Concertos & Movements
Bjarke Mogensen
Shamo | Koppel | Schmidt
Orchid Classics ORC100393
1 CD • 51min • [P] 2025
12.11.2025
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Gesamteindruck:![]()
Das Akkordeon trägt manchmal noch immer die Last seiner Herkunft: zu populär für den Konzertsaal, zu volksmusikalisch konnotiert für die Neue Musik, zu sehr Grenzinstrument zwischen den Genres. Von solchen Einordnungsdiskursen lässt sich Bjarke Mogensen nicht beirren, widerlegt er doch auf seinem neuen Album „Concertos & Movements" sämtliche Vorurteile durch nichts anderes als fundierte musikalische Substanz. Gemeinsam mit dem Aarhus Chamber Orchestra sind drei Komponisten jenseits des Standardrepertoires zu entdecken: den ukrainischen Lyriker Ihor Shamo, den dänischen Komponisten Anders Koppel und seinen im Jahr 2010 verstorbenen Landsmann Ole Schmidt.
Lyrischer Gestus versus perkussive Vitalität
Das Herzstück der Aufnahme bildet ein viersätziger Zyklus von Ihor Shamo. Der 1925 in Kiew geborene und 1982 dort verstorbene Komponist prägte vor allem durch Lieder und Orchesterwerke das musikalische Vermächtnis der Ukraine. Seine melodische Direktheit verbindet heimische Tradition mit zugänglicher Tonsprache – eine Musik, die vom lyrischen Gestus lebt. Die Preludia eröffnet mit klar konturierten Themen, die Fuga entfaltet kontrapunktische Dichte, die Aria bildet das emotionale Zentrum, bevor die Toccata als rhythmische Eruption das Finale setzt.
Anders Koppel (Jg. 1947), Mitbegründer der Rockgruppe The Savage Rose, repräsentiert einen völlig anderen Zugriff. Der Kopenhagener changiert zwischen Pop, Jazz und Konzertmusik und verbindet eingängige Melodik mit perkussiv-motorischer Vitalität. Seine beiden Sätze aus dem Accordion Concerto No. 2 fordern rhythmische Impulse, neo-minimalistische Präzision und folkloristische Farbigkeit – ein aggressiverer Ton, der das Instrument als Schlagwerk begreift.
Meisterschaft in Klangfarbe und Phrasierung
Mogensen meistert beide Welten mit beeindruckender Souveränität. In Shamos Zyklus trägt er die Preludia mit warmem, fast cellohaftem Register vor und verleiht dem Akkordeon jene Tiefe, die man sonst nur Streichern zuschreibt. Die Fuga führt er mit präziser Stimmführung aus, die Phrasierung lässt die Polyphonie atmen – als wäre eine große Orgel am Werk. Den emotionalen Höhepunkt setzt die Aria: Vibrierende Registerwechsel und kalkulierte Atempausen erzeugen vokale Momentaufnahmen von eindringlicher Intimität. Die Toccata offenbart fingertechnische Präzision und rhythmische Durchschlagskraft – das Instrument mutiert zur Klangmaschine orchestraler Dichte, ohne die Transparenz zu opfern.
In Koppels Sätzen zeigt sich eine völlig andere Seite: Mogensen moduliert Attacke und Ausdruck, lässt melodiöse Passagen und rhythmische Schläge gegeneinander prallen und entwickelt dabei einen Dialog mit seinen Begleitern, der weit über bloße Zuarbeit hinausgeht. Auch im Finale des Programms, dem einsätzigen Concerto Nr. 2 für Akkordeon und Orchester reagieren die Ensembles wunder sensibel auf diesen vielseitigen Solisten, die Balance ist präzise austariert und von variabler Lebendigkeit gezeichnet.
Bewunderswerte Virtuosität
Was durchgehend besticht, ist die Farbenvielfalt in den unterschiedlichen Registern. Schnelle Läufe und polyphone Passagen gelingen mit bewundernswerter Leichtigkeit, die Fähigkeit, Atem und Phrasierung so zu formen, dass lange Linien vokal erscheinen, überzeugt. In den kontrastreichen Sätzen wird das Akkordeon zum Orchesterinstrument mit solistischer Präsenz – ein Paradox, das Mogensen mühelos auflöst.
Die klangliche Realisation gelang vorbildlich: Die räumliche Staffelung platziert das Soloinstrument im Vordergrund. Das Mastering sorgt für Wärme in den Tiefen und Brillanz in den Transienten – von intimen Arien bis zu toccatenhaften Ausbrüchen kommt alles differenziert zur Geltung.
„Concertos & Movements" rehabilitiert das Akkordeon als Instrument konzertanter Kraft, dem in Punkto lyrischer Tiefe und impulsiver Brillanz keine Grenzen gesetzt sind. Mogensen erweist sich dabei als mutiger Entdecker, der wenig bekannte Komponisten ins rechte Licht rückt. Insbesondere Shamos Viersätzer ist eine Entdeckung von Rang, die das Repertoire nachhaltig bereichert.
Stefan Pieper [12.11.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
| Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
|---|---|---|
| CD/SACD 1 | ||
| Ihor Shamo | ||
| 1 | Konzert für Akkordeon und Streichorchester | 00:22:34 |
| Anders Koppel | ||
| 5 | Konzert Nr. 2 für Akkordeon und Orchester, Cadenza | 00:09:18 |
| 6 | Konzert Nr. 2 für Akkordeon und Orchester, Allegro con brio | 00:04:59 |
| Ole Schmidt | ||
| 7 | Konzert Nr. 2 für Akkordeon und Orchester | 00:14:30 |
Interpreten der Einspielung
- Bjarke Mogensen (Akkordeon)
- Aarhus Kammerorkester (Orchester)
- Magnus Plejdrup (Dirigent)
- Danish Chamber Players (Ensemble)
