love and melancholy in late 16th century diminuitions, motets and madrigals by Palestrina, Bovicelli, Bassano et al. astrophil & stella
albus 199199174446
1 CD • 49min • 2024
15.06.2025 • 9 8 9
Der Garten als Rückzugsort – das ist eine wohlbekannte Vorstellung, die auch wir heute noch haben. Doch während der Garten heute eher als Gegenpol zur modernen Welt und als Ort, an dem man schöpferisch (und mit den Händen) tätig sein kann, gilt, war er im 16. Jahrhundert ein Ort, an dem man seinen Gefühlen freien Lauf lassen konnte. Dies war auf gewisse Weise damals auch in der Musik möglich, die stark von der Melancholie geprägt war, die in zahlreichen Verzierungen, also auch wieder auf einer eher künstlichen und kontrollierten Weise ihren Ausdruck fand.
Complete Works for Piano Duo • I Genova & Dimitrov Piano Duo
OehmsClassics OC1740
1 CD • 74min • 2022
14.06.2025 • 9 10 9
Das seit 1995 bestehende Klavierduo Genova & Dimitrov hat sich vorgenommen, sämtliche Werke für Klavier zu vier Händen von Claude Debussy (1862 –1918) einzuspielen. Das erste, beim Westdeutschen Rundfunk produzierte Album der Serie vereint Kompositionen aus den frühen Jahren 1882 bis 1894, und das bedeutet, dass die meisten Stücke nur selten zu hören sind, mit Ausnahme des berühmten Prélude à l’après-midi d’un faune, mit dem Debussy seine „impressionistische“ Phase begann. Das Werk war zunächst für zwei Klaviere entstanden, eine Version, die gegenüber der farbenreichen Orchesterfassung nur einen schwachen Abglanz bedeutet. Auch zwei Sätze aus der Kantate L’enfant prodigue, das erst 2002 veröffentlichte Divertissement, die Première Suite d’Orchestre und die Kantate Printemps stammen aus der Frühzeit des Komponisten und liegen in vierhändigen Fassungen vor.
Symphony No. 5 • Two Serenades • Two Serious Melodies • Swanwhite
Ondine ODE 1468-2
1 CD • 77min • 2024
13.06.2025 • 10 10 10
Es war für ihn ein „Ringen mit Gott“: insgesamt drei Anläufe brauchte Jean Sibelius, um seine fünfte Symphonie fertigzustellen. 1915 war es endlich soweit, doch zufrieden war der Komponist nicht. Er knöpfte sich sein Geburtstagsstück, das der finnische Staat anlässlich seines 50. Geburtstags bei ihm bestellt hatte, noch einmal vor und revidierte es zuerst 1916, dann nochmal 1919 grundlegend. Diese Fassung erklang dann am 24. November 1919 unter seiner eigenen Leitung zum ersten Mal. „Jetzt ist sie gut“, stellte der als finnischer Nationalkomponist verehrte Sibelius nun endlich fest.
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847) hat sich lebenslang mit der Musik Johann Sebastian Bachs beschäftigt, was unter anderem in der ersten Wiederaufführung der Matthäuspassion nach Bachs Tod im Jahr 1829 gipfelte. Der Schweizer Pianist Karl-Andreas Kolly hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kompositionen einzuspielen, die besonders stark von Bach beeinflusst sind. Das sind jeweils drei Präludien und Fugen für Klavier aus Opus 35 und drei Orgelsonaten aus Opus 65.
Violin Concerto • Viola Concerto • Symphony Nr. 8 "The Bell" Works by Enjott Schneider
Solo Musica SM 475
1 CD • 81min • 2024
11.06.2025 • 9 10 10
In der polarisierten Landschaft zeitgenössischer Musik, wo sich akademische Komplexität und kommerzielle Zugänglichkeit oft unversöhnlich gegenüberstehen, bleibt der Münchner Komponist Enjott Schneider einem dritten Weg mit Konsequenz und kraftvoller Überzeugungskraft treu. Seine neue CD-Produktion "Bridges to Infinity" auf Solo Musica –erschienen anlässlich seines 75. Geburtstags – dokumentiert nicht nur ambitioniertes kompositorisches Können, sondern auch eine langjährige spirituelle Erkundung mit Musik als Medium.
