Handel Remembered
Beethoven, Brahms, Mozart and more...
Prima Facie PFCD235
1 CD • 72min • 2020, 2022, 2023, 2024
19.07.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Welch ein gelungenes Recital mit Reflexionen über Georg Friedrich Händels Kompositionsweise und Kompositionen aus drei Jahrhunderten. Kenneth Hamilton wählte drei großformatige Variationswerke von Beethoven, Brahms und Liszt und ergänzte diese mit Einzelsätzen und Bearbeitungen Händelscher Sätze von Mozart, Charles Valentin Alkan, Wilhelm Kempff und Percy Aldridge Grainger. Das Ergebnis ist mit 72 Minuten Tastenzauber auf allerhöchstem Niveau gleichermaßen instruktiv wie vergnüglich.
Variationen von Gewicht
Beethovens 32 Variationen c-Moll WoO 80 gehören wie die Variationen über ein Thema von Händel op. 34 von Brahms zum pianistischen Standardrepertoire. Beide basieren wesentlich stärker auf dem harmonischen Verlauf der Vorlage, als auf der Ausschmückung des melodischen Materials. De facto schreibt Beethoven eine Chaconne über den chromatisch absteigenden Lamento-Bass, den bereits Claudio Monteverdi, Henry Purcell und nicht zuletzt Händel zu nutzen wussten, und präsentiert dabei seine pianistischen Mittel. Brahms zeigt sich in den Abspaltungen der Motive und der gloriosen abschließenden Fuge sowohl von Beethovens Diabelli-Variationen als auch von dessen Hammerklavier-Sonate beeinflusst. Letztes wohl auch bedingt durch die Tonart B-Dur.
So gut wie nie gespielt werden die höchst reizvollen Variationen über die Sarabande und Chaconne aus Händels Singspiel Almira S181, die Franz Liszt im Jahr 1879 für seinen Schüler Walter Bache schrieb, um seinen Namen auch in England wieder populärer zu machen. Liszt reduziert hier die Show-Elemente wie Akkordvibrato, Doppeloktaven und Trillerketten auf wenige Stellen und bemüht sich insgesamt um einen etwas schlichteren Duktus. Durchaus denkbar, dass es sich hier um eine aufgeschriebene und nachbearbeitete Improvisation des fast 70-Jährigen handelt.
Elegante Kleinigkeiten
Dass Mozart mit seiner fragmentarischen Suite KV 399 eine Stilkopie nach Händel schaffen wollte, halte ich für fraglich. Eher kämen die 4. Partita oder die Französische Ouvertüre aus Bachs Klavierübung I oder II in Frage. Sehr clever von Hamilton hier das Fragment der Sarabande als Modulation zur abschließenden Gigue KV 574 zu nutzen, in der Mozart alle 12 Töne der chromatischen Skala frech und munter durcheinanderwürfelt. Hinzu kommen Bearbeitungen nach Händel, die orchestrale Effekte auf dem Klavier realisieren. An der Grenze steht Graingers Handel on the Strand, dass sehr pfiffig eine eigene Variation über das Grobschmied-Thema zu einem Holzschuhtanz umwandelt und ursprünglich für Klaviertrio entstand.
Phänomenale Pianistik
Kenneth Hamilton ist definitiv zur Weltspitze der Pianisten zu zählen. Er vermag es, die durchaus haarigen Brahms-Variationen so lässig zu servieren, dass er noch Zeit und Kraft findet in den Wiederholungen der Variationen, die fast alle dem Thema in seiner AA-BB-Struktur folgen, Nebenstimmen herauszuarbeiten, die man sonst nicht zu hören bekommt. Dass er als „Pianist mit Pranke“ den Mozart so fein und duftig zu artikulieren versteht, würde man nach Alkan und Liszt nicht unbedingt erwarten. Wunderbar auch der differenzierte Anschlag um Melodie und Begleitung in derselben Hand sauber trennen zu können und dabei die Melodie wirklich zum Singen zu bringen, wie es sonst nur Marc André Hamelin, Michail Pletnjew und in der Kammermusik Oliver Triendl verstehen. Zudem verfügt Hamilton über die Gabe, den Spaß, den ihm sein Spiel vermittelt auf den Hörer zu übertragen.
Aber nicht nur spielen kann er, er schreibt auch außergewöhnlich informative, umfangreiche und humorvolle Booklet-Texte – leider nur auf Englisch, wofür ich der Ausführlichkeit wegen, diesmal aber keinen Punkt abziehe, da auch die Aufnahme ausgesprochen transparent gelang.
Fazit: Eine der besten Klavieraufnahmen seit geraumer Zeit mit einem klug und phantasievoll zusammengestellten Programm. Definitiv und dringend empfohlen!
Thomas Baack [19.07.2024]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georg Friedrich Händel/Charles Valentin Alkan | ||
1 | Awake the trumpet's lofty sound (Chor der Priester des Dagon aus Samson) | 00:02:08 |
2 | Sarabande and Chaconne (aus Almira) | 00:11:22 |
Ludwig van Beethoven | ||
4 | 32 Variationen über ein eigenes Thema c-Moll WoO 80 | 00:10:37 |
Georg Friedrich Händel/Wilhelm Kempff | ||
5 | Minuet HWV 434/4 | 00:03:59 |
Wolfgang Amadeus Mozart | ||
6 | Suite C-Dur KV 399 (Im Stile Händels, Fragment) | 00:10:04 |
10 | Eine kleine Gigue G-Dur KV 574 (Leipziger Gigue) | 00:01:20 |
Georg Friedrich Händel/Percy Grainger | ||
11 | Hornpipe (aus Wassermusik) | 00:01:51 |
Johannes Brahms | ||
12 | Variationen und Fuge über ein Thema von Georg Friedrich Händel B-Dur op. 24 | 00:24:41 |
Christoph Willibald Gluck/Johannes Brahms | ||
39 | Gavotte | 00:03:03 |
Percy Grainger | ||
40 | Handel in the Strand | 00:02:48 |
Interpreten der Einspielung
- Kenneth Hamilton (Klavier)