Johannes Brahms • Detlev Glanert • Luciano Berio
Ondine ODE 1263-2
1 CD • 59min • 2014, 2016
26.01.2017
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Zwei Spätwerke von Johannes Brahms, die Vier Ernsten Gesänge op. 121 (1896) und die Sonate für Klarinette und Klavier op. 120/1 (1894), werden hier in Orchester-Arrangements zeitgenössischer Komponisten gegenübergestellt und mit einer freien Brahms-Phantasie miteinander verbunden. Einen Clash der Epochen und der Stile gibt es dabei aber nicht. Denn beide Komponisten, Detlev Glanert (* 1960) wie Luciano Berio (1925-2003), sind sich einig in der großen Bewunderung für den deutschen Meister, dem sie sich mit Respekt und Liebe annähern.
Glanert geht dabei einen Schritt weiter, indem er die Vier Ernsten Gesänge mit hinzu komponierten Präludien einleitet und sie mit einem Postludium abschließt. Dabei gehen die Teile gleitend ineinander über und bringen den Zyklus in einen stetigen symphonischen Fluß. Diese Konzeption geht musikalisch und dramaturgisch auf, und so könnte diese Adaption im Konzertsaal durchaus eine Alternative zum Original bieten. Bei der Uraufführung 2005 in Prenzlau, die vom Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter Kent Nagano bestritten wurde, war Dietrich Henschel der Solist. In Helsinki übernahm den Part Michael Nagy, als Wolfram bei den Bayreuther Festspielen bekannt geworden, ein junger lyrischer Bariton mit schlanker und eher heller Stimme, der keine düstere Stimmung aufkommen lässt. Die liegt auch nicht im Interesse des dynamischen Jungdirigenten Olari Elts, der das Helsinki Philharmonic Orchestra mit durchweg sehr zügigen Tempi klangüppig aufspielen lässt und eine Dramatik heraufbeschwört, die der Zyklus in der Klavierfassung nicht besitzt.
Bei der Adaption der Klarinettensonate op. 120,1 durch Luciano Berio (1986) handelt es sich um eine Orchestrierung im klassischen Sinne, bei der sich der Bearbeiter eigener Zutaten enthält. Sie ist ganz dem Geiste der originalen Komposition verpflichtet, in deren üppigem, der Klarinette ebenbürtigen Klaviersatz die Instrumentierung schon angelegt erscheint. Doppelte Holzbläser + Kontrafagott, drei Hörner, zwei Trompeten, Posaune, Pauken und Streicher machen einen starken Effekt, weiten die Sonate zum Konzert aus, ohne ihren Charakter zu zerstören. Der brillante Solist Kari Kriikku erweist sich dabei nicht nur als erfahrener Virtuose, sondern zugleich als guter Teamarbeiter, als Primus inter pares unter den Instrumentalisten aus Helsinki.
Zwischen diesen beiden „traditionellen“ Arrangements steht das Orchesterstück Weites Land, eine Auftragsarbeit des Staatstheaters Oldenburg (UA: 2014), dem der Komponist Glanert den sinnigen Untertitel „Musik mit Brahms für Orchester“ gegeben hat. Tatsächlich verwendet er die ersten acht Takte aus dem Kopfsatz der 4. Sinfonie und entwickelt sie in einer knappen Viertelstunde in spielerischer Weise in verschiedene Richtungen, lässt Assoziationen an Sibelius und Mahler wach werden, schafft aber eine ganz eigenständige Kreation. Es handelt sich um eine freie Phantasie und eine bewusste Hommage an den großen Ahnvater: „Es ist viel Norddeutschland darin“, äußerte sich der Komponist vor der Uraufführung, „der Brahmssche Geruch von Marschland, der weite Himmel“. Hört man die hier vorliegende Interpretation durch die Philharmoniker aus Helsinki, möchte man hinzufügen: „Es ist auch viel Finnland drin“.
Ekkehard Pluta [26.01.2017]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johannes Brahms | ||
1 | Vier Präludien und Ernste Gesänge für Bariton und Orchester | 00:24:28 |
Detlev Glanert | ||
10 | Weites Land (Musik mit Brahms für Orchester) | 00:11:25 |
Johannes Brahms | ||
11 | Sonata f minor op. 120 No. 1 | 00:22:45 |
Interpreten der Einspielung
- Michael Nagy (Bariton)
- Kari Kriikku (Klarinette)
- Helsinki Philharmonic Orchestra (Orchester)
- Olari Elts (Dirigent)