Affinities
BIS 2439
1 CD/SACD stereo/surround • 64min • 2017
19.12.2019
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Affinitäten, die in diesem Album zwischen deutschen und griechischen Kunstliedern des frühen 20. Jahrhunderts zu entdecken sind, basieren nicht unwesentlich auf fruchtbaren Schüler-Lehrer-Beziehungen. Die hier vorgestellten griechischen Komponisten erhielten ihre Ausbildung in Berlin, München und Wien und verbanden in ihren Werken deutsche Traditionen mit dem Idiom ihrer nationalen Volksmusik. Das ist in den griechischen Volksliedern von Yannis Constantinidis (1903-84) besonders stark ausgeprägt. Manolis Kalomiris (1883-1962), der als Begründer und Haupt der griechischen Nationalmusik gilt, wurde auch in Deutschland wahrgenommen: Seine Oper Der Ring der Mutter erlebte 1940 an der Berliner Volksoper ihre zweite Premiere.
Das Programm macht auch die Bruchstellen zwischen spätromantischer Schule und aufbrechender Avantgarde deutlich. Für letztere steht hier Arnold Schönberg als Komponist wie als Lehrer. Selbst Schüler Alexander von Zemlinskys, nahm er als junger Mann Einflüsse von Wagner und Brahms auf, um dann mit der Zwölftonmusik radikale neue Wege zu gehen, was hier im Mädchenlied (1933) zu hören ist. Zu seinen griechischen Meisterschülern zählten Nikos Skalkottas (1904-49) und (indirekt) der nachmals bedeutende Dirigent Dimitri Mitropoulos (1896-1960). Die Traditionalisten der „Münchner Schule“, Anton Beer-Walbrunn und Ludwig Thuille, hatten prägenden Einfluß auf Emilios Riadis (1880-1935) bzw. Dimitris Lialios (1869-1940). Letzterer ist hier mit einer Heine-Vertonung in deutscher Sprache vertreten (Es erklingt wie Liebestöne). Bei Riadis sind auch Einflüsse seines Pariser Lehrers Maurice Ravel erkennbar (Tochter aus Missiri).
Die junge griechische Sopranistin Fanie Antonelou, bei uns vor allem als Mitwirkende im Mozart-Zyklus von Teodor Currentzis bekannt geworden, ist nicht nur für die Auswahl der Musiknummern verantwortlich, von denen sechs erstmalig auf Tonträgern festgehalten wurden, sondern zugleich eine engagierte und berufene Interpretin der Lieder. Ihr klangschöner, fragiler lyrischer Sopran eignet sich besonders für die Feen und Nymphen, die uns in den Gesängen von Kalomiris begegnen, meistert andererseits mit Charme und ohne Vulgarität Kurt Weills ursprünglich für Marlene Dietrich geschriebenen Abschiedsbrief auf einen Text von Erich Kästner. In der deutschen Pianistin Kerstin Mörk, die nach eigenem Bekenntnis vorher nichts von griechischer Musik wusste, hat sie eine fabelhafte Mitstreiterin, die sich ebenso sensibel wie zupackend auf die verschiedenen Stile einlässt und in Von Nereiden besessen (Kalomiris) mit dem Klavier den ganzen Farbenreichtum des im Original vorgesehenen Orchesters herzustellen weiß.
Ekkehard Pluta [19.12.2019]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Yannis Constantinidis | ||
1 | To Erináki (Young Irene, aus 20 Lieder des griechischen Volkes) | 00:01:28 |
2 | Méra mérosse (The Break of Day, aus 20 Lieder des griechischen Volkes) | 00:02:42 |
3 | To mávro yemení (The Black Headscarf, aus 20 Lieder des griechischen Volkes) | 00:01:28 |
4 | Apópse ta messánichta (Tonight at Midnight, aus 20 Lieder des griechischen Volkes) | 00:02:19 |
Alexander Zemlinsky | ||
5 | Des Mädchens Klage | 00:02:57 |
6 | Mädel, kommst du mit zum Tanz? | 00:01:40 |
7 | Nun schwillt der See so bang | 00:01:35 |
Manolis Kalomiris | ||
8 | I neraidoparméni (Enchanted by the Fairies) | 00:06:12 |
Arnold Schönberg | ||
9 | Erwartung op. 2 Nr. 1 | 00:03:57 |
10 | Mädchenlied op. 48 Nr. 3 | 00:02:22 |
Dimitris Mitropoulos | ||
11 | O thánatos tou náfti (The Death of the Sailor) | 00:02:44 |
12 | Afrodíti Uranía (To Celestial Aphrodite) | 00:03:37 |
Kurt Weill | ||
13 | Der Abschiedsbrief | 00:03:41 |
14 | Klops Lied | 00:00:53 |
Philipp Jarnach | ||
15 | Ich hört ein Sichlein rauschen (aus Des Knaben Wunderhorn) | 00:02:22 |
Nikos Skalkottas | ||
16 | I lafína (The Doe) | 00:03:41 |
Anton Beer-Walbrunn | ||
17 | Mariae Sehnsucht op. 59 Nr. 5 | 00:03:41 |
Emilios Riadis | ||
18 | Mágissa (Witch, aus Neun kurze griechische Lieder) | 00:01:53 |
19 | Missiriótissa (Girl from Missiri, aus Neun kurze griechische Lieder) | 00:01:46 |
Manolis Kalomiris | ||
20 | I neráida (The Fairy) | 00:01:39 |
21 | Rumeliótissa (Girl from Roumeli) | 00:03:45 |
Ludwig Thuille | ||
22 | Klage op. 5 Nr. 1 (aus Drei Frauenlieder) | 00:02:59 |
Dimitrios Lialios | ||
23 | Es erklingt wie Liebestöne op. 7 Nr. 1 | 00:01:24 |
Interpreten der Einspielung
- Fanie Antonelou (Sopran)
- Kerstin Mörk (Klavier)