Wolfgang Amadeus Mozart
Die verstellte Gärtnerin
cpo 555 386-2
3 CD • 3h 08min • 2017
06.02.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Andrew Parrot legt mit dem Münchner Rundfunkorchester in einem Live-Mitschnitt die wohl erste Einspielung der Verstellten Gärtnerin vor; der von Mozart im Jahre 1780 als Zweitfassung überarbeiteten und autorisierten deutschen Singspiel-Version seiner für München 1775 komponierten Semiseria La finta giardiniera. Somit kann man in diesem Jugendwerk einen Vorläufer zu Entführung und Zauberflöte sehen und sich auf Spurensuche begeben.
Es fängt tragisch an – doch mit Happy End
Der Ausgangspunkt der Handlung ist heutzutage wegen Gewalt in einer Beziehung ausgesprochen problematisch. Glaubt doch Graf Belfiore, er habe seine Geliebte Gräfin Onesti in einem Eifersuchtsanfall erstochen. Diese verdingt sich jedoch, als sie hörte, dass Belfiore Arminda, die Tochter des Bürgermeisters Don Anchise, zu ehelichen gedenkt, als Gärtnerin bei ebendiesem Bürgermeister, um die Situation zu beobachten. Nach diversen Verwirrungen finden neben Graf und Gräfin auch Don Ramiro und die Bürgermeisterstochter sowie das Dienerpaar Serpetta-Nardo zueinander. Das dürfte der „Emma“ wohl heftigst missfallen.
Musikalisch bot das Libretto dem jungen Komponisten die Möglichkeit, seine stilistische Vielseitigkeit zu demonstrieren. Das Grafenpaar agiert mit dem Koloraturenprunk der Opera seria, darin Konstanze und Belmonte verwandt. Die emanzipiert-eifersüchtige Tochter des Bürgermeisters ist eine durchaus zickige Charakterrolle, der Bürgermeister mit seiner Aufgeblasenheit ein Urahn Van Betts in Zar und Zimmermann, das Dienerpaar eine Vorwegnahme von Blondchen und Pedrillo gerade auch in den witzigen Wortgefechten der Dialoge, die allerdings durch pfiffige Modernisierung vom Text der Neuen Mozart-Ausgabe abweichen.
Muntere Interpretation
Sandrine Piau, bei der bewundernswert ist, wie gut sie sich in den deutschen Dialogen schlägt, und Julian Prégardien glänzen als „hohes Paar“ mit erfülltem Mozart-Gesang, edler Tongebung und improvisierter Ornamentik. Olivia Vermeulen als Don Ramiro ist mit ihrem eher hellen Mezzo für die Hosenrolle nicht ganz optimal besetzt, singt dafür aber ausgezeichnet auf edler Linie. Susanne Bernhard und Wolfgang Ablinger-Sperrhacke charakterisieren scharf, geben jedoch in der Liveatmosphäre dem Affen ein wenig zu viel Zucker, was zu teilweise unschönen Spitzentönen führt, die man im 18. Jahrhundert eher nicht goutiert hätte. Lydia Teuscher als Serpetta ist mit ihrem süßen, glockigen, höchst attraktiv timbrierten Sopran die Entdeckung der Aufnahme. Michael Kupfer-Radecky ist hauptsächlich damit beschäftigt, seinen Wotan-Bassbariton klein zu halten, was zulasten von Textverständlichkeit und Klangschönheit geht. Auch liegt ihm die hohe Tessitura der Partie, die keine Möglichkeit bietet, in tieferer Lage ein wenig zu entspannen, hörbar unbequem.
Hinsichtlich der Versiertheit in historischer Aufführungspraxis ist Andrew Parrot bei den Sängern offensichtlich von zu hohen Voraussetzungen ausgegangen. Da fehlt es recht häufig an zusätzlichen Vorhalten und improvisierten Ornamenten. Da das Orchester in kleiner Besetzung stilistisch vorbildlich agiert, möchte man beinah Absicht vermuten, da je einfacher der Stand, desto weniger ornamentiert wird. Zudem ist Improvisation in einer Live-Situation selbstverständlich immer eine Gefahrenquelle.
Aufnahmetechnik und Booklet-Text geben zu keiner Kritik Anlass.
Fazit: Einzige Aufnahme der „Gärtnerin“ in der seinerzeit durchaus erfolgreichen deutschen Singspielfassung. Mozart-Freunde und am Übergang zwischen Galantem Stil und Hochklassik Interessierte, sowie der Aufheiterung Bedürftige können hier getrost zugreifen.
Thomas Baack [06.02.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Wolfgang Amadeus Mozart | ||
1 | Die verstellte Gärtnerin KV 196 (Deutsche Singspielfassung des Dramma giocoso La finta giardiniera) | 03:08:07 |
Interpreten der Einspielung
- Sandrine Piau (Violante Onesti, alias Sandrina - Sopran)
- Susanne Bernhard (Arminda - Sopran)
- Lydia Teuscher (Serpetta - Sopran)
- Olivia Vermeulen (Ramiro - Mezzosopran)
- Julian Prégardien (Belfiore - Tenor)
- Wolfgang Ablinger-Sperrhacke (Don Anchise - Tenor)
- Michael Kupfer-Radecky (Roberto - Bariton)
- Münchner Rundfunkorchester (Orchester)
- Andrew Parrott (Dirigent)