Forgotten Treasures of the German Baroque Astrid Knöchlein oboe & recorder
Ars Produktion ARS 38 670
1 CD • 78min • 2023
10.06.2025 • 10 10 10
Deutsche Barockmusik ohne Bach und Händel? Die Musikerin Astrid Knöchlein, die am Konservatorium Bern unterrichtet, macht’s möglich mit einer Auswahl von zwölf „vergessenen Schätzen“, Sonaten für Barockoboe oder Blockflöte mit Basso continuo. Fündig wurde die Interpretin beispielsweise in einer Brüsseler Bibliothek bei einem Sammelband aus dem Nachlass Friedrichs des Großen, der ja selbst ein begeisterter Flötist war. Weitere Entdeckungen gab es im Umfeld der Bach-Familie, und schließlich fand man in Georg Philipp Telemanns Sammlung „Der getreue Musikmeister“ eine interessante Blockflötensonate in C-Dur.
Kinder, insbesondere Söhne, von Genies haben es schwer. Auch Franz Xaver Mozart (1791-1844), der vier Monate vor dem Tod seines Vaters zur Welt kam, also seinen Vater nie kennengelernt hat, aber dafür wohl immer dessen Schatten spürte. Vielleicht zog es ihn deswegen in die relative Ferne, zwar immer noch in der österreichischen Monarchie, aber an deren nordöstlichsten Rand, nämlich nach dem galizischen Lemberg, das heute in der Ukraine liegt. Vorher hatte ihn seine Mutter Constanze aufs Beste ausbilden lassen, seine Lehrer waren unter anderem Johann Andreas Streicher, Abbé Vogler, Johann Georg Albrechtsberger, Antonio Salieri und Johann Nepomuk Hummel.
Josquin des Prez (ca. 1450-1521) galt schon seinen Zeitgenossen als der bedeutendste Komponist seiner Generation, und noch heute nimmt er diesen herausragenden Platz ein. Werke aus Josquins Feder fanden schon zu seinen Lebzeiten Eingang in Musikhandschriften der blühenden Messestadt Leipzig, die seit 1497 dank des Messeprivilegs Kaiser Maximilians I. dreimal jährlich eine internationale Handelsgesellschaft in ihren Mauern versammelte. Um 1500 entstand die Sammelhandschrift des Gelehrten Nicolaus Apel, und ein halbes Jahrhundert später, 1558, das bedeutende – heute in der Universitätsbibliothek Leipzig verwahrte – Manuskript Ms. Thomaskirche 49/50, in dem die berühmtesten Komponisten der Zeit vereint sind. So bedeutet diese CD eine Hommage des Ensembles amarcord an den überragenden Meister der Musik der Renaissance anhand der in Leipzig aufbewahrten Überlieferung seines Werks.
Diese Aufnahme ist die Folge 3 der verdienstvollen und schon jetzt von der Kritik hochgelobten Gesamtaufnahmen aller Symphonien von Ferdinand Ries des Labels Ondine, der damit hoffentlich endgültig aus der bloßen Rolle als Beethoven-Biograf herauswächst. Ries hat ein Œuvre von ca. 300 Werken geschaffen, davon acht Symphonien, meistens für die Philharmonic Society of London. Sie wurden seinerzeit lebhaft rezipiert, die beiden hier musizierten Symphonien in Es-Dur werden als „energisch, anmutig und originell, mit einer Art wilder poetischer Imagination“ (WoO 30) bzw. als „zugleich luftig, gelehrt und gefällig“ (op. 90) charakterisiert. Mitgeteilt wird das im sehr kundigen und ausführlichen (zweisprachigen) Booklet.
