Samuel Hasselhorn • Boris Kusnezow
"Dichterliebe²"
GWK Records GWK 141
1 CD • 61min • 2018
06.11.2018
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Heinrich Heines Zyklus der Dichterliebe reflektiert die Seelenzustände eines Liebenden, bringt himmelhoch jauchzende und tieftraurige Emotionen mit starken Metaphern aus der Natur zusammen – so will es die zeitlose Dichtkunst der Romantik und so hat es vor allem den Komponisten Robert Schumann zu einem seiner bedeutendsten Liederzyklen inspiriert. Heines Lyrik genoß schon zu dessen Lebzeiten eine internationale Ausstrahlung. Und sie reicht bis in die Gegenwart, wenn sie etwa die kompositorische Feder von Tonsetzern wie Stefan Heucke animiert.
Der Bariton Samuel Hasselhorn wollte es daher nicht bei einer weiteren Schumann-Neuauflage belassen. Auf der vorliegenden CD geht es viel mehr um die Gegenüberstellung der Perspektiven, die Vielfalt an Möglichkeiten, wenn der gesamte Heine-Zyklus gleich zweimal durchlaufen wird: Die erste Hälfte des Programms wagt hier eine „Gesamtschau“ alter und neuer Deutungen, danach erklingen die 16 Länder in der bekannten Schumann-Version.
Samuel Hasselhorn und Boris Kusnezow erweisen sich für ein solches Unterfangen souverän genug: Hasselhorns schlankem, zugleich kraftvollem, auch in Höhenlagen unbestechlich sicherem Gesang steht das feinnervig-nachfühlende, ungemein reaktionsschnell auf jede Regung reagierende Klavierspiel von Boris Kusnezow zur Seite. Eine solch feinfühlige gegenseitige Durchdringung hilft mit, jede Rollenvorstellung von „Solist“ und „Begleiter“ nachhaltig zu revidieren.
So können die vielen Emotionen unmittelbar auf den Hörer wirken – etwa eine romantische Mai-Idylle aus der Feder von Robert Franz. Modest Mussorgskys Aus meinen Tränen sprießen findet sich in neue Farben eingetaucht, derweil Edvard Grieg in seinem Beitrag zu diesem Zyklus einmal mehr klarstellt, dass er eben nicht nur als Schöpfer nordischer Mythen wahrgenommen sein will, sondern im Musikleben Europas mittendrin ist. Die Epoche der Romantik mit ihren sentimentalen Stimmungsbildern mag uns heute oft fremd sein – Hasselhorns Stimmeinsatz schafft in jedem Moment eine gute Balance zwischen Respekt vor dem, heute manchmal pathetisch anmutenden – Kolorit der Romantik und einer zeitlos klaren Aussage. Beides braucht Mut und Einfühlung, was hier souverän aufgeboten wird.
Heines Seelenpsychogramme von Hingabe, Sehnsucht, Eifersucht und auch der Kompliziertheit von Beziehungen haben an Aktualität nichts verloren. Das wird von diesem Duo eindringlich demonstriert, spätestens dann, wenn der Bochumer Komponist Stefan Heucke mit einer erschütternd direkten, von Chromatik und Tritonussprüngen gesättigten Tonsprache darauf reagiert. Wenn Hasselhorn und Kusnezow singend und spielend in Heuckes Stücken eine aufwühlende, manchmal verstörende Klangwelt aufziehen lassen, mutet das alles endgültig nicht mehr wie aus der Zeit gefallen an. Nach solchen starken Wechselbädern und Gefühlsausbrüchen bei Heucke mutet der nun folgende Schumann-Zyklus fast etwas zu zart, manchmal sogar unschuldig an. Einer wesentlich schlüssigeren Dramaturgie käme zu es Gute, wenn dieses „Original“ im ersten Teil der CD erklingen würde.
Stefan Pieper [06.11.2018]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Robert Franz | ||
1 | Im wunderschönen Monat Mai op. 25 Nr. 5 | 00:01:22 |
Modest Mussorgsky | ||
2 | Aus meinen Tränen sprießen | 00:01:42 |
Robert Franz | ||
3 | Die Rose, die Lilie op. 34 Nr. 5 | 00:00:47 |
Hugo Wolf | ||
4 | Wenn ich in deine Augen seh | 00:01:20 |
Robert Franz | ||
5 | Ich will meine Seele tauchen op. 43 Nr. 4 | 00:00:53 |
Franz Liszt | ||
6 | Im Rhein, im schönen Strome S 272 | 00:02:55 |
Charles Ives | ||
7 | Ich grolle nicht | 00:02:49 |
Fanny Mendelssohn-Hensel | ||
8 | Verlust op. 9 Nr. 10 | 00:01:21 |
Stephen Heucke | ||
9 | Das ist ein Flöten und Geigen op. 60 Nr. 1 | 00:01:51 |
Edvard Grieg | ||
10 | Hör ich das Liedchen klingen op. 39 Nr. 6 | 00:01:18 |
Stephen Heucke | ||
11 | Ein Jüngling liebt ein Mädchen op. 60 Nr. 2 | 00:05:36 |
Robert Franz | ||
12 | Am leuchtenden Sommermorgen op. 11 Nr. 2 | 00:01:38 |
Carl Loewe | ||
13 | Ich hab' im Traum geweinet op. 9 Nr. 6 | 00:01:33 |
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
14 | Allnächtlich im Träume op. 86 Nr. 4 | 00:01:24 |
Stephen Heucke | ||
15 | Aus alten Märchen winkt es op. 60 Nr. 3 | 00:03:28 |
16 | Die alten, bösen Lieder op. 60 Nr. 4 | 00:04:57 |
Robert Schumann | ||
17 | Dichterliebe op. 48 (Liederzyklus nach Gedichten von Heinrich Heine) | 00:27:40 |
Interpreten der Einspielung
- Samuel Hasselhorn (Bariton)
- Boris Kusnezow (Klavier)