Schlagwerker im Orchester stehen oft am hinteren Rand der Bühne, dabei sorgen sie für den pulsierenden Herzschlag im Klangkörper und liefern viele Klänge, die gerade in einer Partitur benötigt werden. Als hochausgebildete Spezialisten verspüren sie nicht selten das Bedürfnis, aus dem Schatten heraus und ins Rampenlicht hinein zu treten. Und zwar nicht aus Eitelkeit, sondern aus künstlerische Konsequenz. Lukas Staffelbach, Fabian Ziegler und Matthias Kessler folgten diesem inneren Drang von Beginn ihrer Ausbildung an und haben sich nun mit ihren Album „En Couleur“ einen Traum verwirklicht, hinter dem fünf Jahre Entwicklungsarbeit stehen.
Wollte man sich eine zugkräftige Headline zu den Metamorphosen des Publius Ovidius Naso – so Ovids vollständiger Name – ausdenken, dürfte diese wohl zu Recht „Verwandlungen zum Negativen im Reich der Titanen, Götter und Heroen“ lauten. Da das Werk Stützfeiler fortgeschrittener Latinität war, konnte Karl Ditters (1739-1799), dem Kaiser Joseph II. nach der Verleihung des päpstlichen „Ordens vom goldenen Sporn“ das Adelsprädikat „von Dittersdorf“ verlieh, sämtliche Details der Episoden bei seinen gebildeten Hörern – anders als heute – voraussetzen. Dem Württembergischen Kammerorchester gelang eine hörenswerte Einspielung dieser Vorläufer von Beethovens Pastorale.
Der Titel dieses neuen Albums suggeriert, dass man sich auf etwas gefasst machen muss: „Käfer töten“. Und richtig - das neue Album des jungen, hochgelobten Komponisten Alexander Maria Wagner zieht uns hinein in ein schräges Panoptikum aus Wahnsinn und schwarzem Humor. Wagner hat offensichtlich erkannt, dass wahre Kunst immer auch etwas mit Subversion zu tun hat und jede Angepasstheit auf Dauer lähmend, ja mitunter tödlich wirkt. Zusammen mit dem schottischen Vokal-Künstler Graham Valentine und einem handverlesenen Kammerensemble führt er dies eindrucksvoll vor.
Dieses Instrument ist ein wahres Zwitterwesen aus Gitarre und Cello und lebte auch nicht lange: das (oder die oder der: ich habe schon alle Artikel dafür gelesen) Arpeggione. „Arpeggione“ heißt wörtlich „großer Akkord“. Diese Bezeichnung findet sich nur bei Franz Schubert, sonst heißt das Instrument „Guitare d’amour“ oder Bogen-Gitarre. Gitarre deswegen, weil dies Instrument gebaut und gestimmt ist wie eine Gitarre, aber mit einem Bogen gestrichen wird – die Bauprinzipien einer Gitarre sollte mit den Ausdrucksmöglichkeiten und dynamischen Qualitäten des gestrichenen Tones kombiniert werden. Der Cellist Martin Zeller wirbt auf dieser CD vehement für den Klang und gefühlvollen Ausdruck des Arpeggione. Er rühmt im sehr persönlich gehaltenen Booklet „das Zarte, Innerliche, Liedhafte“ dieses Instrumentes.
Mannigfaltig ist die Überlieferung seines Namens: Schmierer, Schmicerer bzw. Schmicorer, und eben auch Schmikerer, als der er in der Titelei dieser CD auftritt. Die auf dem Back-Inlay aufgeführten Lebensdaten 1682-1762 stammen allerdings aus dem Nirgendwo: Trotz ausführlicher Suche in den verschiedensten lexikalischen Quellen waren keine anderen Angaben zu finden als 1661-1719; und wie durch ein Wunder finden sich eben diese Daten auch in Hans Bergmanns informativem Begleittext zu dieser Produktion. Glücklicherweise hat diese editorische „Großzügigkeit“ – immerhin macht sie den Komponisten um etwa eine Generation jünger – nichts mit den Leistungen der Musiker gemein, welche diese reizvollen Orchestersuiten der Vergangenheit entrissen haben und den Liebhabern von Barockmusik hier zu Gehör bringen.
