Ferdinand Ries, Complete Chamber Music for Flute & Strings Vol. 3
cpo 555 378-2
1 CD • 66min • 2017, 2019
28.02.2021 • 9 9 9
Die Vol. 3 der Flötenquartette von Ferdinand Ries bestätigt den höchst positiven Eindruck, den die bereits erschienenen CDs dieser Reihe hinterlassen haben. In dieser Einspielung finden sich die vielleicht am weitesten in die Romantik weisenden Stücke in Form zweier großer Werke in Moll. Ries (1784-1838), Schüler Beethovens und Johann Georg Albrechtsbergers, in ganz Europa gefeierter Ausnahmepianist, Direktor der London Philharmonic Society, zu Lebzeiten erfolgreicher Komponist und Dirigent, steht stilistisch noch mit einem Bein in der späten Klassik, mit dem anderen aber in der frühen Romantik.
under the arching heavens, a requiem by Alex Freeman
BIS 2592
1 CD/SACD stereo/surround • 82min • 2016, 2018
27.02.2021 • 10 10 10
Alex Freeman (Jg. 1972), Amerikaner und Wahlfinne, hat in seinem Chorstück Under the Arching Heavens (Unter dem Himmelsbogen) den interessanten Versuch unternommen, die herkömmliche Liturgie des Requiems mit weltlichen Dichtungen aufzubrechen und zu erweitern. Anlaß war ein Auftrag des Helsinki Chamber Choir und seines Leiters Nils Schweckendiek, zum 100. Jahrestag des Finnischen Bürgerkriegs von 1918 eine Totenmesse zu schreiben.
Wie ein optimistischer Weckruf wirkt es, wenn Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur in dieser Aufnahme mit der Kammerakademie Potsdam losgeht. Solche Wirkungen stellen sich ein, wenn Patrick Hahn die Kammerakademie Potsdam dirigiert und sich hier der Pianist Olivier Cavé als hervorragende Wahl erweist. Was sich auf dieser CD in Beethovens zweiter Klaviersonate B-Dur nahtlos fortsetzen soll...
Nach den Symphonien, Violinkonzerten, Klavierquintetten, Cellosonaten und der ersten Folge der Streichquartette hat cpo seinen Streifzug durch das Schaffen Friedrich Gernsheims fortgesetzt und eine Doppel-CD mit sämtlichen Werken für Violine und Klavier vorgelegt. Bezogen allein auf die vier Violinsonaten ist die Einspielung von Christoph Schickedanz und Ernst Breidenbach bereits die zweite Gesamtaufnahme, denn 2012 hatten Stefan und Andreas Kirpal die Werke für Brilliant aufgenommen.
Mozarts Serenade in B-Dur KV 361/370a, auch genannt Gran Partita, ist der Gipfelpunkt seiner Bläserserenaden-Kunst. Thomas Schipperges charakterisiert sie im „Mozart Handbuch“ folgendermaßen: „Insgesamt…bedeutet die Verbindung von motivischer Arbeit bei ständiger satztechnischer Rücksicht auf die spezifischen Klangcharaktere mit einer nie zuvor dagewesenen Klangpracht…den endgültigen Abschied Mozarts von einer unbeschwerten Gesellschaftsform.“
Olivier Messiaen, Vingt Régards sur l'Enfant-Jésus
Aldilà Records ARCD 015
2 CD • 2h 12min • 2005
23.02.2021 • 10 10 10
Suchte man das Klavierwerk, wo die für Olivier Messiaens Musik typischsten Elemente – seine berühmten „Modi“, erweiterte Akkordfolgen jenseits der Funktionsharmonik, stilisierte Vogelgesänge, „unumkehrbare“ Rhythmen, und nicht zuletzt sein unverhohlener Katholizismus – sämtlich in konzentrierter Form in Erscheinung treten, wird wohl spontan sein etwas über zwei Stunden langer Zyklus Vingt Regards sur l’Enfant-Jésus von 1944 genannt werden.
