Antonio Rosetti
Der sterbende Jesus
cpo 555 567-2
1 CD • 55min • 2022
18.03.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Das Oratorium Der sterbende Jesus des böhmischen Komponisten Antonio Rosetti (1750-1792) war im ausgehenden 18. Jahrhundert äußerst beliebt wegen seiner betrachtenden Empfindsamkeit. Heute nicht mehr – was diese Aufnahme vielleicht ändern könnte. Und Günther Grünsteudel, dem Verfasser des ebenso kenntnisreichen wie einfühlsamen Booklet-Textes, ist durchaus zuzustimmen, wenn er dies Oratorium rühmt: „Dank seines melodischen Erfindungsreichtums, differenzierter Harmonik, eines wachen Sinns für musikalische Proportionen und eines virtuosen Umgangs mit den Orchesterfarben gelingt Rosetti eine geniale (weil überhöhende) Umsetzung des hochemotionalen Textbuches“ – von Karl Friedrich Bernhard Zinkernagel, ist dazuzufügen. Der Text erzählt weniger dramatisch das Geschehen, mehr reflektiert und empfindet er.
Ein mitreißend bis stürmisch agierendes Orchester
Vier Solisten und ein Chor sind aufgeboten – aber die Hauptsache spielt sich im reich besetzten Orchester ab. Sowohl das Ensemble L’arpa festante als auch der Dirigent Johannes Moesus sind absolut firm in der Alten Musik. Das Orchester lässt die Farben dieser Partitur stark aufleuchten und agiert immer mitreißend bis stürmisch, stellt die vielfachen Affekte der Musik deutlich heraus und malt die musikalischen Geschehnisse mit kräftig geführtem Pinsel nach – wie zum Beispiel gleich zu Beginn bei den im strengen Legato fast schwimmenden chromatischen Passagen (Track 1) oder später beim strahlenden Sonnenaufgang nach einem Ungewitter mit Donner und Blitz (Track 3).
Der Chor darf meist homophon singen, nur einmal gibt’s eine Fuge (Track 16). Das Vokalensemble BeckerPsalter, dessen Name originell mit dem Verfasser der Becker-Psalmen und dem Namen seines Leiters Andreas Becker spielt, singt in strengem Non-Vibrato bei aufgehelltem Klang, vor allem durch die jugendlich, fast mädchenhaft klingenden Sopranstimmen, perfekt ist die Artikulation und die gemeinsame Absprache der Endkonsonanten. Schön wütig unterbricht er als Turba-Chor das Rezitativ des Johannes (Track 2).
Genüsslich ausgekostetes tenorales Lachen
Der Tenor Georg Poplutz ist immer eine sichere Bank: In hochemotionaler Diktion, damit der Intention des Textes folgend, gestaltet er vor allem die Rezitative, die oft mit dem ganzen Orchester begleitet werden und veritable dramatische Szenen sind. Den Klang seiner Stimme variiert er dabei immer wieder, je nachdem, ob er erzählend oder mitleidend singt. Genüsslich kostet er die melodischen Schlenker aus, mit dem das Lachen des stillen Tals ausgemalt ist (Track 3). Als Maria singt Anna-Lena Elbert mit hellem, also theologisch passendem „dauer-jungfräulichem“ Sopran mit leichter Höhe und schöner Textgestaltung. Dem Alt sind wenige Arien anvertraut, Anne Bierwirths Stimme hat eine metallen-neutrale Stimmfärbung. Daniel Ochoa als Jesus ist (mir) zu überdramatisch opernhaft, zu wenig majestätisch-gelassen.
Der sterbende Jesus gewinnt sehr durch das Mitklingen des Kirchenraumes der Pfarrkirche St. Salvator in Nördlingen. Die Aufnahme klingt authentisch-natürlich, als wäre es ein gerade stattfindendes Konzert. Die Kirchenmusiker könnten dieses Oratorium durchaus als Ersatz für die so zahlreichen Bach-Passionen hierzulande nehmen. Es muss nicht immer in der Passionszeit die Matthäus-Passion sein.
Rainer W. Janka [18.03.2024]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Antonio Rosetti | ||
1 | Der sterbende Jesus (Oratorium) | 00:55:28 |
Interpreten der Einspielung
- Anna-Lena Elbert (Sopran)
- Anne Bierwirth (Alt)
- Georg Poplutz (Tenor)
- Daniel Ochoa (Bass)
- Vokalensemble BeckerPsalter (Chor)
- L'Arpa festante (Ensemble)
- Johannes Moesus (Dirigent)