Frage an Radio Eriwan: Können 10 Blechbläser und ein Schlagzeuger ein komplettes Orchester ersetzen? Antwort: Im Prinzip nein, aber seit 50 Jahren gibt es eine Truppe namens German Brass aus Solobläsern namhafter Orchester mit Hochschulprofessuren, die bekommen das ohne weiteres hin. Zum goldenen Jubiläum hat sich das mit je drei Trompeten, Hörnern und Posaunen, Tuba und Schlagzeug musizierende Ensemble neun bekannte Ouvertüren vorgenommen. Eine Einspielung, vor der man den Hut ziehen und gratulieren muss.
Peter Jablonski hat in den letzten Jahren auf dem Ondine-Label einige hochinteressante Alben herausgebracht – neben Chopin und Skrjabin auch Musik jenseits des Mainstreams, zum Beispiel von Stantschinski oder Bacewicz. Sein neuestes Album widmet sich dem noch immer viel zu wenig beachteten Briten Ronald Stevenson (1928–2015), dessen äußerst umfangreiches Klavier- und Liedschaffen erst nach und nach in computergesetzten Noten erscheint.
Während der Italiener Mauro Giuliani (1781- 1829) in Wien, Rom und Neapel für längere Zeit feste Spielorte fand, war sein Zeitgenosse Niccoló Paganini (1782 – 1840) ein Prototyp des reisenden Virtuosen, der in Europa als musikalischer Hexenmeister gefeiert wurde. Es ist durchaus sinnvoll, Werke beider Meister in einem Album nebeneinander zu stellen, da viele ihrer Kompositionen für die Duo-Besetzung Violine und Gitarre bestimmt sind. Der 2017 verstorbene Geiger Rainer Kußmaul, der von 1993 bis 1998 erster Konzertmeister der Berliner Philharmoniker war und außerdem einen bedeutenden Ruf als Lehrer hatte, erarbeitete gemeinsam mit der Freiburger Gitarristin Sonja Prunnbauer ein Programm, das die Klangwelt dieser speziellen Kombination am Übergang von der Klassik zur Romantik spiegelt.
for Clarinet, Viola and Piano Schumann Amberg Juon Françaix
Prospero Classical PROSP0084
1 CD • 64min • 2023
26.09.2024 • 8 9 8
Im Jahr 2020 gegründet, besteht das Trio Eiger (in der Besetzung Klarinette, Viola und Klavier) aus drei jungen Musikerinnen aus dem Orchester des Opernhauses Zürich (wobei die Pianistin Kateryna Tereshchenko mittlerweile an der Zürcher Hochschule der Künste arbeitet). Ihr Debütalbum rekurriert bereits in seinem Titel auf eines der bekanntesten Werke dieser Besetzung, und so bilden Schumanns Märchenerzählungen auch die zentrale Achse, den Referenzpunkt dieses Programms, flankiert von Werken von Paul Juon, Jean Françaix und – als Rarität – Johan Amberg.
Die unbestreitbar grandiosen Fähigkeiten des bedeutendsten Beethoven-Schülers, Ferdinand Ries (1784-1838), als Pianist und Komponist müssen nach zahlreichen Rezensionen seines völlig zu Recht wieder in den Fokus gelangten Schaffens auf dieser Plattform nicht mehr verteidigt werden. Waren die meisten Veröffentlichungen der letzten 30 Jahre Ersteinspielungen, legt nun Ondine die bereits zweite CD einer Neuaufnahme aller acht Symphonien Ries’ mit der Tapiola Sinfonietta unter Janne Nisonen vor.
Das Trio Parnassus wurde 1982 von dem Pianisten Friedemann Rieger, dem Geiger Wolf Dieter Streicher und dem Cellisten Michael Groß gegründet, eine Formation, die bis 1989 in dieser Besetzung bestand. Ein spezielles Unternehmen war die Einspielung aller sieben Klaviertrios von Johann Nepomuk Hummel (1778 – 1837) in den Jahren 1987/88. Hier ging es darum, einem Komponisten, der im Schatten Beethovens als „Kleinmeister“ wirkte, zur verdienten Anerkennung zu verhelfen. Hummel, der zunächst Nachfolger Haydns beim Fürsten Esterházy war, dann in Stuttgart und ab 1819 bis zu seinem Tod in Weimar lebte, war vor allem als Pianist und Klavierkomponist hoch angesehen. Kein Wunder, dass vor allem der Klavierpart in den sieben Trios besondere Anforderungen stellt.
