À deux voix
Adriana González | Marina Viotti | Iñaki Encina Oyón
Audax Records ADX11209
1 CD • 68min • 2022
04.02.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Zwei der bezauberndsten und populärsten Opern-Duette für Sopran und Mezzosopran stammen aus französischen Opern des späten 19. Jahrhunderts: die Barcarole aus Hoffmanns Erzählungen und das Blumenduett aus Lakmé. Dass in Frankreich zur gleichen Zeit für den Salon oder den Konzertsaal bestimmte zweistimmige Gesänge für Frauenstimmen entstanden sind, die es an einschmeichelnder Schönheit mit diesen beiden Klassik-„Hits“ aufnehmen können, dürfte weniger bekannt sein. Der in Paris lebende baskische Pianist Iñaki Encina Oyón, ein unermüdlicher Sammler, hat sich aus Anlass eines gemeinsamen Programms der befreundeten Sängerinnen Adriana González und Marina Viotti einmal umgetan und dabei einige bemerkenswerte Funde gemacht. Von den 22 Liedern des vorliegenden Albums sind sechs als Weltersteinspielungen ausgewiesen, doch auch der Rest enthält viele Überraschungen.
Fundstücke
Zu den Fundstücken zählen zwei Lieder des mir bis dato auch namentlich unbekannten Paul Puget (1848-1917), der als Chordirektor an der Pariser Opéra comique tätig war, wo auch seine Vertonung von Shakespeares Much ado about nothing uraufgeführt wurde. Der süffige Lyrismus von Au bord de la mer und das spanische Kolorit des Chanson andalouse prägen sich dem Ohr rasch ein. Nicht weniger eingängig ist das mit federleichter Klavierbegleitung versehene Les papillons der ebenfalls in Vergessenheit geratenen Charlotte Devéria (1856-1885). Sie ist eine von den drei Komponistinnen, die in diesem Album vertreten sind. Die Kompositionen von Cécile Chaminade und Pauline Viardot haben im Repertoire unterdessen einen Nischenplatz gefunden, ihre stimmungsvollen Zwiegesänge Duo d’étoiles bzw. Rêverie sind gleichwohl zu den Raritäten zu zählen. Die von den drei Komponistinnen gewählten Texte stammen zufälligerweise alle von Armand Silvestre (1837-1901), einem damals hochgeschätzten Lyriker, der auch das Libretto zu Henri VIII von Camille Saint-Saens geschrieben hat.
Salon-Charme
Die beiden Töchter von Pauline Viardot, die Malerin Claudie und die gelegentlich auch singende Marianne, haben Gabriel Fauré, einen Großmeister des französischen Lieds, zu zwei Duetten (op. 10) inspiriert, die er den beiden mittlerweile verheirateten Schwestern widmete. Besonders die übermütige Tarentelle sprüht vor sinnlicher Lust. Mit Marianne war der Komponist zeitweilig verlobt, sie gab dann aber seinem Kollegen Alphonse Duvernoy den Vorzug. Eine Affaire, die Iwan Turgenjew zu einer Novelle inspirierte, die wiederum Ernest Chausson zu seinem Poème op. 19 anregte. Auch er ist in diesem Album mit zwei Liedern op. 11 (La nuit, Réveil) vertreten, die den sonst vorherrschenden charmanten Salonton der Belle Époque abstreifen. Obwohl von zwei verschiedenen Autoren (de Banville, Balzac) stammend, gehören sie doch thematisch eng zusammen, wobei sich Chausson besonders in Réveil als ein Vertreter des damals aktuellen Wagnérisme zu erkennen gibt. Anfang und Ende des Albums bilden sechs nachromantische, eher elegische Titel von Charles-Marie Widor und quasi als „Rausschmeißer“ Edouard Lalos lustvoll-mitreißendes Dansons!
Ein Herz und eine Stimme
Adriana González und Marina Viotti sind schon häufig gemeinsam auf der Bühne und im Konzertsaal aufgetreten und sind von daher bestens aufeinander eingespielt. Sie zeigen keine Ermüdungserscheinungen bei ihrer Tour durch weitgehend unbekanntes, aber gleichwohl leicht zugängliches musikalisches Gelände und der Hörer wird nicht müde, sie auf dieser Tour zu begleiten und dabei viele Schönheiten zu entdecken. Die aus Guatemala stammende Sopranistin zeichnet sich durch außerordentliche Materialqualität aus, gerät aber gelegentlich in Gefahr, diese – vor allem in der Höhe – mehr als nötig auszustellen, doch der Leidenschaft ihres Vortrags kann man sich nicht entziehen. Die Schweizer Mezzosopranistin muss hier den Part der „zweiten Geige“ übernehmen, ihr andernorts gezeigtes Bühnentemperament etwas drosseln. Ihre Qualitäten zeigen sich aber gerade darin, sich der Partnerin anzuschmiegen; manchmal werden die beiden Stimmen zu einer und das ist ja der tiefere Sinn solcher Duette. Maestro Iñaki Encina Oyón ist den Sängerinnen am Klavier nicht nur Stütze, sondern vor allem Mentor und Animator.
Ekkehard Pluta [04.02.2024]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Charles-Marie Widor | ||
1 | L' hiver op. 52 Nr. 1 | 00:03:51 |
2 | Guitare op. 52 Nr. 2 | 00:02:31 |
3 | Nocturne op. 40 Nr. 1 | 00:03:46 |
4 | Qu'un songe au ciel m'enlève op. 40 Nr. 2 | 00:03:30 |
5 | J'étais seul près des flots op. 30 Nr. 1 | 00:03:52 |
6 | Je ne croyais pas au bonheur op. 30 Nr. 2 | 00:01:58 |
Émile Paladilhe | ||
7 | Au bord de l'eau | 00:02:46 |
Léo Delibes | ||
8 | Les trois oiseaux | 00:02:36 |
Charlotte Devéria | ||
9 | Les papillons | 00:01:48 |
Pauline Viardot-Garcia | ||
10 | Rêverie | 00:02:44 |
Cécile Louise Chaminade | ||
11 | Duo d'étoiles | 00:03:09 |
Paul Puget | ||
12 | Au bord de la mer | 00:03:43 |
13 | Chanson andalouse | 00:04:04 |
Ernest Chausson | ||
14 | La nuit op. 11 Nr. 1 | 00:02:51 |
15 | Réveil op. 11 Nr. 2 | 00:03:57 |
Gabriel Fauré | ||
16 | Puisqu'ici-bas toute âme op. 10 Nr. 1 | 00:02:54 |
17 | Tarentelle op. 10 Nr. 2 | 00:02:38 |
César Franck | ||
18 | Les danses de Lormont | 00:03:43 |
Jules Massenet | ||
19 | Marine op. 2 Nr. 1 | 00:02:20 |
20 | Joie! | 00:02:33 |
Charles Gounod | ||
21 | La chanson de la brise | 00:02:55 |
Edouard Lalò | ||
22 | Dansons! | 00:04:10 |
Interpreten der Einspielung
- Adriana González (Sopran)
- Marina Viotti (Mezzosopran)
- Iñaki Encina Oyón (Klavier)