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Besprechung CD

Pain and Eros

Anneleen Lenaerts Harp • Kosma Ranuer Kroon Baritone • Freiburg Philharmonic Orchestra

TYXart TXA25202

1 CD • 75min • 2024

21.11.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Was bedeutet es, fast siebzig Jahre nach ihrer Uraufführung einer Symphonie zu begegnen, die auf einer Gefangeneninsel entstand? Eine neue, zusammen mit SWR Kultur realisierte Einspielung wird ihren Teil dazu beitragen, dass Mikis Theodorakis' erste Symphonie ein größeres Publikum erreichen wird – und damit auch den Blick auf ein Stück griechischer Nachkriegsgeschichte lenkt, das in der mitteleuropäischen Wahrnehmung allzu oft im Schatten blieb.

Komponist und Widerstandskämpfer

Mikis Theodorakis war nicht nur ein international bekannter Komponist, sondern ein aktiver Widerstandskämpfer: Er kämpfte im Zweiten Weltkrieg und im Bürgerkrieg, wurde von der Militärjunta 1967 verfolgt, verhaftet und gefoltert, ging ins Exil und wurde zum Symbol des demokratischen Widerstands in Griechenland. Diese erste Symphonie schrieb er 1957 als 25-Jähriger unter den Bedingungen politischer Repression auf der Insel Makronisos. Dieser Hintergrund macht die Neueinspielung zum aufschlussreichen zeithistorischen Dokument.

Hinter dem aufbrausenden sinfonischen Pathos entfaltet sich eine Klangsprache, die etwas zutiefst Aufrichtiges in sich trägt. Diese leidenschaftliche symphonische Aussage verbindet Tradition mit Elementen griechischer Melodik und rhythmischer Gestik: Markante, oft volksliedhafte Themen treten neben dramatische, fast filmische Orchesterblöcke. Dieser Spannungsaufbau macht die existenzielle Bedrängnis des Komponisten geradezu physisch spürbar. "Pain and Eros" – der Titel dieser Aufnahme trifft die Sache: Schmerz und Lebenstrieb, Leiden und leidenschaftliche Bejahung durchziehen diese Musik in jedem Takt.

Dahinter steht eine hervorragende Ausbalancierung der instrumentalen Klangfarben. Überhaupt ist es der Interpretation durch die Freiburger Philharmoniker unter Ektoras Tartanis' Leitung zu verdanken, dass diese Musik ihre zutiefst aufrichtige Wirkung entfaltet. Sie braust auf, lässt aber auch elegische Klagen und lyrische Anmut ohne Umschweife zu. So gelingt es, politisches Leiden in orchestrale Geste zu übersetzen, ohne in bloße Illustration abzugleiten.

Aktualisierung aus dem Heute

Erfrischend aktuell wirkt diese Aufnahme, da Theodorakis' richtungsweisendes Frühwerk mit einer neuen Komposition eines jüngeren Komponisten kombiniert wird, nämlich mit Ektoras Tartanis' symphonischem Erstlingswerk Erato Psaltrian für Bariton, Harfe und Orchester. Die drei Sätze – „Geburt", „Reise", „Feier" – führen in eine Klangwelt, die zwischen Tradition und zeitgenössischem Idiom changiert, ohne den Anschluss an eine der beiden Seiten zu verlieren. Auch hier spiegelt sich jenes Begriffspaar wider: Erato, die Muse der Liebespoesie, deren Beiname "Psaltrian" auf den psalmodierenden Gesang verweist – Eros als schöpferische Kraft, die aus der Tiefe alter Gesangstraditionen schöpft.

In lange atmenden Bögen setzt dieses Werk des 1987 geborenen Komponisten die dunkle Farbgebung der vorangegangenen Sinfonie fort. Kosma Ranuer Kroons warmtönender Bass-Bariton ist von spiritueller Inbrunst durchdrungen – seine intensive, lyrisch klangschöne Darbietung vermeidet jeden Anflug folkloristischer Klischees. Anneleen Lenaerts' Harfenspiel improvisiert die Idiomatik des Gesangs organisch weiter, während sich zusätzliche Instrumente schrittweise einmischen und einen vitalen deklamatorischen Fluss entstehen lassen.

Moderne Tonsprache mit Verbindung zur Tradition

Tartanis' Musiksprache bleibt durchweg tonal, reizt dabei die klangsinnlichen Möglichkeiten des Orchesters aus bei gleichzeitig ständig spürbarer Nähe zur Musiktradition. Seufzer im Gestus der Holzbläser durchziehen das Werk – eine Gratwanderung von Schwermut bis zu erhabenem Stolz, die sich als lebendige Vereinigung von kulturellem Erbe und Innovation lesen lässt.

Die Aufnahme schlägt die Brücke zwischen Theodorakis' existenziellem Zeugnis und Tartanis' zeitgenössischer Reflexion mit großer Überzeugungskraft. Das Freiburger Orchester erweist sich unter Tartanis' Leitung als flexibles, ausdrucksvoll gestaltendes Ensemble, das beiden so unterschiedlichen, zugleich seelenverwandten Werken mit bemerkenswerter Sensibilität gerecht wird. "Pain and Eros" – diese Dualität verbindet beide Kompositionen und macht das Programm dieser Einspielung zu mehr als der Summe seiner Teile.

Stefan Pieper [21.11.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Mikis Theodorakis
1Sinfonie Nr. 1 00:38:19
Ektoras Tartanis
4Erato Psaltrian für Bariton, Harfe und Orchester (Konzert) 00:34:40

Interpreten der Einspielung

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