Das Jahr 1726, so informiert uns der aufschlussreiche Booklet-Beitrag von Peter Wollny, stellte eine Wende im reichen Kantatenschaffen von Johann Sebastian Bach dar. Anstelle der opulenten Orchesterbesetzungen und klangprächtigen Chöre, die vorher das Leipziger Publikum entzückt hatten, traten nun fein ausgearbeitete Arien, die mit kleinen Instrumentalensembles korrespondierten. Und bei den bevorzugten Texten, die großenteils von dem Leipziger Theologie-Studenten Christoph Birkmann und dem nachmaligen Darmstädter Hofpoeten Georg Christian Lehms stammten, trat nun das lyrische und bekennende Ich in den Mittelpunkt.
Magnus Lindberg, Jg. 1958, gehört zu den international bekanntesten finnischen Komponisten unserer Tage, und erste Referenz für Aufnahmen seiner Werke ist schon lange das Label Ondine, das mittlerweile seit Jahrzehnten sein Schaffen auf Tonträger dokumentiert. Mit der vorliegenden Neuerscheinung erreicht die Werkschau nun die Kompositionen des gegenwärtigen Jahrzehnts. Neben zwei kürzeren Orchesterstücken bildet Lindbergs Violakonzert, gespielt von seinem Widmungsträger Lawrence Power, den Kern des Albums; das Finnische Rundfunk-Sinfonieorchester wird von seinem aktuellen Chefdirigenten Nicholas Collon geleitet.
Max Volbers recorder • Alexander von Heissen harpsichord
Berlin Classics 0303407BC
1 CD • 77min • 2023
21.09.2024 • 10 10 10
Max Volbers und sein Partner an Cembalo und Orgelpositiv Alexander von Heissen nehmen sich in ihrer neuesten Einspielung dem dankbaren Thema der Blockflötenmusik in London zwischen 1700 und 1730 an. Schließlich bestand ein Drittel aller Ausgaben des als Verleger und Raubkopierer berüchtigten John Walsh aus Publikationen für dieses bei den Gentlemen ungemein beliebte Instrument. Die beiden Interpreten mischen hier gekonnt seit langem im Repertoire Verankertes mit eigenen Arrangements von eigentlich für andere Instrumente gedachten Kompositionen. Bei zwei „Schlachtrössern“ gelingt ihnen eine Referenzaufnahme.
Die Aufnahmen der Klavierquartette in A-Dur op. 26 und in c-Moll op. 60 von Johannes Brahms sind dem Gedenken an den Pianisten Lars Vogt (1970 - 2022) gewidmet. Kurz vor seinem Tod wurden die beiden Werke im Sendesaal Bremen eingespielt, wobei es beim c-Moll-Quartett nur zu einem einfachen „Durchspielen“ reichte.
Vor noch nicht einmal zehn Jahren gab es von der Musik des in Prag geborenen, aus einer jüdischen Familie stammenden Hans Winterberg (1901–1991) weder kommerzielle Einspielungen noch Notenausgaben. Die Gründe dafür sind vielschichtig und in wenigen Zeilen kaum befriedigend wiederzugeben. Zu Winterbergs verschlungenem Lebensweg, der ihn, nachdem er das Ghetto Theresienstadt überlebt hatte, nach Bayern führte, wo er beim Rundfunk eine Anstellung fand, kommt eine komplexe familiäre Konstellation hinzu; sein Stiefsohn versah Winterbergs Nachlass u.a. mit einer Sperrklausel bis zum Jahre 2030. Es ist dem Engagement von Winterbergs leiblichem Enkel Peter Kreitmeir zu verdanken, dass diese Musik der Versenkung und dem Vergessen entrissen wurde.
Der rumänische Pianist Victor Nicoara, der heute in Berlin lebt, widmet sich vor allem dem weniger bekannten Klavierrepertoire und ganz besonders dem Schaffen von Ferruccio Busoni (1866 – 1924). Die neue CD trägt den Titel „Polyphonic Dreams“ und weist damit auf einen charakteristischen Wesenszug Busonis hin: seine an Johann Sebastian Bach geschulte und zugleich auf die moderne Musik vorausschauende Denkweise. Bezeichnend dafür ist die epochale Fantasia Contrappuntistica, mit der sich der Komponist von 1910 bis in die Zwanziger Jahre beschäftigte. Sie geht von der Grundidee aus, Bachs Kunst der Fuge zu vollenden, greift dabei aber weit in die Zukunft voraus.
