Paul Lincke
Frau Luna
cpo 777 285-2
2 CD • 1h 50min • 2006
29.03.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Dass Paul Linckes Frau Luna, die bei ihrem ersten Erscheinen 1899 eine kleine Sensation hervorrief und die Tradition der „Berliner Operette“ begründete, unterdessen einigen Staub angesetzt hat, ist kaum zu bestreiten. In der Pionierzeit der Luftfahrt hatten Reisen zum Mond – ein beliebtes Sujet seit Cyrano de Bergeracs Les États et Empires de la Lune (1657) – eine erneute Konjunktur in der Literatur und auf dem Theater. Heute rufen solche Tagträumereien nur noch ein müdes Lächeln hervor. Lincke brachte nach seinem Pariser Engagement an den Folies-Bergères neue Ideen an die Spree mit und als Verehrer Jacques Offenbachs war ihm natürlich auch dessen Operette La Voyage dans la Lune (1875) nach Jules Vernes Bestseller gut bekannt, die er mit Berliner Lokalkolorit versetzt quasi neu erfand. Das Textbuch schrieb ihm Heinz Bolten-Baeckers, der schon bei der voraufgegangenen einaktigen Revue Venus auf Erden sein Mitarbeiter war. Dessen dramaturgisch einfältige Einrichtung mit ihren ganz auf Berliner Mollen-Humor ausgerichteten, ausufernden Dialogen dürfte die hauptsächliche Crux bei heutigen Inszenierungsversuchen sein.
Musikalische Highlights
Bei dieser schon vor 17 Jahren produzierten konzertanten Aufführung des Werks, die jetzt bei cpo im Rahmen einer Lincke-Retro erstmals auf CD publiziert wird, handelt es sich um eine komplette Aufnahme der Musik mit den kaum gekürzten, gelegentlich aktualisierten Dialogen. Da es auf dem Markt bisher nichts Vergleichbares gibt, hat diese Vollständigkeit zumindest einen dokumentarischen Wert. Allerdings hätten die Musiknummern für sich auf einer CD Platz gefunden. Und die Musik hat es in sich. Wobei zu erwähnen ist, dass hier die zweiaktige Fassung der Operette von 1922 vorliegt, die einige Nummern aus anderen Werken Linckes enthält, die bei der Uraufführung noch nicht dabei waren. So das Glühwürmchen-Idyll aus der Operette Lysistrata und der populäre Marsch Das macht die Berliner Luft, der hier zum gesungenen Finale des 1. Aktes ausgedehnt wird. Anstelle der Ballettmusik im 2. Akt hören wir als Einlage die Humoreske für Fagott und Orchester. Zu den „Schlagern“ der Urfassung zählen Maries Walzer „Schlösser, die im Monde liegen“, Frau Lunas Auftrittsmarsch „Lasst den Kopf nicht hängen“ und das Mond-Duett „Schenk mir doch ein kleines bißchen Liebe“.
Adäquate Wiedergabe
Die WDR-Produktion von 2006 steht in einer guten Tradition des Senders, der seit den 1950er Jahren unter der musikalischen Leitung von Franz Marszalek zahlreiche Operetten, darunter viele heute nicht mehr bekannte Titel, in weitgehend authentischen Rundfunkfassungen herausgebracht hat, mit Gesangsgrößen wie Anny Schlemm oder Peter Anders. Der Wiener Helmuth Froschauer zeigt dabei ein ausgesprochenes Gespür für das Berlinerische in der Komposition Linckes und hilft mit seinem schmissigen, rhythmisch sehr pointierten Dirigat über die Längen und Peinlichkeiten der Dialoge hinweg. Aus dem soliden Sängerensemble ragen die Tenöre heraus: der immer noch rüstige Liebhaber Prinz Sternschnuppe des 70jährigen René Kollo und der charmante Fritz Steppke von Boris Leisenheimer, der nicht nur lyrische, sondern auch komödiantische Qualitäten zeigt. Karl Fäth als Haushofmeister Theophil und die Damen (Maria Leyer als Luna, Anneli Pfeffer als Marie und Kathrin Smith als Stella) machen einen guten Job, die Komiker (die damaligen Fernsehstars Wolfgang Völz, Ernst H. Hilbich und Lotti Krekel) zeigen sich den (bescheidenen) Ansprüchen gewachsen, die an ihre gesanglichen Fähigkeiten gestellt werden.
Ekkehard Pluta [29.03.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Paul Lincke | ||
1 | Frau Luna (Operette in zwei Akten) | 01:50:23 |
Interpreten der Einspielung
- Maria Leyer (Frau Luna - Sopran)
- René Kollo (Prinz Sternschnuppe - Tenor)
- Kathrin Smith (Stella, Lunas Zofe - Mezzosopran)
- Karl Fäth (Theophil, Haushofmeister auf dem Mond - Bariton)
- Barbara Dommer (Frau Pusebach, Witwe - Alt)
- Anneli Pfeffer (Marie, Frau Pusebachs Nichte - Sopran)
- Boris Leisenheimer (Fritz Steppke, Mechaniker - Tenor)
- Wolfgang Völz (Lämmermeier, Schneider - Bariton)
- Ernst Hilbich (Pannecke, Steuerbeamter a.D. - Bariton)
- Lotti Krekel (Mondgroom - Mezzosopran)
- Mechthild Georg (Mars - Alt)
- Theresa Nelles (Venus - Sopran)
- Kölner Männer-Gesang-Verein (Chor)
- WDR Rundfunkorchester Köln (Orchester)
- Helmut Froschauer (Dirigent)