The Pleyel Double Grand Piano in Concert
Hungaroton HDVD 32446
1 DVD-Video • 1h 57min • [P] 2007
29.03.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Eine vorbildliche DVD-Produktion! Inhaltlich, strukturell, film- und klangtechnisch und im Bereich der begleitenden – also schriftlichen – Informationen bieten die beiden Künstler, das Aufnahmeteam und jene Leute, die für die gesamte Produktion verantwortlich sind, knappe zwei Stunden intelligenter Unterhaltung und eine Fülle von musik- und kulturgeschichtlichen Anregungen. In erster Linie ist es auf dem Sektor des originellen Instrumentenbaus das von Ignaz Pleyel Ende des 18. Jahrhunderts erdachte und in seiner eigenen Klavierfabrik gebaute „Große Pleyel Konzert-Doppelklavier“. Während in einem der beigefügten „Extra“-Filme das 600 Kilo schwere und 2,50 m lange, quadratische Instrument von Wien ins Schloss Gödölló transportiert wird, unterrichten Monika Egri und Attila Pertis über Pleyels Ideen, über die Eigenheiten und Vorzüge ihres Exemplars aus dem Jahr 1902, das in der Schweiz die Wirren zweier Weltkriege überstanden hat und seit 1996 im Besitz des ungarischen Klavierduos ist.
Die wohl schwerwiegendsten Vorteile der Doppelflügel-Konstruktion bestehen in der absoluten Gleichwertigkeit der klanglichen und spieltechnischen Eigenschaften, in der günstigeren, dem Publikum zugewandten Klangabstrahlung mittels nur eines Deckels und in den diversen Möglichkeiten der Pedalisierung. In dieser Hinsicht verfügt das Janus-Klavier über zwei Varianten, indem entweder die Ausführenden individuell pedalisieren oder – mittels mechanischer Vorrichtung – beide Instrumente von einem Spieler organisiert werden. Da nun Egri & Pertis nicht nur seit einigen Jahren auf herkömmlichen Instrumenten als erfahrenes, literarisch abenteuerlustiges, wie mit einer musikalischen Lunge atmendes Musiklebewesen unterwegs sind, also völlig kongruent dem Kurztongerät den Anschein eines einzigen bzw. fusionierten Organismus’ verleihen, kommen all diese Meriten auf dem Pleyel-Doppler noch mehr zur Geltung. Der wunderbar leuchtende, erwärmende, dabei sehr durchsichtige, gleichwohl niemals seziererische Klang in allen Lagen, die anscheinend leicht und verlässlich ansprechende Mechanik und eine – dank unversetzten Gegenübers – der Koordination zwischen den Spielern günstige Sitzposition tragen dazu bei, die ausgefeilten, temperamentvollen, wie aus dem konzertanten Augenblick heraus geborenen Darbietungen zum Genuss für Ohren (und bei dieser Gelegenheit auch für die Augen) zu machen.
Die luxuriöse Konzertumgebung erinnert an die wechselvolle, bisweilen traurige Geschichte von Schloss Gödölló. Benutzt als Altersheim, später von den russischen Besatzern gleichsam abgewohnt und ausgeräumt, wurde und wird es noch Stück für Stück in seinen alten Zustand zurückversetzt. Im kleinen, schmucken Konzertsaal widmen sich Monika Egri und Attila Pertis einem bunten, Bekanntes mit Rarem ausbalancierendem Programm – mit Ernö Dohnányis vitalen, nobel-triebkräftigen Sinfonischen Walzer als Einleitungsstück, der Nummer eins der Walzer-Suite op. 39a. Hier und in den bildlich-assoziativen Wechselfällen der vier Lieder ohne Worte Mendelssohns erhält man schon faszinierende Einblicke, wie traumwandlerisch die beiden „Pleyer“ sich die musikalischen Bälle zuwerfen, gleichsam auf einer Linie balancieren und im Schnellen das Identische und das Diskursive wie als natürlichste Sache der Welt kongruent in Schwung halten oder – wenn nötig – im schönen Augenblick des Verweilens auskosten.