Dass Gustav Mahlers 12 Lieder aus Des Knaben Wunderhorn, in den Jahren 1892-1898 entstanden, dem Publikum vor allem in ihren Orchesterversionen bekannt sind, hat einen einfachen Grund: der Verlag Universal Edition hatte jahrzehntelang nur Klavierauszüge dieser Orchesterfassungen aufgelegt und die von Mahler selbst geschaffenen Klavierversionen ignoriert. Erst 1993 wurden diese im Rahmen der kritischen Gesamtausgabe von Renate Stark-Voit und Thomas Hampson neu herausgegeben. Das vorliegende Album verbindet diese zwölf Gesänge mit 8 originalen Klavierliedern auf „Wunderhorn“-Texte aus den Jahren 1887-1891.
Vermutlich ist der russische Komponist Viktor Ewald (1860–1935) den meisten Musikliebhabern eher kein Begriff, und dies paradoxerweise, obwohl die auf dieser CD vorgestellten Werke für cpo-Verhältnisse eigentlich diskographisch ungewöhnlich gut erschlossen sind (teilweise mehr als ein Dutzend Einspielungen). Ewald gehörte dem Kreis um den russischen Musikmäzen Mitrofan Beljajew an und spielte lange Zeit auf dessen Freitagstreffen im Streichquartett den Cellopart. Hauptberuflich war er Bauingenieur, hatte jedoch am Petersburger Konservatorium eine gründliche musikalische Ausbildung genossen.
Hier wächst zusammen, was nicht zusammengehört – jedenfalls wenn man herkömmliche Stilschubladen bemüht. Tango und Chaconne haben nun wirklich nichts miteinander gemeinsam, auf dieser CD aber kombiniert das experimentierfreudige Ensemble La Ninfea munter beide Tänze und fügt gleich noch weitere hinzu. Von Forqueray und Händel bis Piazzolla reicht das stilistische Spektrum, das hier bunt durcheinandergewürfelt wird, und auch Mozart ist mit dabei. Das Ergebnis ist unkonventionell aber auch sehr erfrischend.
Mozarts düsterstes Klavierkonzert, nämlich das in d-Moll KV 466, und das sonnigste Klavierkonzert, das in A-Dur KV 488, hat hier der südkoreanische Pianist Jae-Hyuck Cho miteinander kombiniert. Der Pianist hat an der Manhattan School of Music und an der New Yorker Juillard School studiert – und dazu gleichzeitig Orgel –, so dass er einer der wenigen Künstler ist, die sowohl als Pianist als auch als Organist auftreten. Das Zusammenspiel mit dem von Hans Graf geleiteten Royal Philharmonic Orchestra klappt exemplarisch gut. Die Aufnahmetechnik lässt trennscharf jede Instrumentengruppe hören, ja auch einzelne Instrumente wie das hurtig dahinplappernde Fagott und die lebhafte Flöte vor allem im Finale des A-Dur-Konzertes.
Das 2018 gegründete Gropius Quartett setzte sich mit dem Namen des Bauhaus-Architekten Walter Gropius das Ziel, klare Struktur mit musikantischer Leidenschaft zu verbinden. Und dazu gehört auch die Suche nach Neuem. Fündig wurden Friedemann Eichhorn und Indira Koch (alternierend an der ersten und zweiten Violine), Alexia Eichhorn (Viola) und Wolfgang Emanuel Schmidt (Violoncello) bei George Alexander Albrecht (1935 – 2021), der dem Ensemble sein 2018 entstandenes Streichquartett Von Angst und Trauer erlöst durch die Liebe widmete. Der vor allem als weit gereister Dirigent bekannte George Alexander Albrecht hat mit diesem Werk ein sehr persönliches Stück hinterlassen, das den Weg aus Nacht zum Licht, gestützt auf literarische Zeugnisse von Franz von Assisi über Johann Wolfgang Goethe bis zu Else Lasker-Schüler, nachzeichnet.
Die in Moskau geborene, georgischstämmige Pianistin Shorena Tsintsabadze ist auf CD bislang vor allem mit romantischem Repertoire hervorgetreten, das über große Namen wie Schumann, Brahms oder Rachmaninow bis hin zu den Klavierkonzerten von Sergej Ljapunow reicht. Auf ihrem neuen Album, einmal mehr bei Ars Produktion erschienen, wendet sie sich nun der Musik ihrer georgischen Heimat zu im Rahmen eines Überblicks von den Anfängen zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis ins Jahr 2024.