Giovanni Benedetto Platti, Harpsichor Concertos • Violin Concerto
cpo 555 219-2
1 CD • 64min • 2017
22.02.2021 • 9 7 9
Giovanni Benedetto Platti (1697-1763) wurde geboren, als J. S. Bach dreizehn Jahre alt war; als er starb, stand W. A. Mozart kurz vor seinem siebten Geburtstag. Gebürtig aus Padua stand er von 1722 bis zu seinem Tod im Dienst des Würzburger Fürstbischofs Johann Philipp Franz von Schönborn und etlicher Nachfolger – darunter der jüngere Bruder Friedrich Carl von Schönborn. Er hinterließ ein breites Œuvre, aus dem auf dieser CD vier Cembalokonzerte und ein Violinkonzert erklingen.
Sonatas for Violin and Piano, Beethoven, Voříšek, Archduke Rudolph of Austria
Audax Records ADX 13727
1 CD • 78min • 2019
21.02.2021 • 10 9 10
Beethoven und die „Fußnoten in seiner Biographie“ – Reinhard Goebel, der bei der Entstehung der CD des Duos Brüggen-Plank unterstützend zur Seite stand, hat auch das Booklet zu dieser Aufnahme verfasst. Das Duo, bestehend aus Henrike Brüggen (Klavier) und Marie Radauer-Plank (Violine) hat bei seinem Debüt bei Audax Beethovens Violinsonate op. 96 in seinen Kontext gestellt
In eine friedliche Idylle, aber auch in leidenschaftliche Stimmungen entführen der deutsche Pianist Mathias Weber, der spanische Hornist Javier Bonet sowie der russische Geiger Maxim Kosinov. Der naturverbundene Charakter des Waldhorns, aber auch die tiefe musikalische Empfindsamkeit in den Kompositionen von Brahms, Schumann und Paul Dukas bieten dafür die denkbar beste Ausgangsbasis.
Das CD-Debüt der Pianistin Lisa Maria Schachtschneider hat ein wenig von einem zweischneidigen Schwert: Auf „Feminae – The Female in Music“ stellt sie Werke von Komponistinnen vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart vor und schreibt zugleich selbst im Booklet, dass es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein müsse, dass diese Namen bekannt und ihre Werke gespielt werden sollten.
Journey to Geneva, Works by Frank Martin & Xavier Dayer
Solo Musica SM 345
1 CD • 58min • 2020
18.02.2021 • 10 10 10
Die Schnittstelle für die neue CD der frankoschweizerischen Cellistin Estelle Revaz ist die Stadt Genf: Sie selbst lebt in dieser Stadt, ebenso der junge Komponist Xavier Dayer. Und vor allem war Genf die Wirkungsstätte des Komponisten Frank Martin. Mit dem Orchestre de Chambre de Genève existiert hier ein Klangkörper, der sich auf Augenhöhe mit dieser Ausnahmeintepretin bewegt
Debütiert ein Pianist mit zwei der größten Ikonen der Klavierliteratur, fragt sich der verwöhnte Rezensent, ob das sein muss. Beethovens Hammerklavier-Sonate erfordert nach landläufiger Meinung den „gereiften“ Pianisten ab 50 und die Waldstein-Sonate wurde vielleicht schon zu häufig in Rillen und Pits gebannt. Allerdings stellt sie geradezu eine Visitenkarte dar, die jeder Tastenvirtuose wohl irgendwann abgeben muss, wenn er nicht Hamelin heißt.
Obwohl er das biblische Alter von 97 Jahren erreichte, konnte Hans Gál (1890-1987), vor der Machtergreifung der Nazis ein überaus erfolgreicher Komponist und danach fast vollständig in Vergessenheit geraten, die Renaissance seiner Werke, die erst in unserem Jahrhundert einsetzte, nicht mehr miterleben.
Dass Komponisten gelegentlich in Familienclans auftreten, weiß man seit den Hasslers, Scarlattis oder Bachs nur zu gut. Zu diesem Cluster an Begabten gehörten auch die Rombergs. Stammvater Balthasar war Soldat und später Tambour. Dessen Söhne Bernhard (Klarinette) und Gerhard (Fagott), die „älteren Brüder Romberg“ sind die Väter die bedeutendsten Vertreter der Familie, Bernhard Heinrich (Cello) und Andreas Jakob (Violine), dessen Orchesterwerke von Kevin Griffith und Phion hier ihr CD-Debüt feiern.
