Handel in Italy
Solo Cantatas
BIS SACD 1695
1 CD/SACD stereo/surround • 67min • 2007
07.11.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Während seiner Hamburger Zeit zu Beginn des 18. Jahrhunderts traf Händel Gian Gastone de’ Medici, Prinz der Toskana. Dieser zeigte sich von der genialen Begabung und dem guten Aussehen des jungen Musikers so beeindruckt (die Hoheit führte ein ziemlich offenes homosexuelles Leben), dass er ihn aufforderte, sich seinem Gefolge anzuschließen und ihn nach Florenz zu begleiten. Sei es aus Furcht vor den Nachstellungen des Prinzen, sei es aus seinem auch sonst häufig unter Beweis gestellten unbedingten Willen, sich seine Unabhängigkeit zu bewahren – Händel wartete jedenfalls mit der Reise ins damalige Mutterland der Musik, bis er selbst über die nötigen Mittel dazu verfügte. Von 1706 bis 1710 dauerte sein Aufenthalt in Italien; und was eigentlich als Studienreise geplant war, entwickelte sich mehr und mehr zu einem Triumphzug des jungen Deutschen, der bald unter dem Ehrennamen Il caro Sassone (Der liebe Sachse) eine landesweite Berühmtheit war. Florenz, Rom, Neapel und Venedig waren die Stationen von Händels Italienreise, wobei Rom sein bevorzugter Aufenthaltsort gewesen zu sein scheint, unterbrochen von Ausflügen in die anderen Städte, die im Gegensatz zur Ewigen Stadt mit einer Opernszene aufwarten konnten. In Rom nämlich war die Aufführung von Opern verboten; dieser Bann führte allerdings zur Komposition szenisch-dramatischer Musik anderer Gattungen wie des Oratoriums und der Kantate.
Händel nahm fleißigen Anteil daran, so komponierte er das Oratorium Il Trionfo del Tempo e del Disinganno für den Kardinal Pamphili, der auch das Libretto verfasst hatte. Für die Akademien des Kardinals Ottoboni und des Marchese Ruspoli entstanden zahlreiche Kantaten, von denen Emma Kirkby hier vier vorträgt.
Seit Jahrzehnten schon gehört Emma Kirkby zu den großen und Respekt heischenden Stars der Alten-Musik-Szene; es würde den Rahmen dieser Besprechung sprengen, ihre Verdienste nach Gebühr zu würdigen. Auch das Ensemble London Baroque nimmt seit langem einen verdienten Platz auf dem Olymp der Interpretation von Barockmusik ein; mit einem charmanten Concerto a quattro, das trotz des Namens Händel auf der überlieferten Abschrift stilistisch eher Telemann zuzuordnen wäre, erhalten die Instrumentalisten auf dieser CD einen schönen Soloauftritt. Mit zwei lyrischen und zwei dramatischen Werken bieten die vier Kantaten ein breites Ausdrucksspektrum und zeigen die ganze Virtuosität, mit der Händel am Anfang seiner Zwanziger sein Metier bereits beherrschte. Emma Kirkby hat ihren stimmlichen Zenith zwar bereits deutlich überschritten, ihr ehemals unvergleichlich zartes Timbre zeigt jetzt gelegentliche Schärfen, das ist jedoch angesichts ihrer langen Karriere nichts weniger als verständlich und berechtigt. Ungebrochen hingegen ist die gestalterische Souveränität, die keinerlei Spuren von Altersmüdigkeit oder von jenen Manierismen zeigt, die anderswo wie dick aufgetragene Schminke die Spuren des Alters verbergen sollen. Kirkbys auf reicher Erfahrung beruhende Gestaltung macht die kleinen stimmlichen Defizite allerdings vollständig wett – diese CD verdient es, unter die Referenzaufnahmen der Kantaten Georg Friedrich Händels eingeordnet zu werden.
Detmar Huchting [07.11.2008]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georg Friedrich Händel | ||
1 | Notte placida e cheta HWV 142 (Kantate) | 00:15:07 |
5 | Un' alma innamorata HWV 173 (Kantate) | 00:13:30 |
8 | Concerto à quattro D-Dur | 00:05:42 |
12 | Figlio d'alte speranze HWV 113 (Kantate) | 00:09:59 |
15 | Agrippina condotta a morire HWV 110 (Dunque sarà pur vero, Kantate) | 00:22:05 |
Interpreten der Einspielung
- Emma Kirkby (Sopran)
- London Baroque (Ensemble für Alte Musik)