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Bach | Biber| Pachelbel
Raumklang RK 4104
1 CD • 68min • 2021
07.09.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Eine Geige links, eine rechts, und der Basso Continuo sitzt dazwischen, vielleicht auch rechts vom Duo: So kennt man aus Konzerten und von Einspielungen her die Aufstellung einer barocken Triosonaten-Besetzung. Mehr oder weniger so positioniert wird man vor 300 oder 350 Jahren auch gespielt haben. Die eine Dame und die drei Herren des Ensembles Urban Strings aber haben für die Sonate Nr. 4 d-moll „Die Darstellung im Tempel“ aus den Mysteriensonaten von Heinrich Ignaz Franz von Biber eine hübsche Idee und machen damit ihrem Label „Raumklang“ alle Ehre: Abwechselnd ertönt eine Violine im Vordergrund, eine zweite hallt in merklicher Distanz aus der Tiefe der Lutherse Kerk Groningen wider.
Versunkene Zwiegespräche
Bibers meisterliche, in ihrer Experimentierlust faszinierende Sonaten, auch unter dem Titelzusatz „Rosenkranz“ bekannt, sind eigentlich für nur einen Streichersolisten geschrieben; der Einfall von Urban Strings aber sorgt nicht nur für genuin barocke Varietät, sondern macht das religiöse Geheimnishafte dieser hypnotischen Ciacona durch die räumlich gleichsam transzendente andere Stimme sinnlich beeindruckend erfahrbar. Auch die berühmte Passacaglia g-moll für Violine solo, die die Rosenkranz-Sonaten beschließt, wird leicht bearbeitet und erklingt in einer Version für Violine und Viola. Zwar wäre es interessant gewesen, über die Gründe für diesen Eingriff im Beiheft etwas zu erfahren; aber das klangliche Resultat: die Ruhe und Klarheit der Linienführung, das Abbilden eines mystisch versenkten Zwiegesprächs, das durch die Aufteilung auf zwei Instrumente möglich wird, spricht für sich.
In der Partia Nr. 4 VI D-Dur aus Bibers Sammlung „Harmonia Artificioso-Ariosa“ sind die beiden Violinen konventioneller, im gleichen Abstand zum Hörer und in so distinkter wie natürlicher Stereophonie, positioniert, was angesichts der Faktur des Werkes auch Sinn ergibt: Die gegenseitigen Erwiderungen und Entwicklungen – teilweise ergibt sich durch Doppelgriffe ein dichter vierstimmiger Satz –, brauchen eine stabile Balance. Georg Kallweit und Tabea Höfer übertreffen sich gegenseitig in ihrer artikulatorischen und klanglichen Phantasie, wenn sie pastos, mit breit gezogenem Strich und Mut zu energisch festgehaltenen Phrasen intonieren oder in einer besonders reizvoll gestalteten Variation (Nr. 4) durch ein immaterielles Pizzicato erfreuen.
Nüchtern, doch ausdrucksvoll
Angenehme Abwechslung bieten auch die programmatischen Ergänzungen zu den spektakulären Werken Bibers, etwa zwei straff und nüchtern phrasierte Werke für Orgel solo, die Choralpartita Was Gott tut, das ist wohlgetan von Johann Pachelbel und das Präludium-Fugen-Paar G-Dur BWV 550 von Johann Sebastian Bach sowie dessen Triosonate G-Dur BWV 1038, eines seiner weniger bekannten kammermusikalischen Werke. Spätestens hier wird ein Sonderlob für die beiden Herren vom Basso Continuo fällig: Der Violoncellist Walter Rumer verfällt nicht, wie manche Kollegen, in den Modus des Autopiloten, sondern beteiligt sich aufs Schönste am Ausdruck, an der sanften Beredsamkeit der beiden Violinen. Im Ganzen ist dieses feine Album „vis à vis“ eines zum mehrmaligen Hören.
Prof. Michael B. Weiß [07.09.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Heinrich Ignaz Franz Biber | ||
1 | Partia VI D-Dur für zwei Violinen und basso continuo | 00:16:36 |
14 | Sonate Nr. 4 d-Moll C 93 für Violine und B.c. (Darstellung im Tempel - aus: Die Rosenkranzsonaten – Die fünf freudenhaften Mysterien) | 00:09:53 |
Johann Pachelbel | ||
15 | Was Gott tut, das ist wohlgetan (Partita, aus Musicalische Sterbens-Gedancken) | 00:08:00 |
Heinrich Ignaz Franz Biber | ||
16 | Der Schutzengel als Begleiter des Menschen C 105 für Violine solo (Passacaglia) | 00:08:42 |
Johann Sebastian Bach | ||
17 | Triosonate G-Dur BWV 1038 für Violine, Viola und basso continuo | 00:08:40 |
21 | Präludium und Fuge G-Dur BWV 550 | 00:07:28 |
Johann Pachelbel | ||
23 | Partie II c-Moll für 2 Violinen und B.c. (aus Musicalische Ergötzung) | 00:07:59 |
Interpreten der Einspielung
- Urban Strings (Instrumentalensemble)