José Serebrier
Symphonic BACH Variations • Laments and Hallelujahs • Flute Concerto with Tango
BIS 2423
1 CD/SACD stereo/surround • 77min • 2018, 2019
03.03.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Am 3. Dezember 82 Jahre alt geworden, ist der in Uruguay geborene und in New York lebende José Serebrier heute eine der letzten großen Dirigentenlegenden jener Generation, die noch direkt von Stokowski, Monteux und Dorati lernte. Stokowski, der Serebriers 1. Symphonie uraufführte (der Mitschnitt ist bei Guild auf CD erschienen), war sein großes Vorbild bezüglich der Formung des Orchesterklangs wie auch der enormen Farbpalette und expressiven Spannweite der Orchestration. Serebrier zeigte schon als Jugendlicher bemerkenswerte kompositorische Begabung, und seine Neigung zu träumerischer Melancholie empfindet er als slawisches Erbe seiner russisch-polnischen Vorfahren. Den Gegensatz dazu bildet die Neigung zu übermütigem, ausgelassenem Feuerwerk virtuos inszenierter orchestraler Effekte, und es obliegt seinem Formsinn, diese Gegensätze in seinen größeren Stücken zu eigenwilliger Einheit zu verbinden.
Drei Ersteinspielungen
In vorliegender Kompilation, die mit dem irischen RTÉ National Symphony Orchestra, dem Barcelona Symphony Orchestra und dem Australian Chamber Orchestra entstand, sind einige Stücke enthalten, deren Wurzeln in den 1950er Jahren liegen, doch der konkrete Entstehungszeitraum liegt zwischen 2001 (Tango in Blue) und 2018 (Laments and Hallelujahs). Letzteres Werk sowie die 2017-18 komponierten Symphonic BACH Variations für Klavier und Orchester von 2017-18 – mit dem brillanten Solisten Alexandre Kantorow – und Serebriers hinreißend gespielte Übertragung von Pjotr Tschaikowskys Romanze None but the Lonely Heart (einer russischen Vertonung von Goethes ‚Nur wer die Sehnsucht kennt‘) für Streichorchester werden, allesamt mit dem RTÉ National Symphony Orchestra, als Ersteinspielungen vorgelegt.
Alles überstrahlende Brillanz
Neben den BACH Variations ist das Hauptwerk, zum zweiten Mal bei BIS mit Starflötistin Sharon Bezaly vorgelegt, das irrwitzig virtuose Flute Concerto with Tango von 2008. Sharon Bezaly spielt dieses extrem unterschiedliche Stimmungen und Fakturen kombinierende, höchst wirkungsvolle Konzert mit einer hochkultivierten Eloquenz und alles überstrahlenden Brillanz, die ihre Sonderklasse auf dem Instrument unterstreichen, und regt damit vielleicht manchen jungen Virtuosen an, es auch einmal mit diesem so verrückten wie eingängigen Konzert zu versuchen. Die Symphonic BACH Variations sind ein wilder Ritt auf Bachs Namensmotiv, in der Art eines zwischen Berlioz’scher Bizarrerie, Liszt’scher Totentanz-Maskerade und den Effekten der jüngsten Orchestertechnik changierenden akustischen Films von drastischer Bildhaftigkeit, in welchem das BACH-Motiv sich zunehmend auf dem Kraterrand zum Umschlagspunkt ins Dies-irae-Motiv wiederfindet. Es ist ein entfesselter Spaß, eine groteske Abenteuerreise, die sich aus der eigendynamischen Rotation der berühmtesten Viertonzelle der Musikgeschichte entspinnt.
Der Rest ist Tango
Im den als Monodie anhebenden Laments and Hallelujahs scheut sich Serebrier nicht, biblische Geschehnisse zu illustrieren. Mir gefällt vielleicht überhaupt am besten das auf einem Frühwerk beruhende, 2014 für die St. Michael Strings im finnischen Mikkeli geschriebene, poetische Adagio für Streicher. Der Rest ist Tango: mondän-überdreht in Tango in Blue, herrlich naiv im nostalgischen Casi un Tango (2002) und am gehaltreichsten im 2008 komponierten Last Tango before Sunrise. Einige dieser kleinen Stücke sind kuriose Juwelen, die auch das Interesse anderer Dirigenten wecken dürften. Das Klangbild ist auf exquisitem BIS-Standard, den Einführungstext besorgte Serebrier wie immer in bester Erzähllaune selbst.
Christoph Schlüren [03.03.2020]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
José Serebrier | ||
1 | Symphonic BACH Variations für Klavier und Orchester | 00:21:51 |
5 | Laments and Hallelujahs | 00:11:52 |
6 | Flute Concerto with Tango | 00:22:12 |
11 | Tango in Blue | 00:03:09 |
12 | Casi un Tango für Englischhorn und Orchester (2002) | 00:05:16 |
13 | Last Tango before Sunrise | 00:03:45 |
14 | Adagio | 00:03:16 |
Peter Tschaikowsky | ||
15 | None But The Lonely Heart (arr. José Serebrie) | 00:03:22 |
Interpreten der Einspielung
- Alexandre Kantorow (Klavier)
- Sharon Bezaly (Flöte)
- Molly Judson (Englischhorn)
- RTÉ National Symphony Orchestra (Orchester)
- Australian Chamber Orchestra (Orchester)
- Richard Tognetti (Dirigent)
- Orquestra Simfónica de Barcelona i Nacional de Catalunya (Orchester)
- José Serebrier (Dirigent)