Walton, Benjamin, Howells
Matthias Rochat viola, Abigél Králik violin
BBC National Orchestra of Wales, Howard Griffiths
Evil Penguin Classic EPRC 0072
1 CD • 59min • 2024
07.11.2025
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Gesamteindruck:![]()
Alle bisherigen Alben des französisch-schweizerischen Bratschisten Mathis Rochat, Jahrgang 1994, folgen bezüglich der Auswahl ihres Repertoires einer Art rotem Faden, und so verhält es sich auch bei seiner soeben erschienenen vierten CD. Der Fokus liegt diesmal auf britischer Musik für Viola und Orchester aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: das Violakonzert von William Walton, einer der Marksteine des Violarepertoires also, wird von zwei weniger bekannten Werken von Herbert Howells sowie Arthur Benjamin umrahmt. Rochat zur Seite steht dabei Howard Griffiths am Pult des BBC National Orchestra of Wales.
Romantische Topoi und die pastorale Schule
Die Romantic Fantasy für Violine, Viola und Orchester (1935) des in Australien geborenen, überwiegend in England wirkenden Arthur Benjamin (1893–1960) entstand wie Waltons Konzert für den Doyen der britischen Bratschisten Lionel Tertis, der dann freilich keines der beiden Werke tatsächlich uraufführte. Benjamin, Student u.a. von Charles Villiers Stanford, wurde insbesondere als Komponist von Filmmusik bekannt, wobei sein Schaffen eine breite Palette von Genres umfasst. In der Tat lässt die gerne mit breitem Pinselstrich aufgetragene klangliche Opulenz der Romantic Fantasy allerhand filmische Assoziationen zu, doch auch Anklänge an Bax und Delius sind deutlich vernehmbar. Die Musik ist dabei weniger in einem unmittelbar romantischen Idiom gehalten, sondern beschwört eher romantische Topoi, etwa in den Hornrufen gleich zu Beginn (deren Dreiklangsbrechung das gesamte Werk durchzieht) oder den Vogelstimmen in den Holzbläsern, auch in der Abfolge und Charakteristik der drei Sätze: auf ein von warmen Farben ausgehendes Notturno folgt ein in irisierenden Sechzehnteln dahinhuschendes Scherzino im Stile eines Geisterreigens, bevor das Finale eher dramatische Töne (gekoppelt mit einem Schuss Exotik) anschlägt. Eingeleitet wird die CD mit einem kleinen Juwel, der Elegie für Viola, Streichquartett und Streichorchester (1917) von Herbert Howells (1892–1983), einer tief empfundenen, im Mittelteil expressiv zugespitzten Totenklage im modal geprägten Idiom der englischen pastoralen Schule und mit einem wundervollen Moment der Katharsis am Schluss.
Bewusstes Nachvollziehen von Jazzeinflüssen
Rochat verfügt über einen ungemein sonoren, exquisiten Ton, und bereits klanglich ist es eine Freude, seinem Spiel zu lauschen. Im Howells’ Elegie könnte man darüber diskutieren, ob etwa die leichten Portamenti, die Rochat gerne verwendet, nicht gerade angesichts der stillen Trauer des Beginns eine Spur zu üppig wirken; in den extrovertierteren Werken von Walton und Benjamin stellen sich solche Fragen nicht. Rochat weist in dem kleinen Interview, das den Begleittext bildet, darauf hin dass er speziell den Kopfsatz von Waltons Konzert im Unterschied zu manch anderer Interpretation nicht nur kontemplativ begreift, sondern durchaus auch von rhythmischer Energie durchpulst, speziell angesichts seiner Inspiration durch Jazz und Swing (hinzu kommt sicherlich u.a. noch Hindemith, der übrigens auch der Solist der Uraufführung war). In gewisser Hinsicht ist dies eine Frage der Perspektive, denn im Vergleich zur ein gutes Stück rascheren, dramatisch geschärften Interpretation von Primrose und Walton selbst am Pult nimmt Rochats Lesart wiederum eher eine gemäßigtere Position ein. Was allerdings in der Tat auffällt, ist das bewusste Nachvollziehen von Jazzeinflüssen: man beachte etwa Rochats Lesart der Inquietamente-Passage ab Ziffer 10 oder das intensive Ausloten der Blue Note am Ende des (ersten) Satzes. Eine Interpretation von Waltons Konzert, die speziell durch ihre sorgfältige Gestaltung etlicher Details gefällt, etwa des kapriziösen Beginns des Finales oder der beseelten Sexten seines Seitenthemas.
Aufnahmen auf hohem Niveau
Mit dem BBC National Orchestra of Wales hat Rochat ein britisches Spitzenorchester an seiner Seite, das ihn souverän und kultiviert begleitet, wobei hier und da (auch von Seiten Griffiths’) etwas stärker differenziert werden könnte: gleich der erste Einsatz des Orchesters in Howells’ Elegie ist für ein durchaus metaphysisch zu verstehendes dreifaches Piano eigentlich zu wenig entrückt. Besonders gut liegt Griffiths und dem Orchester die relativ direkte Art von Benjamins Romantic Fantasy, und die beiden Solisten harmonieren speziell im fortwährenden Dialog ihrer kantablen Linien ohnehin hervorragend miteinander. Auch klangtechnisch überzeugend geraten, handelt es sich in der Summe um Aufnahmen auf einem hohen Niveau, sehr gut geeignet, um dem mit dieser Musik eventuell noch nicht vertrauten Hörer neues Repertoire zu erschließen.
Holger Sambale [07.11.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
| Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
|---|---|---|
| CD/SACD 1 | ||
| Herbert Howells | ||
| 1 | Elegy für Viola, Streichquartett und Streichorchester | 00:09:29 |
| William Walton | ||
| 2 | Konzert a-Moll für Viola und Orchester | 00:26:26 |
| Arthur Benjamin | ||
| 5 | Romantic Fantasy für Violine, Viola und Orchester | 00:23:30 |
Interpreten der Einspielung
- Mathis Rochat (Viola)
- Abigél Králik (Violine)
- BBC National Orchestra of Wales (Orchester)
- Howard Griffiths (Dirigent)
