Johann Gottlieb Naumann
Songs • Piano Quartets
cpo 555 486-2
1 CD • 81min • 2021
20.11.2025
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Gesamteindruck:![]()
Heute ist Johann Gottlieb Naumann (1741-1801) nur noch eine Fußnote der Musikgeschichte, im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts galt er als die wichtigste Musikerpersönlichkeit Dresdens und war auch international sehr geschätzt. Mit einer Sammlung einiger seiner Lieder und Klavierquartette bringt ihn cpo wieder in Erinnerung. Die durchweg ansprechenden, historisch informierten Interpretationen machen seinen damaligen Erfolg begreiflich, erklären aber auch sein Verschwinden am Komponistenhimmel. Der Grund liegt in beiden Fällen an der Gefälligkeit seiner Tonsprache.
Damals brandaktuell
Nach Wanderjahren in Italien wurde Naumann mit 23 Jahren Kirchenkomponist am sächsischen Hof und stieg 1776 zum Hofkapellmeister auf. Am schwedischen wie am dänischen Hof wurde er bei der Reformierung des Opernbetriebs zu Rate gezogen und brachte dort auch eigene Bühnenwerke heraus. Überregionale Reputation gewann er zusätzlich durch seinen Einsatz für Erneuerungen im Instrumentenbau. Sein kompositorisches Erbe umfasst neben Opern, Kirchen- und Kammermusik etwa 300 Lieder, die nicht „für die Ewigkeit“, sondern vor allem für den Hausgebrauch geschrieben waren.
Vertonung von Texten prominenter Dichter
Bei der Wahl seiner Texte war Naumann immer „up to date“. So war er einer der ersten, der sich an Friedrich Schillers Ode an die Freude (1785) heranwagte, die später durch ihren Einsatz in Beethovens 9. Sinfonie populär wurde, aber wenigstens 100 weitere Vertonungen erfuhr, unter anderem durch Schillers Freund Christian Gottfried Körner. Diesem gegenüber nahm der Dichter Naumanns Arbeit gegen grundsätzliche Kritik in Schutz, räumte aber ein, dass die musikalische Umsetzung seines Gedichts „ein wenig zu leicht und zu hüpfend“ geraten sei. Im Falle von Goethes Mignon-Lied Nur wer die Sehnsucht kennt war Naumann noch schneller. Seine Vertonung entstand zehn Jahre vor der Veröffentlichung des Romans Wilhelm Meisters Lehrjahre (1795/96) im Auftrag Tina von Brühls, die Goethe bei einem Kuraufenthalt in Karlsbad getroffen hatte. Neben damals aktuellen Texten von Gleim, Bürger, Gellert und Hölty finden sich in der vorliegenden Sammlung auch drei vertonte Gedichte Elisas von der Recke (1754-1833), die mit ihren literarischen Veröffentlichungen und weitreichenden Kontakten eine zentrale Rolle im geistigen Leben ihrer Zeit spielte und in engem freundschaftlichem Kontakt mit Naumann stand. Nach seinem Tode verfasste sie die Schrift Über Naumann, den guten Menschen und großen Künstler.
Immer gefällig
Als Liedkomponist glänzt Naumann durch seine Fähigkeit, sich den Dichtungen geschmeidig anzupassen, ihre Metrik und ihren inneren Rhythmus zu erfassen und sie mit leicht dahinströmenden, durchaus frischen melodischen Eingebungen zur Geltung zu bringen. Darin ist er seinen Zeitgenossen Johann Abraham Peter Schulz und dem von Goethe geschätzten Johann Friedrich Reichardt durchaus ähnlich. Seine Lieder schmeicheln dem Ohr, aber sie bleiben auch bei mehrmaligem Hören nicht wirklich haften. Die große handwerkliche Versiertheit Naumanns, die sich auch in längeren Stücken wie der Kantate Die Ideale nach Schiller und der Elegie des jung verstorbenen Gottlieb David Hartmann beweist, führt zu einer gewissen Ausdrucksglätte.
Höfische Eleganz
Ergänzt wird die Liedauswahl durch instrumentale Intermezzi. Es handelt sich um drei von sechs Klavierquartetten, die 1780 veröffentlicht wurden. Dem Klavier kommt darin die führende Rolle zu, doch entsteht in den Flötenstimmen ein starker Widerpart. Im Verbund mit den Streichinstrumenten Violine und Cello wird ein farbenreicher, aber ausgewogener Klang erzielt. Die Quartette I und V kommen mit nur zwei Sätzen aus, was zu dieser Zeit noch durchaus gebräuchlich war. Das Quartett VI hat dagegen Sonatencharakter. Doch in allen drei Fällen machen die Stücke den Eindruck eines tänzerisch beschwingten höfischen Divertimentos, der mit Satzbezeichnungen wie Tempo di Minuetto und Grazioso unterstrichen wird.
Gelungenes Revival
Die fünf Musiker leisten bei diesem Revival einer verblassten Größe gute und engagierte Arbeit. Vor allem das perlende und gelegentlich virtuose Spiel des Pianisten Sebastian Knebel, der ein Instrument benutzt, das einem Fortepiano von 1788 nachgebaut wurde, imponiert mir sehr. Nicht weniger Pläsier bereitet das Flötenspiel von Anne Freitag, die auf drei verschiedenen historischen Instrumenten brilliert. Margret Baumgartl (Violine) und Alma Stolte (Violoncello) ergänzen das Quartett mit satten und warmen Tönen. Die sehr kindlich klingende Sopranstimme von Marie Luise Werneburg ist dagegen Geschmackssache und ihre sirenenartige Tonproduktion entführt zumindest mich nicht in himmlische Gefilde.
Ekkehard Pluta [20.11.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
| Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
|---|---|---|
| CD/SACD 1 | ||
| Johann Gottlieb Naumann | ||
| 1 | An die Sonne | 00:02:22 |
| 2 | Ich | 00:02:57 |
| 3 | Quartett Nr. 1 C-Dur für Flöte, Violine, Violoncello und Klavier | 00:06:13 |
| 5 | Das Clavier | 00:02:50 |
| 6 | Die Dissonanzen | 00:02:06 |
| 7 | An die Freude | 00:01:53 |
| 8 | Der Sprung | 00:03:02 |
| 9 | An eine junge Freundin | 00:01:27 |
| 10 | Die Freundschaft | 00:02:50 |
| 11 | An den Schlaf | 00:05:09 |
| 12 | Quartett Nr. 5 Es-Dur für Flöte, Violine, Violoncello und Klavier | 00:05:51 |
| 14 | Die Ideale | 00:16:23 |
| 15 | Quartett Nr. 6 F-Dur für Flöte, Violine, Violoncello und Klavier | 00:10:52 |
| 18 | Vom Tode | 00:04:18 |
| 19 | Elegie | 00:06:19 |
| 20 | Nur wer die Sehnsucht kennt | 00:01:38 |
| 21 | Seufzer | 00:02:01 |
| 22 | Nachtgesang | 00:02:35 |
Interpreten der Einspielung
- Marie Luise Werneburg (Sopran)
- Sebastian Knebel (Fortepiano)
- Anne Freitag (Flöte)
- Margret Baumgartl (Violine)
- Alma Stolte (Violoncello)