Works by Jacob van Eyck, Komitas Wardapet and Marin Marais
Genuin GEN 25924
1 CD • 51min • 2024
06.06.2025 • 9 9 9
Der Fluyten Lust-Hof ist eine bedeutende Sammlung von barocker Blockflötenmusik, ihr Autor ist Jacob van Eyck (ca. 1590-1657), blinder Glockenspieler und Blockflötist, der unter anderem am Utrechter Dom tätig war. Die epochale Sammlung für die Blockflöte ist das Rückgrat dieser Einspielung, die der 1971 geborene Posaunist Ercole Nisini gemeinsam mit dem Perkussionisten Peter Kuhnsch vorlegt: Von der Blockflötenstimme auf die Posaune wird hier Musik vom kleinsten auf das für die Zeit größte Blasinstrument übertragen (aus der Welt der Streicher gesprochen wäre das von der Tanzmeistergeige zum Kontrabass) – und das stellt für den Posaunisten einen hochgradigen Anspruch an ebenso seine klangliche wie musikalische Gestaltungskraft dar.
Complete Flute Music Markus Brönnimann and friends
Tacet 281
1 CD • 52min • 2024
05.06.2025 • 10 10 10
„Jetzt, im Sommer 2024, ist meine Beschäftigung mit György Kurtags Flötenmusik vorerst abgeschlossen. Ich habe jede Note dreimal umgedreht und versucht, mich in seine Denkweise und Welt hineinzuversetzen. Ich habe versucht, eins zu werden mit dieser Musik, so wie Kurtág dies von seinen Studenten immer verlangt hat. Alle diese Stücke zu lernen, war nicht nur eine Herausforderung, Kurtágs Musik hat mir auch sehr viel zurückgegeben und mich glücklich gemacht. Möge es dem Hörer gleich ergehen“ – schreibt der auf diesem Album agierende Schweizer Flötist Markus Brönnimann im Booklet. Um es gleich vorweg zusagen: Ja, das Hören dieser Musik und die Beschäftigung mit der CD haben mich glücklich gemacht, sehr sogar. Dies umso mehr, als ich das bei dem – in der Musikwelt nicht überall beliebten – Instrument Flöte in dieser Intensität nicht erwartet habe.
Es ist bemerkenswert, dass sowohl Ludwig van Beethoven als auch Franz Schubert um 1819 Werke konzipierten, die an die sechs großen Messen Haydns anknüpften und diese zu übertreffen suchten. Der seit 2022 amtierende Kreuzkantor Martin Lehmann wählte für sein CD-Debüt nun Schuberts höchst anspruchsvolle Messe in As-Dur D 678 und stellt dieser das 1959/ entstandene, frech-witzige Gloria von Francis Poulenc gegenüber.
Reinhard Schwarz-Schilling • Heinrich Kaminski The Complete Songs
Aldilà Records ARCD 028
2 CD • 1h 30min • 2024
03.06.2025 • 10 10 10
Unter den relativ jungen, vom CD-Volumen her eher kleinen Labeln unserer Tage gehört Aldilà Records sicherlich zu denjenigen mit einem besonders markanten, unverwechselbaren Profil, was etwa die Auswahl der Komponisten oder die Konzipierung der Alben anbelangt. So auch auf der vorliegenden Neuerscheinung: Heinrich Kaminski (1886–1946) und sein Schüler Reinhard Schwarz-Schilling (1904–1985) gehören zu den Komponisten, die ganz besonders im Fokus des Labels stehen, und ebenso typisch ist, dass die Doppel-CD eben nicht „nur“ das (komplette) Schaffen beider Komponisten für eine Singstimme und Klavierbegleitung bietet, sondern noch eine Reihe klug ausgewählter Beigaben, die die Musik gewissermaßen kontextualisieren.
Obwohl der Neapolitaner Tommaso Traetta (1727 – 1779) bereits 1913 und 1916 mit zwei aufwändig editierten Bänden der „Denkmäler deutscher Tonkunst“ bzw. „Denkmäler der Tonkunst in Bayern“ bedacht worden war, blieb er selbst im Zuge des anhaltenden Alte-Musik-Booms einer größeren Öffentlichkeit weitgehend unbekannt; entsprechend karg ist die Diskographie, erst in den letzten Jahren haben Sängerinnen wie Olga Peretyatko und Nuria Rial einzelne Arien in ihre Rezitale aufgenommen. Die vorliegende Initiative von cpo in Zusammenarbeit mit den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik ist daher sehr verdienstvoll.