An der Arp-Schnitger-Orgel der Groninger Der Aa-Kerk legt Peter Westerbrink – seit 1992 dortselbst Organist – den vierten und letzten Teil seines Panoramas der norddeutschen Orgelmusik vor, dem er zu Ehren Franz Tunders (ca. 1614-1667) den Titel Franz Tunder in perspectief gegeben hat. Damit erweist er einem der wichtigsten Protagonisten der Orgelmusik in Norddeutschland wohlverdiente Ehre
Der Komponist als Interpret bzw. der Pianist, der seine eigene Fantasie in Töne kleidet – das trifft auf den Italiener Antonio di Fonzo zu. Auf seiner CD „Rebirth“ überwindet er jede im klassischen Konzertbetrieb sonst übliche Arbeitsteilung – persönlich, intim und unprätentiös. Ebenso sind die Grenzen zwischen klassischer Musik und Jazz aufgehoben.
Mit seiner 1909 vollendeten 9. Sinfonie nimmt Gustav Mahler Abschied von dieser Welt, so jedenfalls der Eindruck, der beim Hören dieser Aufnahme entsteht. Im Vorwort zu dieser Aufnahme schreibt Fischer über die besondere Beziehung des morbiden Themen nicht gerade abgeneigten Mahler zum Tod, was – so Fischer sinngemäß – insbesondere in der Neunten zum Ausdruck komme.
Manchmal führen Titel in die Irre und das ist hier auf jeden Fall gewollt: Das Ensemble Cembaless hat mit einem Cembalo überhaupt nichts im Sinn. Gerade die Befreiung von einem harmoniegebenden Instrument sorgt gerade für Leichtfüßigkeit und Luftigkeit, die auf dieser CD für so manches musikalische Abenteuer sorgen.
Complete Piano Sonatas • Diabelli Variations Daniel Barenboim
Ludwig van Beethoven, Complete Piano Sonatas • Diabelli Variations
DG 483 9320
13 CD • 14h 47min • 2020, 1958
10.02.2021 • 10 10 10
Im Mai und Juni 2020 hat Daniel Barenboim im Berliner Pierre-Boulez-Saal, also an seinem akustisch trefflichen musikalischen Stammsitz, zum fünften Mal eine Kompletteinspielung der 32 Beethoven-Sonaten aufgenommen, und noch den gewaltigsten und herausforderndsten Variationezyklus, die einstündigen Diabelli-Variationen hinzugefügt. Dies ist als einer der unbestreitbaren Höhepunkte des Beethoven-Jahres in einer Box bei der Deutschen Grammophon erschienen
Allan Pettersson, Symphony No. 12 The Dead in the Square
BIS 2450
1 CD/SACD stereo/surround • 56min • 2019, 2020
09.02.2021 • 9 10 10
Allan Pettersson (1911-1980) darf heute getrost als der bedeutendste schwedische Symphoniker betrachtet werden. Es ist nicht die relativ hohe Anzahl (siebzehn, von denen die erste und letzte Fragmente blieben), sondern die stilistische Unabhängigkeit und der enorme Ausdruckswille, die Petterssons Symphonien auszeichnen
Mit den rund 130 erhaltenen Ouvertüren-Suiten Georg Philipp Telemanns könnte man locker 35 CDs füllen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass in diesem Genre immer noch unentdeckte Trouvaillen auf die Hörer warten. Die von Jean Baptiste Lully ab ca. 1660 geprägte französische Barockoper wurde entscheidend durch das Ballett geprägt. Somit lag es nahe, aus diesen Werken, von denen erstaunlich früh Druckausgaben vorlagen, die rein instrumentalen Stücke zu Satzfolgen (Suiten) zusammenzustellen.
Der Gitarrist Markus Reuter denkt die Ausdrucksmöglichkeiten elektrischer Gitarren weiter – und experimentiert in seiner Komposition Sun Trance mit repetitiven Strukturen. Zusammen mit dem Mannheimer Schlagwerk wird auf einem Konzertmitschnitt der Uraufführung in der Mannheimer Alten Feuerwache das Verhältnis von Raum und Zeit neu definiert – so konzentriert und klanglich brillant, dass sich der Titel dieses Werkes wortwörtlich erfüllt.