So erhalten die Brahms-Variationen wechselvoll Gewicht und Farben – und rhythmische Impulse im kontrollierten Überfluss. Damit stellt sich einmal mehr heraus, dass souveränes, koordiniertes und dennoch je individuelles Duo-Spiel einer langen, langen Vorbereitungszeit bedarf. Es kann nicht oder nur bedingt als ad hoc-Unternehmung funktionieren. Die Aufnahme dieser Haydn-Variationen mit Friedrich Gulda und Joe Zawinul beweist es: man klappert und fingert auf hohem personellen Status-Niveau, aber letzten Ende wirkt so eine Vorführung wie nebenbei einmal ausgepackt und launig „hingelegt“.
Als vom Niveau her mehr als überraschend hoch erweisen sich die beiden Sätze (Allegro und Tempo di Minuetto) des Pleyel-Duos. Frische, einfallsreiche, auch brillante Musik, die den Hörer neugierig stimmt auf weitere Beispiele aus dem umfangreichen Kompositions-Katalog des Pianisten, Verlegers und Klavierfabrikanten aus dem niederösterreichischen Ruppersthal. Verbürgt ist es ja, dass der von Haydn und Vanhal geförderte Pleyel als Autor zu Lebzeiten keine schöpferische Randerscheinung war, es also wert sein sollte, nicht nur in Zusammenhang mit seiner beruflichen Vielseitigkeit erwähnt zu werden. Dies mag man nicht im gleichen Maße im Hinblick auf den Godowsky- und Josef Hofmann-Schüler Abram Chasins fordern. Doch der umtriebige Komponist, Musikwissenschaftler, Pädagoge, Rundfunkdirektor und Schriftsteller hat einige hübsche, oft asiatisch angehauchte Miniaturen und Transkriptionen hinterlassen So etwa Flirtation in a Chinese Garden, Rush Hour in Hong Kong und A Shanghai Tragedy (mit Chasins persönlich auf Duo Art Nimbus 88.11 erhältlich, zwei dieser Stücke auch mit Moisiewitsch auf Naxos 8.110689). Die Donauwalzer-Paraphrase für zwei Pianisten beginnt energisch, also nicht mit dem zarten, in Wien unausweichlich beklatschten, leisen Klangvorhang der Geigen. Als schwungreiche Überleitung zu den Zugaben lassen Egri & Pertis nichts unversucht, diese von der Qualität her silberne Dreivierteltakt-Übertragung mittels Raffinesse und kräftigen Pointen sozusagen zu vergolden.
Vergleichsaufnahmen: Brahms: Haydn-Variationen – Gulda/Zawinul (Capriccio 67175), Duo Walachowski (Ars FCD 368359), Matthies/Köhn (Naxos 8.553654), Duo Stenzl (Ars musici AM 1238-2), Eduard & Johannes Kutrowatz (Organum Ogm 200042), Ax/Bronfman (Sony SK 89868); Saint-Saëns: Beethoven-Variationen –Ferhan und Ferzan Önder (Pan classics 510106), G. u. S. Pekinel (Warner 2564 61959-2).
Peter Cossé † [29.03.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ernst von Dohnányi | ||
1 | Symphonic Waltz | |
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
2 | Lied ohne Worte A major op. 62 No. 6 (Frühlingslied) – Andante grazioso | |
3 | Lied ohne Worte a minor op. 62 No. 5 (Venezianisches Gondellied) – Andante con moto | |
4 | Lied ohne Worte G major op. 62 No. 4 – Allegro con anima | |
5 | Lied ohne Worte B flat major op. 62 No. 2 – Allegro con fuoco | |
Johannes Brahms | ||
6 | Variationen über ein Thema von Joseph Haydn B-Dur op. 56 | |
Ignaz Pleyel | ||
7 | Duo B-Dur | |
Camille Saint-Saëns | ||
8 | Variationen über ein Thema von Beethoven op. 35 | |
Claude Debussy | ||
9 | Linderaja | |
Abram Chasins | ||
10 | Paraphrase über An der schönen blauen Donau | |
Edvard Grieg | ||
11 | Norwegischer Bauerntanz op. 72 Nr. 10 | |
Johannes Brahms | ||
12 | Walzer As-Dur | |
13 | Ungarischer Tanz Nr. 6 Des-Dur – Vivace |
Interpreten der Einspielung
- Duo Egri-Pertis (Klavierduo)