Ragna Schirmer • Hofkapelle München • Rüdiger Lotter
Berlin Classics 0303740BC
1 CD • 69min • 2074
01.06.2025 • 10 10 10
Maria Theresia Paradis (1759-1824) war zu ihrer Zeit ein medizinisch-musikalisches Wunderkind: Obwohl sie mit drei Jahren erblindete, legte sie eine steile Karriere als Pianistin und Komponistin hin, lernte bei Antonio Salieri, Vincenzo Righini und Abbé Vogler, machte eine glanzvolle Tournee durch Europa mit Paris als Höhepunkt, wo sie mindestens zehnmal bei den berühmten Concerts spirituels auftrat und sogar zusammen mit Königin Marie Antoinette öffentlich sang. In Wien war sie mit Mozart und Haydn bekannt, die für sie Klavierkonzerte komponiert haben – Mozart sicher, Haydn vermutlich.
Grenzenlos Kompositionen für Stimmen und Instrumente
Ars Produktion ARS 38 682
1 CD • 74min • 2024
31.05.2025 • 9 9 9
Bernd Stegmann kommt von der Kirchenmusik her, war Organist und Chorleiter (u.a. an der Pauluskirche in Berlin-Zehlendorf) und gibt hier mit gesammelten Arbeiten aus den Jahren 2018-23 ein beeindruckendes Entree als Komponist und Autor. Die im Mittelpunkt stehende Kleine Messe nimmt uns in eine moderne, aber keineswegs dem woken Zeitgeist huldigende Form des Gottesdienstes mit, die anderen Chöre sind thematisch eng mit dieser verbunden. Zwar gibt es einige Anleihen aus der herkömmlichen Liturgie (Kyrie eleison, Credo, Singet dem Herrn, Ehre sei Gott), aber der überwiegende Teil der Texte stammt aus Stegmanns auch in Buchform veröffentlichtem Gedichtzyklus Gefaltetes Leben.
Vor nahezu vier Jahren hatte ich an dieser Stelle die Freude, die erste Folge der Gesamteinspielung der Klavierquartette von Johannes Brahms und Friedrich Gernsheim durch das Mariani Klavierquartett zu besprechen. Nun liegt mit der dritten Folge der Abschluss der Reihe vor. Kombinierte das Ensemble auf den ersten beiden CDs jeweils zwei in ihrer Grundstimmung verwandte Werke, so ergibt sich jetzt zwangsläufig ein von starken Kontrasten geprägtes Programm.
In diesem Jahr 2025 jährt sich der Todestag des großen französischen Exzentrikers Erik Satie (1866–1925) zum 100. Mal, und aus diesem Anlass widmet ihm das dänische Label Our Recordings ein Album mit Klaviermusik. Wie so häufig setzt das Label dabei auf sorgfältig ausgewählte dänische Künstler, in diesem Fall die Pianistin Christina Bjørkøe, die natürlich gerade dem an dänischer Musik interessierten Musikfreund durch etliche Veröffentlichungen bei cpo, Classico oder Dacapo ein Begriff ist; bei Our Recordings scheint sie mit diesem Album indes ihr Debüt zu geben.
Der Gitarrenbauer Hermann Hauser konstruierte in den 1930ern ein Instrument für den spanischen Virtuosen Andrés Segovia (1893-1987). Es ging als Prototyp für die klassische Konzertgitarre in die Geschichte ein. Nur zwei Exemplare dieses Typs existieren noch. Eines spielt die italienische Gitarristin Carlotta Dalia dank einer Stiftung; das andere liegt in einer Vitrine des Metropolitan Museum in New York. Carlotta Dalias Album „Segovia“ ist eine Hommage an den berühmten gleichnamigen Musiker, der das klassische Gitarrenspiel des 20. Jahrhunderts maßgeblich beeinflusste. Jahrhundertelang vom Klavier verdrängt, erlebte die Gitarre im 20. Jahrhundert ein Revival; viele Komponisten schreiben seither anspruchsvolle Kunstmusik für das Saiteninstrument.
