Herbert von Karajan
Karajan Master Recordings
DG 00289 477 7155
10 CD • 10h 55min • 1959-1979
10.03.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Den Reigen der Veröffentlichungen zum 100. Geburtstag von Herbert von Karajan eröffnet Universal mit einer stattlichen Box, die zehn ausgewählte CDs enthält – jede mit nostalgischem Gelbetikett und liebevoll in ein Album verpackt, das die verkleinerte Reproduktion der originalen LP-Hülle der Deutschen Grammophon Gesellschaft ziert. Doch damit schon genug der Nostalgie: Klanglich sind die Aufnahmen, von denen einige für diese Edition neu remastert wurden, absolut up to date. Und das Prädikat „Master Recordings“ tragen die meisten von ihnen zu Recht – hier wurden wirklich Perlen aus Karajans diskographischer Hinterlassenschaft zusammengetragen, legendäre Aufnahmen, von denen einige zu den „All Time Greatest“ der Schallplattengeschichte gehören.
Die meisten Einspielungen entstanden in den 60er Jahren, die man als das „Goldene Zeitalter“ des Dreigestirns Karajan – Berliner Philharmoniker – Deutsche Grammophon bezeichnen kann. Die älteste stammt sogar von 1959: Die famose Aufnahme von Richard Strauss’ Tondichtung Ein Heldenleben, mit der Karajan bei DG seinen Nachkriegs-Einstand gab. Sie überzeugt noch immer durch einen perfekt kontrollierten Klang und eine ebenso feurige wie lyrische Wiedergabe frei von allem Schwulst – nicht zu vergessen die unübertrefflichen Violinsoli von Michel Schwalbé. Dann ist da die grandiose Einspielung von Strawinskys Sacre du Printemps. Zwar lehnte der geschäftstüchtige Komponist sie aus Gründen der Konkurrenz zu seiner eigenen Aufnahme ab, doch gibt es bis heute keine Version, die so spannungsgeladen ist wie die Karajans, faszinierend in ihrer Mischung aus Raffinement und Schlagkraft. Sie ist hier auf einer CD vereint mit einem anderen Meisterwerk des 20. Jahrhunderts, Bela Bartóks Konzert für Orchester, das Karajan auch bei Tourneen gern aufs Programm setzte. Im Gegensatz zu anderen Dirigenten betont er nicht die folkloristischen Momente, sondern zelebriert Bartoks Werk als geistvolles Spiel, bei dem alle Instrumentalgruppen der Berliner Philharmoniker ihre Perfektion demonstrieren können.
Hinreißend sind Karajans Debussy- und Ravel-Einspielungen von 1964. Nirgends konnte sich sein eminenter Klangsinn so entfalten wie bei dieser Musik. La Mer, Nachmittag eines Fauns (mit dem Flötensolo von Karlheinz Zöller) und die zweite Daphnis et Chloé-Suite werden ergänzt durch den Bolero von 1966 zu einem berauschenden Fest der Klangfarben.
Karajans legendärer Beethoven-Zyklus von 1963, vertreten durch die Sinfonien 3 und 4, ist von unverbrauchter Frische und die Brahms-Sinfonien (Nummer 2 und 3) sind souverän disponiert und plastisch im Detail. Nicht ganz so selbstverständlich war Karajans Zugang zu Schubert, und die berühmte Wiedergabe von Tschaikowskys b-Moll-Konzert mit Swjatoslaw Richter wirkt doch ein wenig schwerblütig. Dafür erlaubt die CD mit zwölf (überwiegend langsamen) Opernintermezzi uneingeschränktes Schwelgen im Wohlklang und belegt, dass der Maestro sich auch solchen kleinen Stücken mit Sorgfalt und Hingabe widmen konnte. Von seinem zwiespältigen Verhältnis zum berühmtesten Sohn seiner Geburtsstadt zeugen Mozarts Requiem und Krönungsmesse, die teils zu massig, teils in ein unangemessenes Sfumato gehüllt erscheinen. Hier handelt es sich allerdings schon um eine Aufnahme aus den 70er Jahren, bei der sich die Tendenz zu einem etwas aufgeplusterten Klangbild abzeichnet. Dies gilt auch für Beethovens Violinkonzert von 1979 mit der damals 16jährigen Anne Sophie Mutter, die technisch sauber spielt, aber musikalisch wenig zu überzeugen vermag. Hier hat Universal zudem gespart: Während die anderen Veröffentlichungen durch zusätzliche Titel auf heutige CD-Länge ergänzt sind, ist diese mit 48 Minuten Spieldauer doch etwas karg bemessen.