Musik aus der Zeit des „Siebenjährigen Krieges“ vereint die vorliegende CD. Dieser wütete von 1756 bis 1763 und kann nach heutigen Maßstäben durchaus als „Weltkrieg“ gelten: Alle damals bedeutenden europäischen Mächte waren in die Kriegshandlungen verstrickt, und damit kamen auch die Gebiete ihrer Kolonien in Nord- und Südamerika, Indien und Afrika sowie die umkämpften Handelswege auf den Weltmeeren mit ins Bild. Zwei deutsche Kurfürstentümer, Brandenburg (als Königreich Preußen mittlerweile eine aufsteigende europäische Großmacht) und das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg (gemeinhin als Kurhannover bekannt), dessen Kurfürsten inzwischen als Könige von Großbritannien und Irland in London residierten, standen in Deutschland einer Koalition von Frankreich, Russland und Österreich gegenüber.
Mit seinem Hornklang möchte Ulrich Thevißen die Zuhörer für sein Instrument begeistern und dazu hat er einen bunten Melodienstrauß zusammengestellt. Nur zwei der Werke sind tatsächlich dem Horn zugedacht: die Romanze Empfindungen am Meere op. 12 von Franz Strauss, dem Waldhornvirtuosen und Vater von Richard Strauss, sowie die dreisätzige Sonate des 1940 geborenen norwegischen Komponisten Trygve Madsen. Bei den übrigen Stücken handelt es sich um Bearbeitungen, die nicht alle gleichermaßen gut für eine Wiedergabe auf dem Horn geeignet sind. Während Robert Schumanns Lied Widmung aus dem Zyklus Myrten sich wie ein gelungenes „Lied ohne Worte“ anhört, kommt der Gesang Ruhe, meine Seele von Richard Strauss in der Instrumentalfassung doch etwas sperrig daher.
2024 haben nicht nur einige wichtige Komponisten einen runden Geburtstag, sondern wir gedenken ebenso des 100. Todestages von Busoni, Fauré, Puccini, Stanford – und (Franz) Xaver Scharwenka (1850–1924). Als Schüler Theodor Kullaks stieg der aus der Nähe von Posen stammende Künstler mit deutsch-polnischen Wurzeln rasch zum gefeierten Klaviervirtuosen auf, wurde von Liszt gefördert, machte aber bald auch als durchaus erfolgreicher Komponist von sich reden; sein Ruf als Pädagoge war lebenslang geradezu legendär. Anders als die häufig in sich gekehrte Musik seines jüngeren Bruders Philipp sind gerade Xavers wenige Orchesterwerke – darunter vier Klavierkonzerte – völlig extrovertiert. [...]
Poetische Musik, musikalische Gedichte – auf ihrem Album widmet sich die aus Luxemburg stammende Pianistin Cathy Krier der Verbindung zwischen Wort und Ton. Ihre kluge Zusammenstellung reicht von Ravels Gaspard de la Nuit über Liszt-Transkriptionen und Prokofjews Cinderella bis zu zeitgenössischen Komponistinnen. Ravels dreiteiliger Zyklus Gaspard de la nuit basiert auf schauerromantischen Gedichten von Louis Bertrand. Mit ihrer suggestiven Gestaltung erweckt Cathy Krier die gruslig-grotesken Szenen eindrucksvoll zum Leben. Musik sagt mehr als tausend Worte – so könnte man da das bekannte Sprichwort abwandeln. Das grelle, verzerrte Lachen der Nixe Ondine mischt sich in den Arpeggio-Klang des spritzenden Wassers; ein Galgen steht in einer beklemmend finsteren, im Glockenläuten versinkenden Landschaft.
Auf dem Höhepunkt seiner Karriere war der aus Altona stammende Carl Reinecke (1824‒1910) einer der meistgespielten deutschen Komponisten. Obwohl lange in Leipzig tätig, – alleine 35 Jahre als Gewandhauskapellmeister – vertrat er ein konservatives Gegenmodell zur dortigen Neudeutschen Schule, das an Traditionen der Wiener Klassik festhielt und sich Mendelssohn, Schumann und Brahms zum Vorbild nahm. Reineckes Kompositionsklasse brachte dafür so zukunftsweisende Persönlichkeiten wie Albéniz, Grieg, Delius, Sinding und Busoni hervor. Dennoch hielt sich nur wenige Kammermusik im Repertoire. Die drei Symphonien führen diskographisch noch immer ein Schattendasein, und so vollendet diese CD der 2. Symphonie sogar die erste Gesamtaufnahme mit einem Orchester unter demselben Dirigenten; rechtzeitig zum 200. Geburtstag des Komponisten, den man unter den zahlreichen Jubilaren dieses Jahres anscheinend völlig vergessen hat.