Es scheint das Schicksal mancher Komponisten zu sein, permanent in die falsche Schublade gesteckt zu werden. Nino Rota ist so ein Fall, der gemeinhin auf seine Filmpartituren reduziert wird, aber auch ein durchaus nennenswertes Schaffen im sogenannten Ernsten Genre vorweisen kann. Mit Miklós Rózsa verhält es sich ähnlich. Fast scheint es, als wären ihm wie bei Rota einige seiner geradezu ikonisch gewordenen Filmmusiken zum „Verhängnis“ geworden. Wer Klassiker wie Ben Hur, Quo Vadis, El Cid oder Der Dieb von Bagdad komponiert hat, kommt aus dieser Schublade wohl kaum mehr raus. Schade eigentlich, denn nicht zuletzt diese von der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter der Leitung von Gregor Bühl eingespielte CD könnte dieses Bild nachhaltig ändern.
Das international besetzte Ensemble Louise Farrenc benennt sich nach einer Komponistin, die Mitte des 19. Jahrhunderts in Paris große Erfolge feierte. Das Andenken an Louise Farrenc wird auch vom Label cpo hochgehalten, das anlässlich ihres 150. Todestages eine weitere Kammermusik-Produktion auf den Markt bringt. Louise Farrenc stammte aus einer Pariser Künstlerfamilie und war mit dem Flötisten und Musikverleger Aristide Farrenc verheiratet, der ihre Werke im Druck herausgab. Schon zu Lebzeiten fanden ihre Kompositionen eine breite Resonanz. 1842 wurde Farrenc vom Pariser Konservatorium angestellt – als weltweit erste Frau auf einer Musikprofessur.
Die Instrumente, die hier erklingen, machen von ihrem Erscheinungsbild offensichtlich einen besonderen Eindruck, denn Willi Budde, Solist der vorliegenden Aufnahme, wird vom Publikum immer wieder gefragt: „Kann man die Dinger auch spielen?“ Waldhörner sind von Anblick und Hörerlebnis ziemlich bekannt, und so dürfte diese Frage hauptsächlich den Kornetten gelten, die etwa wie eine unhandliche Trompete aussehen. Wenn man allerdings ihren Klang hört, ordnen sie sich schnell in das vertraute Klangspektrum der Blechblasinstrumente ein.
Grieg • Sibelius • Atterberg • Martinsson Felix Klieser
Berlin Classics 0303248BC
1 CD • 59min • 2023
24.05.2025 • 9 9 9
Der Hornist Felix Klieser widmet sich auf seinem neuen Album „Northern Colours“ der skandinavischen Orchestermusik. Neben Klassikern aus der Feder von Edvard Grieg und Jean Sibelius stehen der wiederentdeckte Spätromantiker Kurt Atterberg sowie Zeitgenössisches von Rolf Martinsson auf dem Programm. Begleitet wird Klieser von der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken unter Leitung des englischen Dirigenten Jamie Phillips. [...]
Orchestermusik aus dem Norden Europas ist seit jeher eine Domäne des Labels cpo, immer wieder auch aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Speziell in Bezug auf Finnland zählen etwa die Aufnahmen der Sinfonien von Aulis Sallinen wohl zu den Fixpunkten des cpo-Katalogs, und insofern liegt es eigentlich nahe, dass sich das Label nun auch der Musik von Einojuhani Rautavaara (1928–2016) annimmt, des wohl bekanntesten finnischen Komponisten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit dem Geiger Ulf Wallin und dem Dirigenten Ari Rasilainen am Pult des Philharmonischen Orchesters Turku sind bewährte Kräfte im Einsatz, präsentiert werden drei Werke aus Rautavaaras mittlerer und später Schaffensperiode.
