Moments of Youth
Ars Produktion ARS 38 752
1 CD/SACD stereo • 62min • 2014
04.12.2014
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
So viel Mut muss man erst einmal haben. Der aus Singapur stammende Brendan Goh ist mit seinen 15 Jahren bereits Vollzeit-Student an der Amadeus International School in Wien, erhielt Belobigungen von Stephen Isserlis und Heinrich Schiff und legt nun eine CD vor, deren 300 Jahre umspannende Repertoireauswahl mit ihren technischen und musikalisch-intellektuellen Hürden man gewiss von gestandenen Künstlern, mit Sicherheit aber nicht von einem Cellisten dieses Alters erwarten würde. „Moments of Youth“ – so der CD-Titel – ist laut Begleittext als musikalische Bestandsaufnahme von Brendan Gohs erstem Jahr in Wien zu sehen. Doch was für ein Jahr muss das gewesen sein. Schumanns Fantasiestücke op. 73, Faurés Elegie op. 24 oder Gaspar Cassadós Requiebros mag man ja noch mit jugendlichem Überschwang in Verbindung bringen. Aber Bachs Cellosuite Nr. 3 C-Dur BWV 1009 oder Piazzollas Grand Tango? Da wird Mancher schnell an jugendlichen Übermut oder gar Leichtsinn denken; aber auch der gehört natürlich zu diesem Lebensabschnitt, zu diesen moments of youth. Mit welchem Maß also diesen jungen Künstler messen, anhand welcher Kriterien seine Interpretationen beurteilen, wie den Mut zu einer derartigen Programmzusammenstellung honorieren?
Im CD-Booklet ist zu lesen, dass „die Aufnahme Brendans jugendfrischen Enthusiasmus einfängt“. Und tatsächlich spürt man seine Begeisterung zu jeder Zeit. Mit Allerweltsinterpretationen hat seine Sicht auf das zwischen Barock und Tango angesiedelte Repertoire nichts zu tun. Er gibt sich ihm hin, lebt diese Musik. Schumanns Fantasiestücke op. 73 sind ein wunderbares Beispiel dafür, wie sich der junge Cellist Kantilenen zu eigen macht. Beseelt und doch leicht geht er zu Werke, zelebriert einen charmanten bis temperamentvollen Erzählton und nimmt diesen drei Miniaturen Dank seiner nicht grüblerischen, sondern aufgehellten Herangehensweise jegliche unnötige Bedeutungsschwere. Doch nicht nur diesen, auch Gaspar Cassadós Requiebros, dessen spanisches Kolorit Brendan Gohl ohne Gefühlsduselei punktgenau trifft. In Piazzollas Grand Tango tanzt und singt er auf dem Cello, dass es eine Freude ist. Allerdings sind die poetischen, tragischen und dramatischen Dimensionen dieses Charakterstücks für den Fünfzehnjährigen noch eine Nummer zu groß. Diese bringt dafür Reinhard Schoberger auf dem Flügel mit Nachdruck zum Vorschein; er ist der Impulsgeber und erweist sich auf der ganzen CD als ein zwar flexibel und hellhörig, aber doch bestimmt agierender und Orientierung bietender Klavierpartner.
Zu kämpfen hat Brendan Goh mit der Ausdruckswelt und den agogischen Kräften innerhalb der Sätze von Bachs Cellosuite Nr. 3 C-Dur BWV 1009. Trotzdem präsentiert er eine tiefempfundene Interpretation, die in den tänzerisch leicht wiedergegebenen Allemande, Bourrée I und Gigue ihre Höhepunkte hat. Wären da noch Faurés Elegie op. 24, das mit entwaffnender Schlichtheit vorgetragene Adagio aus Haydns Cellokonzert D-Dur Hob. VIIb:2 und die Cellofassung von Paganinis Violin-Caprice Nr. 9 La Chasse, worin Brendan Goh neben dem bereits angesprochenen Mut ein ganz besonderes Klangverständnis und erstaunliche technische Fertigkeiten an den Tag legt.
Bleibt als Fazit: Wer als Fünfzehnjähriger so wenig Scheu vor cellistischen Prüfsteinen und zahlreichen, teils Ehrfurcht gebietenden Vergleichsinterpretationen zeigt, von dem wird in Zukunft hoffentlich noch einiges zu hören sein.
Christof Jetzschke [04.12.2014]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Suite Nr. 3 C-Dur BWV 1009 für Violoncello solo | 00:21:19 |
Robert Schumann | ||
7 | Drei Fantasiestücke op. 73 für Violoncello und Klavier | 00:10:02 |
Gabriel Fauré | ||
10 | Elégie c-Moll op. 24 für Violoncello und Klavier | 00:06:11 |
Joseph Haydn | ||
11 | Cello Concerto No. 2 D major Hob. VIIb:2 | 00:04:59 |
Gaspar Cassadó | ||
12 | Requiebros | 00:04:29 |
Astor Piazzolla | ||
13 | Le Grand tango (arr. Gubaidulina) | 00:10:42 |
Niccolò Paganini | ||
14 | Caprice E major op. 1 No. 9 | 00:03:01 |
Interpreten der Einspielung
- Brendan Goh (Violoncello)
- Reinhard Schobesberger (Klavier)