Ludwig Thuille
Urschlamm-Idyll und Heiligenschein
auserlesene Gesänge

Thorofon CTH 2578
1 CD • 72min • 2010
22.08.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der gebürtige Südtiroler Ludwig Thuille (1861-1907) hat in der Musikgeschichte mehr durch seine Freundschaft und seinen Briefwechsel mit dem drei Jahre jüngeren Richard Strauss Spuren hinterlassen als durch seine eigenen Kompositionen. Einige Kammermusik wurde in den letzten Jahren auf CD veröffentlicht, sein stattliches Vokalwerk blieb jedoch bisher unbeachtet. So besteht das hier vorliegende Recital durchweg aus Ersteinspielungen, darunter eine tatsächliche Uraufführung.
Der Grund für diese lange Nicht-Beachtung ist schwer auszumachen, denn Thuilles Lieder stehen kompositionstechnisch auf der Höhe ihrer Zeit und bestechen gelegentlich durch originelle musikalische Einfälle und einen gewissen Humor. Freilich ist er in seiner Grundhaltung Romantiker, setzt die Tradition von Schumann fort und blieb von Wagner nicht unbeeindruckt. Bei seinem Liedschaffen ist die Musik gehorsame Dienerin der Texte (die von Heine, Geibel, Uhland und den seinerzeit hochmodernen Autoren Otto Julius Bierbaum und Karl Stieler stammen), und nicht umgekehrt wie oft bei Richard Strauss. Durch Bierbaum hatte Thuille auch Kontakt zum Kabarett „Überbrettl“ und dessen Wiener Nachfolger „Zum lieben Augustin“. Die Vertonung von Theodor Vischers „Urschlamm-Idyll“, einer „prähistorischen Ballade“, legt von dieser Verbindung ebenso Zeugnis ab wie die Auftrittsarie der Barbara aus der unvollendet gebliebenen Oper Der Heiligenschein. Thuilles Gesänge finden in der amerikanischen Sopranistin Rebecca Broberg eine berufene Interpretin. Sie verbindet die Ausdruckskraft der Bühnenkünstlerin mit dem intimen Ton der Liedersängerin. Die Stimme klingt in der Mittellage warm und üppig und hat eine angenehme Mezzofarbe, die Höhen werden etwas spitzer, aber nie scharf oder grell. Sie gestaltet die Lieder nicht nur betont textdeutlich, was unter heutigen Sängern, vor allem in ihrem Stimmfach, ziemlich selten ist, sie erfasst sie auch geistig und emotional, so dass die kleine Reise durch Thuilles Liederlandschaft abwechslungsreich und kurzweilig ausfällt. Das kabarettistische „Urschlamm-Idyll“ mit der parodierten Opern-Kadenz auf das kalauernde Wortspiel „Ichthyosauer-Ichthyosüß“ überlässt sie dem jungen Bassisten Philipp Meierhöfer, der hier gekonnt und launig eine weite stimmliche Palette von gruftiger Tiefe bis tirilierendem Sopran-Falsett ausspielt. Hans Martin Gräbner begleitet die Sänger mit Fingerspitzengefühl und klarer pianistischer Diktion. Diese Veröffentlichung erfüllt ihren Zweck, auf weitere Vokalkompositionen Ludwig Thuilles neugierig zu machen. Und da es sich um eine Produktion von Peter P. Pachls pianopianissimo-Musiktheater handelt, ist die Hoffnung berechtigt, dass irgendwann eine komplette Aufnahme der einst erfolgreichen und viel, sogar an der Metropolitan Opera gespielten Oper Lobetanz (1898) folgen wird.
Ekkehard Pluta [22.08.2011]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ludwig Thuille | ||
1 | Mädchenlied op. 15 Nr. 1 | 00:01:52 |
2 | Sehnsucht op. 15 Nr. 2 | 00:03:51 |
3 | Lied der jungen Hexe op. 15 Nr. 3 | 00:01:54 |
4 | Auf dem Todesbett (aus dem Nachlass 39) | 00:02:25 |
5 | Du bist wie eine Blume (aus dem Nachlass 23) | 00:02:27 |
6 | Ständchen (aus dem Nachlass 16) | 00:01:55 |
7 | Klage op. 5 Nr. 1 (aus Drei Frauenlieder) | 00:03:00 |
8 | Sommermorgen op. 5 Nr. 2 | 00:01:41 |
9 | Lärm der Welt op. 5 Nr. 3 | 00:03:10 |
10 | Verschlossenheit (aus dem Nachlass 43) | 00:02:31 |
11 | Für Musik (aus dem Nachlass 20) | 00:03:01 |
12 | Stille Gedanken (aus dem Nachlass 21) | 00:01:40 |
13 | Waldgesang op. 7 Nr. 1 | 00:02:20 |
14 | Julinacht op. 7 Nr. 2 | 00:02:16 |
15 | Nachtlied op. 7 Nr. 3 | 00:02:32 |
16 | Botschaft op. 7 Nr. 4 | 00:02:25 |
17 | Nächtliche Pfade op. 7 Nr. 5 | 00:02:56 |
18 | Nicht daheim op. 7 Nr. 6 | 00:04:00 |
19 | Am Heimweg op. 7 Nr. 7 | 00:02:24 |
20 | Jahreszeiten op. 7 Nr. 8 | 00:04:29 |
21 | Notturno (aus dem Nachlass 34) | 00:02:45 |
22 | Von alten Liebesliedern (aus: Des Knaben Wunderhorn) | 00:02:46 |
23 | Urschlamm-Idyll (Ein Ichtyosaurus wälzte) | 00:06:34 |
24 | Der Heiligenschein | 00:03:30 |
25 | Neujahrslied | 00:03:33 |
Interpreten der Einspielung
- Rebecca Broberg (Sopran)
- Philipp Meierhöfer (Bass)
- Hans Martin Gräbner (Klavier)