Lepo Sumera (1950–2000) ist trotz seines tragisch frühen Herztods bis heute wohl der wichtigste estnische Symphoniker der Nachkriegszeit. Der letzte Schüler des legendären Heino Eller – durch dessen Unterricht noch Eduard Tubin oder Arvo Pärt gegangen waren – hatte sich recht früh von der Dodekaphonie abgewandt und in sechs Symphonien, die für sein Schaffen prägende Gattung, verschiedene stilistische Wandlungen durchlebt. Ähnlich dem Ukrainer Valentin Silvestrov entwickelte er – ohne Kenntnis entsprechender US-amerikanischer Werke – ab den frühen 1980er Jahren Musik, die oberflächlich betrachtet eine sehr individuelle Erscheinungsform des Minimalismus auszubilden scheint, jedoch deutlich vielschichtiger ist und deren Wiederholungsmuster ihren Ursprung im archaischen, estnischen Runengesang haben.
Emre Yavuz leitet sein ganz dem Schaffen Maurice Ravels gewidmetes Album „Trés franc“ mit einem lesenswerten autobiographischen Text ein, der anschließend in persönliche Anmerkungen zu jedem der eingespielten Werke übergeht. Yavuz kommt darin auf eine Handverletzung zu sprechen, unter der er in der Zeit vor der Aufnahme litt. Würde er sie nicht selbst erwähnen, man würde beim Hören der CD auf keinerlei Gedanken kommen, der Pianist hätte mit irgendwelchen Einschränkungen zu kämpfen gehabt. Was wir hören ist Klavierspiel auf sehr hohem Niveau voller meisterhaft realisierter brillanter Passagen!
In den Jahren der Pandemie fühlte sich die südafrikanische Sopranistin Linda von Coppenhagen, die seit 2011 in Deutschland lebt, gleich doppelt heimatlos. Sie war abgeschnitten von ihrer Familie in Südafrika und von ihrer künstlerischen Heimat auf der Bühne und im Konzertsaal. Mit dem vorliegenden Album, gemeinsam mit dem ebenfalls aus Südafrika stammenden Pianisten David Grant und der Berliner Klarinettistin Friederike von Oppeln-Bronikowski erarbeitet, hat sie einen produktiven Ausweg aus dieser Isolation gefunden.
Symphony op. 67 »Es muß doch Frühling werden« • Symphony in F minor
cpo 555 625-2
1 CD • 61min • 2023
19.05.2025 • 10 10 10
Da fragt man sich doch wirklich, wieso ein hochromantischer Komponist der Mendelssohn-Klasse wie Ferdinand Hiller (1811-1885) so selten mit Aufnahmen bedacht wurde und freut sich desto mehr, dass Howard Griffiths und das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt eine fulminante Einspielung der Sinfonien in e- und f-Moll vorlegen. Dass Hiller von den Spielplänen verschwand, lag vorwiegend an der der Neudeutschen Schule folgenden Generation von Star-Dirigenten um 1900 (F. Mottl, R. Strauss), deren Bibel Richard Wagners Schrift „Über das Dirigieren“ war, denn dort kommt Hiller eher schlecht weg.
Lieder aus Japan und Europa / Songs from Japan and Europe Misaki Kobayashi, Sopran • Matthias Veit, Klavier
TYXart TXA22174
1 CD • 79min • 2023
18.05.2025 • 8 8 8
Der deutsche Pianist und Liedbegleiter Matthias Veit ist im Laufe seiner Karriere nicht nur mit der europäischen, sondern auch mit der japanischen Liedkultur bekannt geworden und dabei auf die Idee gekommen, eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen beiden Kultursphären herzustellen. In diesem Recital findet er 18 Geschwisterpaare, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft präsentieren. Die europäischen Beiträge stammen aus drei Jahrhunderten und reichen von Mozart bis Ravel, die japanischen mit einer Ausnahme aus dem 20. Jahrhundert.
Dass mich eine CD, die ausschließlich Antonio Vivaldi gewidmet ist, nicht zwingend begeistert, dürfte den Lesern bekannt sein. Desto schöner, dass jetzt eine Produktion auf meinen Schreibtisch gelangte, die mir höchste Freude bereitete. Wohl nur die Wenigsten werden wissen, dass Vivaldi gelegentlich eine obligate Orgel in seinen Concerti und Sonaten einsetzte. Wer uns dies ins Bewusstsein ruft, erwirbt sich allein schon durch das Aufzeigen dieser Facette Verdienste. Geschieht es auf die hier dokumentierte Weise muss höchstes Lob die Folge sein.