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Besprechung CD/SACD stereo/surround

Wilhelm Stenhammar String Quartets • Volume 1

BIS 1659

1 CD/SACD stereo/surround • 74min • 2011, 2012

02.09.2013

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Wilhelm Stenhammar (1871-1927) gehört nicht nur als Sinfoniker zu den bedeutendsten skandinavischen Komponisten seiner Epoche, er hat insbesondere mit seinen sechs Streichquartetten (ein früheres zog er zurück) einen der substanziellsten Beiträge zur Königsgattung der Kammermusik in der Nachfolge Beethovens geleistet. Und diese Quartette verdanken gerade dem späten Beethoven viel, mehr als irgendeinem anderen. So muss es nicht wundern, wenn hier das schwedische Stenhammar Quartet bei BIS antritt, einen neuen Zyklus der Meisterwerke seines Namensgebers zu eröffnen. Und das Stenhammar Quartet (Peter Olofsson, Per Öman, Tony Bauer und Mats Olofsson) ist technisch exzellent, den diffizilen Aufgaben (auch hier im Schwierigkeitsgrad an Beethoven anknüpfend) gewachsen, intonationsrein und auch in wildester Jagd rhythmisch makellos synchron.

Man beachte die Reihenfolge: zuerst das Vierte Quartett op. 25 (1904-09), dann Elegie und Intermezzo im Quartett-Arrangement aus der Schauspielmusik zu Lodolezzi sjunger op. 39 (1919), und abschließend das Dritte Quartett op. 18 (1897-1900). Die zwei so einfachen wie stimmungsstark kontrastierenden kleinen Stücke machen sich wunderbar auflockernd zwischen den beiden jeweils mehr als halbstündigen, satztechnisch höchst anspruchsvollen Quartett-Riesen. Dass das introvertiertere, Sibelius gewidmete Vierte Quartett am Anfang steht, hat wohl damit zu tun, dass nicht nur Stenhammar selbst, sondern auch die Experten für sein stärkstes Kammermusikwerk halten. Doch ich bin mir da nicht so sicher, denn das Dritte Quartett ist ihm schlicht ebenbürtig und in der spezifischen heitereren Atmosphäre vielleicht noch einzigartiger, darüber hinaus nicht weniger kunstreich gebaut in den Details wie als Ganzes.

So souverän und entfesselt das Stenhammar Quartet den technischen Schwierigkeiten dieser Werke zu begegnen vermag, gibt es doch auch viele Schwächen in der Darstellung, die einer eingehenderen Einstudierung zu unterwerfen wären. Etwa der Gebrauch des Rubato, der immer wieder sehr unnötig mit dem Momentum bricht. Und ganz besonders die viel zu wenig differenzierte Verwirklichung der dynamischen Vorgaben, wo die Musiker einfach das Piano und Pianissimo zu wenig pflegen und dadurch viele Kontraste eingeebnet erscheinen, wenn dann kräftige Passagen umso mächtiger erscheinen müssten. Viele weitere Details ließen sich nennen, worunter die Dramaturgie des Zusammenhangs und auch der ausgeprägte Charakter im Einzelnen leiden. Als offensichtliches Unding erweist sich zudem, im Kopfsatz des Dritten Quartetts die Wiederholung der Exposition zu spielen – das steht zwar da, aber wie jedem ausgeprägt dualistisch gebauten Sonatenhauptsatz wirkt es dann beim zweiten Mal als unnötige Länge und bricht den dramatischen Bogen. Jedenfalls kommt der große, durchgehende Zug in diesen Aufführungen aus verschiedenen Gründen nicht zum Entstehen, und es bleibt bei der Bewunderung der herrlichen, erlesenen, ergreifenden Einzelheiten und über kürzere Distanzen zusammenhängenden Strecken. Trotzdem ist vieles noch mit etwas hypothetischer Höreinstellung mitvollziehbar, so die berührende Wirkung, wenn am Ende des Finales des Vierten Quartetts auf höchst organisch scheinende Weise der Beginn des Kopfsatzes wiederkehrt – ein elegisch kraftvolles Beispiel zyklischer Formwirkung. Und es bleibt kein Zweifel, dass Stenhammar zu den unbekannten Großmeistern der Streichquartett-Komposition gehört. Die Aufnahmetechnik ist exzellent, der Begleittext von Signe Rotter-Broman sehr informativ, wobei die Behauptung, es kämen atonale Elemente in der Musik vor, wo in dieser wunderbar diatonisch empfundenen Musik schlicht komplexe chromatische Beziehungen vorliegen, unfreiwillig komisch wirkt. Der Schlusssatz des Vierten Quartetts ist, in Anlehnung an Beethoven, eine Aria variata, und wem ginge nicht das Herz auf, wenn der Primarus alleine in schlichtem Volkston das Geschehen eröffnet – einen Moment lang wirkt es so gar nicht klassizistisch, sondern wie das Ständchen eines einsamen Fiedlers auf dem Lande. So gibt es auch immer wieder hinreißend schöne Momente in dieser höchst ambitionierten Aufnahme.

Christoph Schlüren [02.09.2013]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Wilhelm Stenhammar
1Streichquartett Nr. 4 a-Moll op. 25 00:33:15
5Elegi (aus: Lodolezzi sjunger op. 39) 00:03:23
6Intermezzo (aus: Lodolezzi sjunger op. 39) 00:03:59
7Streichquartett Nr. 3 F-Dur op. 18 00:32:13

Interpreten der Einspielung

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