Auf jenen Höh'n
Gustav Mahler • Johannes Brahms • Frank Martin
MDG 908 2231-6
1 CD/SACD stereo • 62min • 2021
17.03.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Es hat mich seltsam berührt und ist wohl auch dieser bedrückenden Zeit geschuldet, dass sich zwei Künstler just zum Frühjahrsbeginn (des vergangenen Jahres) zusammengetan haben, um ein richtiges Totensonntag-Programm aufzunehmen. Und eben so seltsam, dass es ein Jahr später zur selben Zeit (in der man eher auf Uhlands und Schuberts Frühlingsglaube eingestimmt ist), von der produzierenden Firma auf den Markt gebracht wird. Der Tod und nichts als der Tod ist das Thema der hier versammelten Gesänge von Gustav Mahler, Frank Martin und Johannes Brahms. Dabei ist in Friedrich Rückerts Kindertotenlied Oft denk ich, sie sind nur ausgegangen die Zeile Der Tag ist schön auf jenen Höh’n, die den Titel des Albums inspiriert hat, immerhin die Hoffnung auf ein besseres Jenseits angelegt. Und der dritte Gesang von Brahms (nach Jesus Sirach) endet mit den Worten O Tod, wie wohl tust du, was aber wohlgemerkt nur für die Alten und Schwachen gilt.
Weniger ist manchmal mehr
Der Bassbariton Hanno Müller-Brachmann und der Pianist Hendrik Heilmann haben sich dieses Programms mit durchdringendem Ernst angenommen, wobei mir der Sänger fast etwas zu viel des Guten zu tun scheint. Denn er kultiviert, vor allem bei Mahler, ein expressionistisches O-Mensch-Pathos mit bedeutungsvollem Anschwellen der Stimme und verdoppelt dabei den meist schon in der Musik angelegten Ausdruck, versieht Text und Musik gleichsam mit dicken Ausrufezeichen, besonders auffallend gleich im ersten Titel Nun will die Sonn’ so hell aufgeh’n. Hendrik Heilmanns fantasievolle und sensible Begleitung, die im letzten Lied In diesem Wetter einen beängstigenden Sturmesfuror entfesselt, ist ein großes Plus der Aufnahme. Jedenfalls hinterlässt die Klavierfassung der Kindertotenlieder bei mir einen tieferen Eindruck als die ursprüngliche Orchesterfassung, die häufiger zu hören ist. Das Klavier geht da oft an die emotionale Schmerzgrenze, wo der Orchestersound eher beruhigt.
Überzeugend im dramatischen Vortrag
Eingerahmt zwischen Mahler und den Vier ernsten Gesängen von Brahms, wo sich der Sänger um einen goldenen Mittelweg zwischen Pathos und Reflektion zu bemühen scheint, stehen die Sechs Monologe aus Jedermann von Frank Martin. Ursprünglich wollte der Schweizer Komponist eine Oper auf diesen Text Hofmannsthals schreiben, doch dann begnügte er sich mit diesen Solo-Ausschnitten (die im Original teilweise Dialoge sind) und widmete sie dem Bariton Max Christmann, der ihn um einen Liederzyklus gebeten hatte. Die erste Version mit Klavierbegleitung entstand 1943, sechs Jahre später erstellte Martin eine Orchesterfassung, die häufiger aufgeführt wurde, unter anderem mit Dietrich Fischer-Dieskau unter der Leitung des Komponisten. Die Monologe sind echte dramatische Musik und kommen den stimmlichen Möglichkeiten und dem speziellen Vortragsstil Müller-Brachmanns sehr entgegen, er gibt hier, unterstützt durch die düster-markante Begleitung Heilmanns, packende Studien existentieller Angst, die bis zum schmerzlichen Aufschrei gehen.
Ekkehard Pluta [17.03.2022]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Gustav Mahler | ||
1 | Nun will die Sonn' so hell aufgeh'n (aus: Kindertotenlieder) | 00:05:54 |
2 | Nun seh' ich wohl, warum so dunkle Flammen (aus: Kindertotenlieder) | 00:04:20 |
3 | Wenn dein Mütterlein tritt zur Tür herein (aus: Kindertotenlieder) | 00:05:06 |
4 | Oft denk' ich, sie sind nur ausgegangen (aus: Kindertotenlieder) | 00:03:05 |
5 | In diesem Wetter, in diesem Braus (aus: Kindertotenlieder) | 00:06:51 |
Frank Martin | ||
6 | Ist alls zu End das Freudenmahl (aus: Sechs Monologe aus Jedermann) | 00:04:03 |
7 | Ach Gott, wie graust mir vor dem Tod (aus: Sechs Monologe aus Jedermann) | 00:03:44 |
8 | Ist, als wenn eins gerufen hätt (aus: Sechs Monologe aus Jedermann) | 00:02:23 |
9 | So wollt ich ganz zernichtet sein (aus: Sechs Monologe aus Jedermann) | 00:02:13 |
10 | Ja, ich glaub: solches hat er vollbracht (aus: Sechs Monologe aus Jedermann) | 00:02:23 |
11 | O ewiger Gott! O göttliches Gesicht (aus: Sechs Monologe aus Jedermann) | 00:03:54 |
Johannes Brahms | ||
12 | Denn es gehet dem Menschen op. 121 Nr. 1 (Prediger Salomo 3 - aus: Vier ernste Gesänge op. 121) | 00:03:35 |
13 | Ich wandte mich und sahe an op. 121 Nr. 2 (Prediger Salomo 4 - aus: Vier ernste Gesänge op. 121) | 00:04:04 |
14 | O Tod, o Tod, wie bitter bist du op. 121 Nr. 3 (Jesus Sirach 41 - aus: Vier ernste Gesänge op. 121) | 00:04:15 |
15 | Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete op. 121 Nr. 4 (1. Korinther 13 - aus: Vier ernste Gesänge op. 121) | 00:05:14 |
Interpreten der Einspielung
- Hanno Müller-Brachmann (Bassbariton)
- Hendrik Heilmann (Klavier)