Anna Netrebko
Verismo
DG 00289 479 5015
1 CD • 72min • 2015, 2015
16.11.2016
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Boitos Mefistofele – eine Verismo-Oper? Oder Puccinis Turandot, Ponchiellis La Gioconda? Verismo – da denkt man doch in erster Linie an Mascagni, an seine Cavalleria und deren blutrünstige Nachfolgeschaft. Doch Mascagni kommt in diesem Verismo- Programm gar nicht vor. Nun soll man bei einem Gala-Konzert einer Gala-Künstlerin nicht allzu kleinlich sein, doch die bescheidene Randbemerkung sei erlaubt, dass dieses Verismo-Album mit Verismo nicht viel zu tun hat. Auch das Titelfoto der CD, Anna N. im Fledermauskostüm, trägt nichts zur Klärung bei. Was weit mehr interessiert: dass in diesem Programm vier Nummern enthalten sind, die Maria Callas in ihrem exemplarischen Arienkonzert unter Maestro Tullio Serafin aufgenommen hat. Und damit setzt sich Anna Netrebko einem gefährlichen Vergleich aus. Verlieren kann sie den Vergleich allein deshalb nicht, weil sie auf alle Fälle die schönere Stimme hat. Aber wenn bei der Callas in der Arie der Margarita aus Mefistofele die gebrochene Stimme einer Sterbenden ertönt, die Sängerin dazwischen den verbliebenen Lebensrest sich aufbäumen läßt – da versagen die Mittel unserer Gegenwarts-Divina. Die Arie aus La Wally von Catalani (auch der ist kein Verismo-Komponistt) – schön gesungen, doch glatt und inhaltslos. Desgleichen Cileas „Io son l’umil ancilla“ aus Adriana Levouvreur, „La mamma mia“ aus Andrea Chénier. Aus diesen Nummern hat die Callas in ihrem Recital aus den Fünfzigerjahren unvergeßliche Seelendramen geformt. Bei aller Wertschätzung: eine große Tragödin ist Anna Netrebko nicht. Die Sklavin Liù liegt ihr weit besser als die eiskalte Prinzessin Turandot. Was bei ihr nach wie vor zu bewundern bleibt: die Anmut der Tongebung, das freie Quellen der Stimme, die wahrhaftig aus einem Goldbrunnen aufzutauchen scheint. Daran hat sich – außer einem gelinde wachsenden Tremolo – im Lauf der Jahre nicht viel geändert.
Wenig glücklich ist das Klangbild ausgefallen: die Stimme oft zuwenig im Zentrum, vom Orchesterklang eingenebelt. Seltsam, dass manche uralte Schellack-Aufnahmen eine bessere Präsenz der Gesangsstimme aufweisen als dies mit der hochziselierten Tontechnik von heute geschieht. Begleitet wird die Sängerin von einem exzellenten Orchester – Santa Cecilia –, einem exzellenten Dirigenten – Antonio Pappano. Aber auch von einem gar nicht exzellenter Tenor – Yusif Eyvazov – der in den Puccini-Nummern seine krähende Stimme ertönen läßt.
Eheangelegenheiten sollten von Kunstproduktionen besser ferngehalten bleiben.
Vergleichseinspielung: Maria Callas Opera Arias EMI CDC 7 47282 2.
Clemens Höslinger [16.11.2016]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Francesco Cilèa | ||
1 | Ecco: respiro appena ... Io son l'umile ancella (1. Akt: Adriana - aus: Adriana Lecouvreur) | 00:03:42 |
Umberto Giordano | ||
2 | La mamma morta (3. Akt: Maddalena - aus: Andrea Chenier) | 00:03:49 |
Giacomo Puccini | ||
3 | Un bel di vedremo (2. Akt, Arie der Butterfly - aus: Madama Butterfly) | 00:04:35 |
4 | Signore, ascolta! (1. Akt, Liù - aus: Turandot) | 00:02:41 |
Ruggero Leoncavallo | ||
5 | Qual fiamma avea nel guardo! (Arie der Nedda aus: I Pagliacci) | 00:04:32 |
Alfredo Catalani | ||
6 | Ebben? Ne andrò lontana (1. Akt: Wally - aus: La Wally) | 00:03:55 |
Arrigo Boïto | ||
7 | L' altra notte in fondo al mar (3. Akt: Margherita - aus: Mefistofele) | 00:06:53 |
Amilcare Ponchielli | ||
8 | Suicido! ... In questi fieri momenti (4. Akt: Gioconda - aus: La Gioconda) | 00:04:35 |
Giacomo Puccini | ||
9 | Vissi d'arte vissi d'amore (2. Akt: Gebet der Tosca - aus: Tosca) | 00:03:27 |
10 | In diesem Schlosse (2. Akt, Amelia - aus: Turandot) | 00:06:12 |
11 | In quelle trine morbide (2. Akt, Arie der Manon - aus: Manon Lescaut) | 00:02:48 |
12 | Tutta su me ti posa (4. Akt: Des Grieux, Manon) | 00:02:56 |
13 | Manon, senti, amor mio (4. Akt: Des Grieux, Manon) | 00:01:59 |
14 | Sei tu che piangi (4. Akt: Manon, Des Grieux) | 00:04:38 |
15 | Sola, perduta, abbandonata (4. Akt: Manon - aus: Manon Lescaut) | 00:04:25 |
16 | Fra le tue braccia, amore (Finale 4. Akt - aus: Manon Lescaut) | 00:06:42 |
Interpreten der Einspielung
- Anna Netrebko (Sopran)
- Yusif Eyvazov (Tenor)
- Coro dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia (Chor)
- Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia (Orchester)
- Antonio Pappano (Dirigent)