Und noch ein Beitrag zum Beethovenjahr – aber diese CD mit Beethoven’scher Kammermusik macht ungehemmte Freude, genau die Freude, die Beethoven seinen Zuhörern machen wollte in seiner Wiener Anfangszeit, in der er noch niemanden vor den Kopf stieß, sondern um Anerkennung rang.
Erst ein Jahr ist es her, dass Cecilia Bartolis Farinelli-Album auf den Markt kam, und schon legt Decca mit einem weiteren Recital der Sängerin nach. Dieses ist allerdings nicht neu, sondern bietet ein Pasticcio früherer Aufnahmen aus einem Vierteljahrhundert, in denen nachzuverfolgen ist, wie sich la Bartoli zur „Queen of Baroque“ emporgearbeitet hat, was in ihrem Fall alles andere als ein Werbe-Etikett ist, sondern ein Titel, der ihr zusteht.
Die Amerikanerin Beth Levin konnte als junges Mädchen fast als Wunderkind gelten, studierte dann bei drei phänomenalen Lehrern – Marian Filar, Rudolf Serkin und Leonard Shure – und machte sehr schnell Karriere, die sie aber, u.a. aus Rücksicht auf eine intaktes Familienleben, nicht so brutal ausufern ließ, wie es der Klassikbetrieb normalerweise fordert.
Musica Baltica 7, Johann Valentin Meder: Sacred Music
MDG 902 2192-6
1 CD • 70min • 2020
03.02.2021 • 9 10 9
In seiner Reihe Musica Baltica präsentiert MDG geistliche Musik von Johann Valentin Meder (1649-1719), der im thüringischen Wasungen als Sohn eines Kantors geboren wurde. Nach muskalischen Wanderjahren ab 1671 war er zwischen 1674 und 1680 Kantor des Gymnasiums in Reval (heute Tallinn), danach wirkte er von 1680-1686 als Domorganist in Riga.
Der Komponist Vagn Holmboe (1909-1996) stellt in seiner Heimat Dänemark, vor allem als Symphoniker, gewissermaßen das Bindeglied zwischen Carl Nielsen und seinem (Holmboes) Schüler Per Nørgård dar. Von seinen 370 Werken – davon 197 mit Opuszahlen – fast aller Gattungen, wobei allerdings Instrumentalmusik klar dominiert, fallen insbesondere die 13 Symphonien und nicht weniger als 20 nummerierte Streichquartette auf.
Haydns „Clavierkonzerte“ oder, mit einem sperrigen Ausdruck, seine Konzerte für „Tasteninstrumente“ umspannen mit neun hier versammelten Kompositionen einen weiten Zeitraum seines Schaffens: Die Reihe beginnt 1756 mit Orgelkonzerten für den liturgischen Gebrauch, dann setzen sich die Clavierkonzerte bis 1782 mit Werken für Cembalo oder Fortepiano fort.
Wer im 17. Jahrhundert ein Unterscheidungsmerkmal suchte, baute als Fürst einen prunkvollen Palast. Innerhalb enger Stadtmauern war dies schwierig. Deshalb suchten die reichen Hanse-Kaufleute sich in der Stiftung der kompliziertesten mechanischen Maschinen, die damals denkbar waren, nämlich prunkvoller Orgeln, zu übertreffen.
Johannes Brahms, Streichquartett Nr. 1 • Klarinettenquintett
Genuin GEN 20704
1 CD • 71min • 2020
30.01.2021 • 9 9 9
Brahms war zeitlebens ein sehr skrupulöser Komponist, selten zufrieden mit dem, was er zu Wege brachte. An seiner ersten Sinfonie etwa laborierte er über 14 Jahre lang rum, zu drohend schwebte der omnipräsente Schatten des musikalischen Übervaters Beethoven über dieser Gattung. Bei den Streichquartetten schien es nicht anders, hier war es mit Haydn, Mozart und Beethoven die Trinität der Kammermusik, die es für Brahms zu überwinden galt.