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Besprechung CD

Ferdinand Hiller

Symphony op. 67 »Es muß doch Frühling werden« • Symphony in F minor

cpo 555 625-2

1 CD • 61min • 2023

19.05.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Da fragt man sich doch wirklich, wieso ein hochromantischer Komponist der Mendelssohn-Klasse wie Ferdinand Hiller (1811-1885) so selten mit Aufnahmen bedacht wurde und freut sich desto mehr, dass Howard Griffiths und das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt eine fulminante Einspielung der Sinfonien in e- und f-Moll vorlegen. Dass Hiller von den Spielplänen verschwand, lag vorwiegend an der der Neudeutschen Schule folgenden Generation von Star-Dirigenten um 1900 (F. Mottl, R. Strauss), deren Bibel Richard Wagners Schrift „Über das Dirigieren“ war, denn dort kommt Hiller eher schlecht weg.

Das verhängnisvolle Niederrheinische Musikfest von 1857

Hiller, Liszt und Chopin bildeten – seitdem sie im Paris der 1830er Jahre zusammentrafen - ein unzertrennliches Pianisten-Trio, dass sich auch später in enger Freundschaft verbunden zeigte. So haben Liszt und Hiller während der ganzen Zeit miteinander korrespondiert und 1853/54 noch ihre Kompositionen in Weimar diskutiert. Anzunehmen ist, dass sich dort Differenzen hinsichtlich Dirigiertechnik und der Rolle Richard Wagners Bahn brachen, dessen übertriebene mit Antisemitismus verknüpfte Selbstdarstellung dem großbürgerlichen, einer jüdischen Kaufmannsfamilie entstammenden Hiller nicht genehm sein konnte.

Zum Eklat kam es im Rahmen des Niederrheinischen Musikfestes von 1857 in Aachen. Dieses alljährlich stattfindende Festival mit Star-Beteiligung, auf dem viele bedeutende Werke uraufgeführt wurden, war eine Institution im damaligen Musikleben und fand alternierend in Düsseldorf, Aachen und Köln statt.

1857 hatte der Aachener Musikdirektor Turanyi Liszt mit Programmauswahl und Dirigat beauftragt. Da Hiller in seiner Eigenschaft als Musikdirektor in Köln sowieso anwesend sein musste, engagierte ihn der Kölner Zeitungs-Verleger Du Mont für die Rezensionen der drei öffentlichen Generalproben und Konzerte. Diese fielen durchweg negativ aus, da das Programm wegen plötzlicher Indisposition des Bass-Solisten umgestellt werden musste und wegen der mangelnden Fähigkeit Liszts, der sein Weimarer Orchester an seine eher unorthodoxe Zeichengebung gewöhnt hatte, das große, aus Mitgliedern unterschiedlicher Orchester mit Beteiligung mehrerer Chorgemeinschaften bestehende Ensemble zu koordinieren und zusammenzuhalten. Hiller schloss daraus als Dirigent mit knapp 20-jähriger Berufserfahrung, dass Liszt eben nicht dirigieren könne. Zudem äußerte er sich über die aufgeführten Werke der „Neudeutschen“ (Tannhäuser-Ouvertüre; Berlioz, L’Enfance du Christ (Auszüge); Liszt, 1. Klavierkonzert und Festklänge) in recht spitzem Tonfall. Zum eigentlichen Eklat kam es, als Chor und Orchester in der Generalprobe den Berlioz auspfiffen, wozu später unterstellt wurde, dass Hiller das Signal zum Tumult aus dem Publikum auf seinem Hausschlüssel pfeifend gegeben habe. Diese Unterstellung zog einen Gerichtsprozess nach sich, bei dem der Urheber des Gerüchts seine Aussage zurückzog. Hans von Bülow, der Solist des Klavierkonzerts, schrieb in direkter zeitlicher Nähe, dass die Unruhe vom Orchester ausging und deutete anti-französische Ressentiments an. Dass Hiller nach dieser Affäre und der nachfolgenden Pressefehde (vulgo: Shitstorm) bei den Anhängern der Neudeutschen Persona non grata war, die mit Bülow, R. Strauss, Felix Mottl, H. Pfitzner, F. Weingartner zur Jahrhundertwende das deutsche Musikleben prägten, versteht sich von selbst.

Revolutionssinfonie

Hillers Sinfonie e-Moll op. 67 (1848) ist ein beeindruckendes Werk, das den Vergleich mit Schumann nicht zu scheuen braucht. Sein Motto „Es muss doch Frühling werden“ entstammt einem Gedicht Emanuel Geibels, der damit weniger auf die Jahreszeiten an sich, sondern viel mehr auf den republikanischen Frühling, den man sich 1848 vom Parlament in der Frankfurter Paulskirche erhoffte. So ist der erste, mit drei Themen aufwartende Satz auch entsprechend blechgepanzert-heroisch gestaltet. Das Seitenthema und dasjenige des Adagio zeigen das melodische Talent des Komponisten, der geschickt mit Asymmetrien zu spielen versteht. Das Finale gibt sich als folkloristisches Sonatenrondo.

Die f-Moll Sinfonie ohne Opuszahl stammt noch aus den Pariser Jahren und wurde 1835 uraufgeführt. Sie ist formal experimentierfreudiger und schließt mit einem Finale, das man aufgrund seines Charakters eines russischen Gopaks eher Michail Glinka zutrauen würde und das man unbedingt anspielen sollte.

Glücksfund, gut gestaltet

Howard Griffith und dem Brandenburgischen Staatsorchester kann man für diese Überraschung nicht genügend danken, wenngleich man sich einige wenige Stellen der höchst anspruchsvollen Partituren noch ein wenig souveräner ausgespielt vorstellen könnte. Aber dazu kommt man wohl erst, wenn sich Werke im Repertoire etabliert haben.Aufnahmetechnisch gibt es nichts zu kritisieren, dafür gebührt dem ausführlichen, analytischen Booklet-Text von Bert Hagels wieder einmal allerhöchstes Lob.

Fazit: Hochinteressante bisher völlig vernachlässigte Werke eines zu Unrecht vergessenen Hochromantikers. Tipp für Pianisten auf der Suche nach mittelschwerer Romantik: Mal einen Blick auf IMSLP unter Hiller werfen. Die Ghaselen sind machbar und reizvoll. Eindeutig empfohlen.

Thomas Baack [19.05.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Ferdinand Hiller
1Sinfonie e-Moll op. 67 (Es muß doch Frühling werden) 00:33:40
5Sinfonie f-Moll HWV 2.4.4 00:27:30

Interpreten der Einspielung

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