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Besprechung CD

cpo 777 452-2

2 CD • 2h 02min • 2008

12.05.2009

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Carl Heinrich Graun (1703/04-1759), ab 1740 Kapellmeister am Hofe Friedrich des Großen und ein wichtiger Vertreter der italienischen Oper in Deutschland, gehörte zu dem so genannten „Berliner Kreis“ um den musikliebenden Preußenkönig. Seine 28 Opern konnten sich auf Dauer nicht behaupten, ebenso wenig seine Instrumentalmusik, die nahezu vergessen ist. Und so verbindet man heute mit dem Namen des Komponisten fast ausschließlich seine Kirchenmusik. Die bekannteste und am häufigsten aufgeführte seiner vier Passionskantaten ist Der Tod Jesu, die in der öffentlichen Wahrnehmung mit dem zu Ende gehenden 19. Jahrhundert jedoch von den Bach-Passionen verdrängt wurde. Kaum bekannt sein dürfte dagegen Grauns Große Passion. Kommt und schaut, das Werk eines ungefähr 25-Jährigen aus dessen Zeit am Hof von Braunschweig-Wolfenbüttel (1725-1735). Das zentrale Element der insgesamt 66 Nummern (der Textdichter ist unbekannt) ist nicht die theatralische Nacherzählung, sondern die Vergegenwärtigung, eine eher meditative Betrachtung des Passionsgeschehens abseits einer vordergründigen und auf Wirkung bedachten Dramatik. Nichtsdestotrotz ist dieses Werk reich an mannigfaltigen und sehr nuancenreichen musikalischen (Stimmungs-)Bildern, die dann doch die ein oder andere fast schon erschütternde Szene offenbaren: etwa in dem Sopran-Accompagnato „Was muss ich hier erblicken“ oder der Alt-Arie „Wenn mich Neid und Bosheit drücken“. Diesem Stimmungsreichtum entspricht eine erstaunliche Vielfalt an Satztypen, Formen und Besetzungen, die ihrerseits den musikalischen Stilwandel während des 18. Jahrhunderts ankündigt bzw. schon widerspiegelt. Man könnte sagen, der schlanke, in den schönsten Momenten zärtliche und geradezu reine Tonfall und Ausdruck dieser Musik entspricht dem, was man gemeinhin als empfindsamen Stil bezeichnet.

Zahlreiche Arien, Ariosi, Accompagnati und Rezitative beherrschen das Bild. Den Soli und Duetten stehen in gliedernder Funktion lediglich acht Choräle in schlichter akkordischer Bauweise sowie drei vorwiegend kontrapunktisch gearbeitete Chorsätze gegenüber. Die Hauptlast tragen also die Solisten. Nicht nur stimmlich, auch künstlerisch sind sie enorm gefordert, genügen aber in diesem Mitschnitt eines Konzerts im Rahmen des Festivals Alte Musik Knechtsteden 2008 den höchsten Ansprüchen. Veronika Winter (Sopran), Hilke Andersen (Mezzosopran), Markus Schäfer (Tenor) und Ekkehard Abele (Bass) singen mit spürbarer Erregung, beweisen ein inniges Textverständnis und punkten ohne Ausnahme mit sauber, unangestrengt und sehr wendig geführten Stimmen sowie einer ausgezeichneten Textdeklamation. Als Beispiele eines jederzeit schlüssigen Auslotens des jeweiligen Affektgehalts seien genannt: das Sopran-Accompagnato „Nun gute Nacht“, die Bass-Arie „Ihr Jünger Jesu, lernt die Tücke“ samt ihren tonmalerischen Girlanden über der Textzeile „Seht, wie er die geflochtne Stricke“ sowie das ergreifende, von einem anmutigen Arioso unterbrochene Alt-Accompagnato „Ihr Seufzende, ihr Schüchterne der Erden“. Vielleicht am schönsten äußert sich die kultivierte Gesangskunst der Solisten in dem bezaubernden Quartett „Siehe, das ist Gottes Lamm“ mit dem Choralzitat „Christe du Lamm Gottes“.

Unter der Leitung von Hermann Max präsentiert sich die Rheinische Kantorei klangsinnlich, wie gewohnt stilsicher und überzeugt – wie auch das Kleine Konzert, das sehr agile, lebendig artikulierende, sich aber nie in den Vordergrund spielende Orchester – mit einer eindringlichen, jedes atmosphärische Detail aufgreifenden Musizierhaltung (man höre den Chor „Christus ist durch sein eigen Blut“) und gibt sich auch in Sachen Textverständlichkeit kaum eine Blöße. Insgesamt gelingt den Ausführenden eine auf die emotionale Ebene des Werks zielende Interpretation von großer Spannkraft und vorbildlicher klanglicher Dichte und Präsenz, der es trotz des langen Nachhalls in der Basilika Knechtsteden nicht an rhythmischer und deklamatorischer Prägnanz mangelt.

Christof Jetzschke [12.05.2009]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Carl Heinrich Graun
1Kommt her und schaut Graun WV B:VII:5 (Große Passion)

Interpreten der Einspielung

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