cpo 777 601-2
2 CD • 1h 32min • 2010
07.06.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Telemanns Lukaspassion von 1748 blieb als Autograph erhalten und ging nach seinem Tod in den Besitz seines Sohnes Georg Michael über, der seit 1773 in Riga als Kantor am Dom und städtischer Musikdirektor wirkte. Georg Poelchau, bei Riga geboren, Schüler Georg Michael Telemanns, danach Student in Jena und nach 15-jährigem Aufenthalt in Hamburg schließlich ab 1813 bis zu seinem Tod 1836 in Berlin ansässig, war der nächste Eigentümer des Manuskripts. Poelchaus Sohn Hermann verkaufte die ansehnliche Musikaliensammlung seines Vaters an das „Musikalische Archiv" der „Königlichen Bibliothek" – so gelangte das Werk schließlich in den Bestand der heutigen Musikabteilung der Staatsbibliothek Berlin. Dr. Carsten Lange vom Zentrum für Telemann-Pflege und -Forschung in Magdeburg edierte aus Telemanns Autograph das Aufführungsmaterial für diese erstmalige Wiederaufführung der Lukaspassion 1748 seit dem 18. Jahrhundert, die hier als Live-Aufnahme veröffentlicht wird.
In seinem informativen Begleittext geht Carsten Lange auch auf die Geschichte der Hamburger Passionsmusiken ein, die etwa ein Jahrhundert vor die Entstehung dieser Lukaspassion zurückreicht: Seit Mitte des 17. Jahrhunderts erklangen ab dem Sonntag „Invocavit", dem ersten Sonntag der Passionszeit, bis zum Karfreitag Passionsmusiken – nacheinander in allen Haupt- und Nebenkirchen der Stadt während des Gottesdienstes in zwei Teilen jeweils vor und nach der Predigt. Seit 1691 wechselten sich dabei die vier Evangelien in ihrer Reihenfolge im Neuen Testament als Textgrundlage der Passion ab, die der biblischen Erzählung folgte und diese mit betrachtenden Arien und Chorälen ausschmückte: In Hamburg waren diese oratorischen Passionen obligatorisch; auf freier Dichtung beruhende Passionsoratorien waren nicht gestattet. Derlei Kompositionen aus Telemanns Feder hatten im Gottesdienst nichts zu suchen und mussten andernorts aufgeführt werden, beispielsweise im Drillhaus, dem auch für Festlichkeiten und Konzerte genutzten Exerzierhaus der Hamburger Bürgerwache. Infolge des regelmäßigen Wechsels der Evangelienvorlage war diese Passion 1748 nicht die erste Lukaspassion aus Telemanns Feder, seit der von 1724 sind außerdem nach gegenwärtiger Forschungslage noch die Lukaspassionen von 1728, 1744, 1760 und 1764 bekannt.
Hermann Max verfolgt einen historisch informierten, doch nicht minder musizierfreudigen Ansatz, der von temperamentvoll bis innig eine weite affektive Skala abdeckt. Damit kommt er Telemanns Musik ausgesprochen entgegen, beiden liegt daran, nicht mit Längen die Geduld der Zuhörer auf die Probe zu stellen. Sein wie immer harmonisch zusammengestelltes Solistenensemble lässt es an nichts fehlen, was man sich an Stimmschönheit wünschen könnte, Chor und Orchester sind mit ihrem Leiter und Gründer ohnehin in altgewohnter Vertrautheit verbunden, die aber bis auf den heutigen Tag der Versuchung widerstehen konnte, in Laxheit abzugleiten.
So ist hier in der beeindruckenden Telemann-Diskographie von cpo eine neue Folge zu begrüßen, die dem Musikfreund auch außerhalb der dafür bestimmten Zeit des Jahres Freude, Genuss und Erbauung bereiten kann.
Detmar Huchting [07.06.2011]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georg Philipp Telemann | ||
1 | Lukas Passion TWV 5:33 |
Interpreten der Einspielung
- Veronika Winter (Sopran)
- Anne Bierwirth (Alt)
- Julian Podger (Tenor)
- Clemens Heidrich (Bass)
- Matthias Vieweg (Bass)
- Rheinische Kantorei (Chor)
- Das Kleine Konzert (Orchester)
- Hermann Max (Dirigent)