln in den 1950er und der Entwicklung der Mikropolyphonie in den 1960er Jahren wurde sein Personalstil in den 70ern einfacher und transparenter. Und wie um sich vorherrschenden musikalischen Tendenzen zu entziehen, waren auch wieder tonale Klänge zu hören. Sein einziges abendfüllendes Bühnenwerk Le Grand Macabre ist vom absurden Theater inspiriert und strotzt vor operettenhaftem Schalk und schwarzem Humor. Der Komponist wollte dem Publikum wieder zugänglich werden: „Bühnengeschehen und Musik sollten gefährlich-bizarr, ganz übertrieben, ganz verrückt sein.” Ligetis Leben und Werk sind eng verbunden mit Hamburg: In den sechziger Jahren wurden seine Kompositionen Aventures (1963) und Nouvelle Aventures (1966) in Hamburg konzertant uraufgeführt. Von 1973-1989 war er Professor für Komposition an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg und hat damit das Hamburger Musikleben entscheidend mitgeprägt. 1975 wurde er vom Senat mit dem Bach-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg ausgezeichnet. Das häufig als Hauptwerk seiner zweiten Schaffenshälfte apostrophierte Le grand macabre erlebte an der Hamburgischen Staatsoper seine deutsche Erstaufführung 1978. Auch sein Trio für Violine, Horn und Klavier wurde 1982 in Bergedorf uraufgeführt. 1988 erhielt er auf Vorschlag des musikwissenschaftlichen Instituts einen Ehrendoktor der Universität. Ligeti hat hier ehrenamtlich Vorlesungen über Volksmusik aus Osteuropa abgehalten. Im selben Jahr ernannte ihn die Hamburger Musikhochschule zum Ehrensenator. Anlässlich seines 80. Geburtstags erhielt er 2003 vom Hamburger Senat die Medaille für Kunst und Wissenschaft, die höchste kulturelle Auszeichnung der Stadt.