Glossa GCD 921112
2 CD • 1h 46min • 2009
26.04.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Bachs sogenannte „Hohe Messe“ als vollständiges Hochamt aller liturgischen Hauptteile (Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Osanna, Benedictus, Agnus Dei, Dona nobis pacem) gehört längst zum Welt-Kulturerbe. Wenn ihr dieses Etikett bisher noch nicht offiziell verliehen worden ist, so lässt doch ihre internationale Wertschätzung, ihr kirchenmusikalischer Stellenwert und ihre inzwischen mediale Verbreitung gar keinen anderen Schluß zu. Weit über vierzig nach wie vor aktuelle Schallplatten- und CD-Einspielungen älteren und jüngeren Datums repräsentieren die Spitzengarde an Dirigenten, Solisten, Chören, Orchestern und Barock-Spezialensembles. Das Qualitätsgefälle ist naturgemäß gering, da die Umsetzung dieser ungewöhnlich kompakten, in spiritueller, künstlerischer und stilistisch-akustischer Hinsicht ein Maximum und Optimum an Leistungsfähigkeit herausfordert.
Nun also stellt Frans Brüggen, einst Jungstar unter den Blockflötisten und Mitbegründer authentischen Barockmusizierens mit historisch rekonstruierten „Originalinstrumenten“ (Teldec: Das Alte Werk) und von Anfang an zum prominenten Routinier dieses Genres arriviert, die Frucht seiner Beschäftigung mit diesem Monumentalwerk vor. Zusätzlich wartet die vorliegende Neuerscheinung mit einer zeitgeschichtlich bedeutsamen Komponente auf. Als Brüggen im politisch ereignisreichen Jahr 1989 mit Bachs berühmtem Messezyklus BWV 232 im Rahmen einer Konzerttournee auch osteuropäische Hauptstädte besuchte, kam es in Warschau als Keimzelle zur Überwindung von internationalen Mauern und Stacheldrähten zu einer überwältigenden, religiös motivierten, durch Bachs Werk angeregten Publikumsreaktion. Franz Brüggen und sein Tournee-Manager Sieuwert Verster berichten: „Diese Aufführung erwies sich vom Anfang bis zum Ende als magischer Moment, und am Schluß wurden wir gebeten, das ,Dona nobis pacem’ zu wiederholen.“
Im März des Jahres 2009, nach der inzwischen vollendeten europäischen Einigung, fand dieser Triumph mit Brüggens Cappella Amsterdam und dem (Barock-) Orchester des 18. Jahrhunderts eine nicht minder erfolgreiche Wiederholung. Diesmal mit dem Ergebnis einer Dokumentation auf CD. Auch die Auswahl der Vokalsolisten, allen voran der stimmlich außerordentlich begnadete männliche Altus-Sänger Patrick van Goethem und der Tenor Jan Kobow als bewährter Bach-Interpret, sorgte im Verbund mit stilistisch versierten Choristen und Instrumentalisten für eine eindrucksvolle Wiedergabe einer quasi „polnisch-katholischen Missa concertata“ aus der Feder des Erzvaters deutsch-protestantischer Kantoren, Johann Sebastian Bach.
Verantwortlich für Klang und Tonregie zeichnet Lech Dudzik vom Lutoslawski Radio Studio in Warschau, dessen Mischpultkunst nichts von möglichen Nebengeräuschen einer Live-Aufnahme spüren läßt. Nichts spürt man auch beim Erleben dieser Musik von dem einst verzweifelten Suchen des Leipziger Thomaskantors nach neuen Ämtern und Würden im Widmungstext zu der Partitur der Messe, die er dem damaligen polnischen König, dem sächsischen Kurfürsten Friedrich August II. – ohne Erfolg – verehrt hatte (1733): „Ich habe einige Jahre und bis daher bey denen beyden Haupt-Kirchen in Leipzig das Directorium in der Music gehabt, darbey aber ein und andere Bekränckung unverschuldeterweise empfinden müssen …ich offerire mich in schuldigsten Gehorsam, jedesmahl auf Ew. Königlichen Hoheit gnädigstes Verlangen, in Componirung der Kirchen Musique sowohl als zum Orchestre meinen unermüdlichen Fleiß zu erweisen, und meine ganzen Kräffte zu Dero Dienste zu widmen. Euer Königliche Hoheit unterthänigst-gehorsamer Knecht Johann Sebastian Bach.“
Dr. Gerhard Pätzig [26.04.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Messe h-Moll BWV 232 für Soli, Chor und Orchester |
Interpreten der Einspielung
- Dorothee Mields (Sopran)
- Johannette Zomer (Sopran)
- Patrick van Goethem (Altus)
- Jan Kobow (Tenor)
- Peter Kooij (Bass)
- Cappella Amsterdam (Orchester)
- Orchestra of the 18th Century (Orchester)
- Frans Brüggen (Dirigent)