Mozart
Piano Concertos Nos 20 & 24
Zhen Chen piano • Paul Meyer conductor

Solo Musica SM 473
1 CD • 57min • 2024
25.06.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Mozarts Klavierkonzerte sind schon so oft aufgenommen worden, dass jemand, der damit eine CD veröffentlicht, schon etwas zu sagen haben muss – außer, dass es ein Statement seines pianistischen Könnens ist. Zhen Chen, der in Peking und New York studiert hat, legt nun die zweite Aufnahme mit Mozarts Klavierkonzerten vor, zusammen mit dem Kurpfälzischen Kammerorchester unter dem französischen Dirigenten Paul Meyer. Der hat maßgeblich das Spiel von Zhen Chen bestimmt – wie der Pianist selber im Booklet (d/e) schreibt. Meyer ist der, der „die rauen Kanten meines Spiels abmilderte“ und ihm einen „subtileren, zurückhaltenderen Ausdruck“ abverlangte. Man kann das auch so übersetzen, dass Meyer dem Pianisten eine – vielleicht wesentliche – Facette seiner Ausdruckskraft genommen hat.
Anmutiger Geistertanz
So spielt das Orchester den Beginn des d-Moll-Konzerts KV 466 nicht d-Moll-dämonisch aufgeheizt, nicht durch „grollende Schleiferfiguren“ (Attila Csampai) geprägt, sondern rein strukturbetont und rhythmisch fein abgestuft. Da herrscht kein „diffuses sich Hineinwühlen“ (Peter Gülke), keine aufgewühlte Düsternis, kein „Gewitter der Seele“ (Attia Csampai), da gibt es kein vielleicht verzweifeltes Insistieren auf einem Ton, sondern nur eine intensive Repetierung des Tones – fast ist es wie eine Demonstration, dass auch im schicksalsbeladenen d-Moll ein heiteres Spiel möglich ist: Zhen Chen sieht hier „die Geister der verstorbenen Schlossbewohner anmutig umhertanzen“. Sein Spiel ist in immer leuchtendem Ton sehr flüssig und sehr transparent, aufgehellt und deswegen nie „dick“ im Klang. Er findet in der Rhythmik, vor allem in den vielen Synkopen, sogar tänzerische Aspekte. Zurückhaltende Dezenz mit zart-flüssigem Anschlag und ohne hochbedeutsame Ritardandi herrscht auch in der Romance, die eher heiter als tränenselig sentimental ist. Markant-bedeutsam hebt Zhen Chen die rollenden Basslinien heraus. Natürlich kommt das Finale auch nicht wild auffahrend, skurril-phantastisch oder exaltiert, sondern einfach dem melodischen Fluss und der melodischen Logik folgend, rein strukturell gedacht und damit unbelastet von außermusikalischen Interpretationen. Sogar das D-Dur-Horn/Trompeten-Thema am Satzende wirkt fast wie ungefähr als ein netter kompositorischer Schlenkerer.
Grotesker Spott statt Unheilsformel
Auch der Beginn des c-Moll-Konzertes KV 491 kommt ohne „Unheilsformel“ (Werner Oehlmann) aus, ist keine „wundersame, schmerzlich-schöne Reise durch die dunklen Seelenregionen der heroischen Grundtonart c-Moll“ (Attila Csampai), sondern ist eher „grotesk-spöttisch“ gedacht, schreibt Zhen Chen. Im Orchester gut durchleuchtet ist die ungewöhnlich dicht gewobene Durchführung und die sehr gute Tonregie stellt auch tonlich Klavier und Orchester partnerschaftlich nebeneinander. Der Pianist beachtet sehr genau den ständigen Wechsel von Legato und Staccato, der dadurch zu einem weiteren Strukturmerkmal wird. Dem Larghetto nimmt Zhen Chen jedwede „sakrale Feierlichkeit“ (Werner Oehlmann), sondern lässt seinen Flügel einfach nur singen, dabei sehr betont den Alla-Breve-Takt beachtend. Das ergibt ein relativ schnelles Spieltempo, so dass Chen für diesen Satz nur 6:06 braucht, wo sogar der jeder Sentimentalität unverdächtige Alfred Brendel 7:02 braucht (1974 mit der Academy of St Martin in the Fields unter Neville Mariner). Und nicht unbedingt düstermarschmäßig, nicht unerbittlich wie eine barocke Passacaglia (so Werner Oehlmann), sondern federnd gespannt und mit tänzerischer Eleganz nimmt Paul Meyer das Finale, in dem auch wieder Zhen Chen durch dunkel rollende Bassläufe besticht. Die Geigen des Pfälzischen Kammerorchesters haben nicht die letzte zwingende Geschlossenheit und tonliche Kompaktheit, die Holzbläser aber überzeugen mit schönem Klang.
Interessanterweise ist Zhen Chen bei den Kadenzen vollkommen bei sich: Da schafft er sich einen eigenen Raum, überwältigt mit klanglicher Gewalt und orchestraler Kraft, die sich auch aus dem Pedalgebrauch speist. Da ist nichts mehr von der „emotionalen Distanz“ (so Chen im Booklet) zu spüren, die Meyer ihm abnötigt. Und so bin ich nicht davon überzeugt, „dass der Kompromiss zwischen Pauls und meinen Ideen die dramatischen und lyrischen Elemente der beiden Werke gut ausbalanciert“, wie Chen schreibt, sondern davon, dass Chen hier eine seiner Interpretationspotenzen nicht ausnützt. Aber: Wenn man sich einmal eingelassen hat in Paul Meyers Lesart dieser beiden Moll-Konzerte von Mozart, spürt man eine ganz eigene musikalische Logik – die die Musik durchaus auch hergibt.
Rainer W. Janka [25.06.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Wolfgang Amadeus Mozart | ||
1 | Konzert Nr. 20 d-Moll KV 466 für Klavier und Orchester | 00:29:52 |
4 | Klavierkonzert Nr. 24 c-Moll KV 491 | 00:27:20 |
Interpreten der Einspielung
- Zhen Chen (Klavier)
- Kurpfälzisches Kammerorchester Mannheim (Orchester)
- Paul Meyer (Dirigent)