French Collection
Preiser Records PR 90698
2 CD • 52min • 2003
25.04.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Eine ausgesprochen eigenartige Produktion, schon von der Aufnahmetechnik: Der Flügelklang wurde so mikrophoniert und abgemischt, daß sich die vier Hauptstimmen des Satzes (Diskant, Alt, Tenor, Baß) im Halbkreis von links nach rechts um den Solisten anordnen. Auch dessen Spiel wiederum wirkt räumlich verteilt, die Höhen eher links bis in der Mitte, die Tiefen eher rechts davon. Allerdings ist dies nicht einheitlich, es wirkt, als ob der Geiger sich permanent im Halbkreis dreht (vergl. z. B. Tr. 8, wo die Geige weitaus mehr links zu hören ist als in Tr. 7). Das wirkt sehr artifiziell. Zwar wurde erfreulicherweise auf die übliche Verdickung mit künstlichem Hall verzichtet, doch der Gesamtklang ist sehr trocken, ohne eine auch nur annähernd natürlich wirkende Raumcharakteristik – eine Art tontechnisches Konzeptalbum. Mir gefällt es nicht, weil ungeachtet der fantastischen Durchhörbarkeit dadurch viele Farben und natürliche Oberton-Kombinationen auf der Strecke bleiben oder wenigstens nivelliert werden. Die Atmosphäre wirkt dadurch insgesamt ausgesprochen steril. Jeroen de Groot verfügt zwar über eine große Vielfalt von Nuancen und legt eine geradezu bestürzende Dynamik- und Detail-Auslotung an den Tag, aber die straffen Tempi tun gerade den Ecksätzen der drei impressionistischen Paradepferde nicht gut. Die Poulenc-Sonate hat keinen Biß, wirkt streckenweise regelrecht hysterisch – hier bleibt meine Referenz-Einspielung die süffige, über Abgründen balancierende Darbietung von Daishin Kashimoto und Itamar Golan (Sony SK 89688 2). In der Ravel-Sonate gefällt zwar der im Charakter sicher getroffene, allerdings sehr ausgekostete Blues (vielleicht der spannendste Track auf dem Album), aber die Ecksätze vollbringen das Kunststück, detailversessen, doch trotzdem abgekämpft zu wirken – besonders schade im Finale, wo nach der sehr spannenden, stockenden Einleitung sich das Perpetuum mobile bald totläuft. Hier lohnt es sich, wieder einmal die anrührende, zugleich kraftvolle Einspielung von Jean-Jacques Kantorow und Jacques Rouvier in Erinnerung zu bringen (Erato 4509 93964 2).
Am überzeugendsten wirkt insgesamt die Debussy Sonate, mit einem fragilen, behutsam angegangenen Kopfsatz und einem flirrenden, stimmungsvollen Finale, auch wenn das Intermezzo (Tr. 2) vielleicht etwas steif und nicht ganz so léger wirkt, wie vom Komponisten angelegt. Das große Können und die eigenwilligen, doch durchdachten Interpretationen von Jeroen de Groot, kongenial von Bernd Brackman am Klavier unterstützt, verlangen allen gebotenen Respekt. Das zeigt er besonders auf der beigegebenen Bonus-CD mit etlichen höchst schwierigen Schmachtfetzen von Sarasate, Kreisler, Waxman und vielen anderen, die die ganze Zugabenpalette von den Zigeunerweisen bis hin zur Carmen-Fantasie umfaßt. Eine typische Virtuosen-Visitenkarte, stimmungsvoll und untadelig musiziert, mit der sich de Groot nachdrücklich als wunderbarer Geiger nicht nur dem Publikum, sondern auch jedem Konzertmanager empfiehlt. Und Eigenwilligkeit ist in unseren geglätteten Zeiten immer zu begrüßen… Doch – ich kann es nicht anders in Worte fassen – “typisch französisch” klingt für mich das Endergebnis über weite Strecken nicht, und besonders nicht bei Debussy, Ravel und Poulenc. (Der Versuch einer Bewertung versteht sich als Durchschnitt einer 7 für CD I und einer 9 für CD II.)
Dr. Benjamin G. Cohrs [25.04.2006]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Claude Debussy | ||
1 | Sonate Nr. 3 g-Moll L 140 für Violine und Klavier | |
Francis Poulenc | ||
2 | Sonate d-Moll für Violine und Klavier | |
Maurice Ravel | ||
3 | Sonate Nr. 2 G-Dur op. 7 für Violine und Klavier |
Interpreten der Einspielung
- Jeroen de Groot (Violine)
- Bernd Brackman (Klavier)