Sei’s drum: Auch wenn man diese Scheibe als Bonus betrachtet, ist das Preis/Leistungs-Verhältnis bei dieser Box, die mit einem informativen, reich mit Fotos ausgestatteten Booklet versehen ist, noch immer hervorragend – bietet sie doch in repräsentativer Aufmachung einige der wichtigsten Einspielungen des Maestro, die in keiner Sammlung fehlen sollten.
Sixtus König † † [10.03.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Richard Strauss | ||
1 | Ein Heldenleben op. 40 (Sinfonische Dichtung) | |
2 | Till Eulenspiegels lustige Streiche op. 28 (Tondichtung in Rondoform nach alter Schelmenweise) | |
CD/SACD 2 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 (Eroica) | |
5 | Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60 | |
CD/SACD 3 | ||
Peter Tschaikowsky | ||
1 | Konzert Nr. 1 b-Moll op. 23 für Klavier und Orchester | |
4 | Variationen A-Dur op. 33 für Violoncello und Orchester (Rokoko-Variationen) | |
CD/SACD 4 | ||
Johannes Brahms | ||
1 | Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73 | |
5 | Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 90 | |
CD/SACD 5 | ||
Claude Debussy | ||
1 | La Mer, trois esquisses symphoniques (drei sinfonische Skizzen für Orchester) | |
4 | Prélude à l'après-midi d'un faune für Orchester (Nach einem Gedicht von Stéphane Mallarmé, 1892/1894) | |
Maurice Ravel | ||
5 | Daphnis et Chloé - Sinfonische Suite Nr. 2 | |
6 | Boléro (Ballet pour orchestre) | |
CD/SACD 6 | ||
Franz Schubert | ||
1 | Sinfonie Nr. 7 h-Moll D 759 (Unvollendete) | |
3 | Sinfonie Nr. 8 C-Dur D 944 (Große C-Dur-Sinfonie) | |
CD/SACD 7 | ||
Igor Strawinsky | ||
1 | Le Sacre du Printemps (Bilder aus dem heidnischen Rußland in zwei Teilen) | |
Béla Bartók | ||
16 | Concerto for Orchestra BB 123 Sz 116 | |
CD/SACD 8 | ||
Giuseppe Verdi | ||
1 | La Traviata (Opera in tre atti) | |
Pietro Mascagni | ||
2 | Cavalleria Rusticana | |
Giacomo Puccini | ||
3 | Suor Angelica (Opera in un atto) | |
Ruggero Leoncavallo | ||
4 | I Pagliacci | |
Modest Mussorgsky | ||
5 | Chowanschtschina | |
Giacomo Puccini | ||
6 | Manon Lescaut (Libretto nach "Histoire du Chevalier Des Grieux et de Manon Lescaut" von Abbé Prévost) | |
Franz Schmidt | ||
7 | Notre Dame | |
Jules Massenet | ||
8 | Thais | |
Umberto Giordano | ||
9 | Fedora | |
Francesco Cilèa | ||
10 | Adriana Lecouvreur | |
Ermanno Wolf Ferrari | ||
11 | I gioielli della Madonna | |
Pietro Mascagni | ||
12 | L' amico Fritz | |
CD/SACD 9 | ||
Wolfgang Amadeus Mozart | ||
1 | Requiem d-Moll KV 626 | |
9 | Krönungsmesse C-Dur KV 317 | |
CD/SACD 10 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Konzert D-Dur op. 61 für Violine und Orchester |
Interpreten der Einspielung
- Svjatoslav Richter (Klavier)
- Mstislaw Rostropowitsch (Violoncello)
- Anna Tomowa-Sintow (Sopran)
- Agnes Baltsa (Alt)
- Werner Krenn (Tenor)
- José van Dam (Bass)
- Anne-Sophie Mutter (Violine)
- Berliner Philharmoniker (Orchester)
- Wiener Symphoniker (Orchester)
- Herbert von Karajan (Dirigent)