Olga Reiser
Flute Tales
Solo Musica SM 375
1 CD • 56min • 2020
29.09.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Corona-Pandemie und ihre Einschränkungen hat etwas positiv befördert, nämlich die Tendenz von Musikerinnen und Musikern, sich mangels Ensembleoptionen ganz bewusst lange gehegten Solo-Wünschen zu widmen. Hinzu kommen Fördergelder, die solche Projekte gerade in diesen Zeiten noch einmal unterstützen. So hat sich auch die in Russland geborene Flöstistin aus Wiesbaden, Olga Reiser, im vergangenen Jahr dem Solorepertoire für ihr Instrument gewidmet und beim Label Solo Musica nun ihre CD „Flute Tales“ veröffentlicht. Die Flötistin, die ihre erste Ausbildung in Russland erhielt, ist als Solistin und Kammermusikerin zu erleben, wo sie vor allem im modernen Repertoire mit Spieltechniken wie Jazz, Beatbox flute, Improvisation, Multiphonics und Looping überzeugt. „Flute Tales“ ist eine sehr persönliche Einspielung, auf der sie Repertoire eingespielt hat, zu dem sie einen besonderen Bezug hat. So finden sich auf der CD sowohl Werke wie Debussys Syrinx, das wohl bekannteste Werk für Querflöte solo, Eugène Bozzas Image oder auch Honeggers Danse de la chèvre oder Paganinis Caprice Nr. 24, eine der wenigen Bearbeitungen, die auf der Aufnahme zu finden sind. Die Auswahl Reisers ist hier zwar gelungen, jedoch ist die Umsetzung nicht ganz so, wie man sie sich wünschen würde. Zwar brilliert Reiser zweifelsohne auf technischer Ebene, allerdings lässt die Klangschönheit leider bei dem eher ‚klassischen“ Repertoire zu wünschen übrig: Zu scharf ist Reisers Ansatz, zu hart die Blastechnik.
Ausflug ins Flötenrepertoire
Mit Piazzollas Tango-Etüde Nr. 3 ändert sich dies jedoch: Das sehr akzentuierte Spiel Reisers punktet an dieser Stelle. Nach Piazzolla befindet sie sich mit ihren Flötengeschichten in der Gegenwart und somit bei den zeitgenössischen Komponisten. Hier kann man so einige positive und teils auch sehr humorvolle Stücke entdecken, so beispielsweise mit Tilmann Dehnhards Wake up! für Piccoloflöte und Wecker. Das Werk, das laut Komponisten eigentlich entstand, um Flötisten beizubringen, rhythmisch zu spielen, hat einfach etwas. Hier scheint hinsichtlich ihrer Klangsprache Reiser auch wesentlich mehr zuhause zu sein als im älteren Repertoire. Ähnliches kann man auch von den weiteren Werken der Aufnahme sagen. In Ian Clarkes The Great Train Race macht die Flöte einen Zug nach, allerdings keinen modernen ICE, sondern eine alte Lokomotive. In der zweiten Komposition aus seiner Feder, Zoom tube fasziniert Reiser mit Multiphonics, Mikrointervallen, Whistle tones und weiteren komplexen Spieltechniken, die den Hörer fast vergessen lassen, dass all diese Klänge (nur) aus einer Querflöte kommen. Eine kleine Rarität ist auch mit Greg Pattilos Three Beats for Beatbox Flute zu hören. Das Beatboxing, bei dem mit der Zunge Schlagzeuggeräusche gemacht werden, ist nur bei der Querflöte möglich, da bei dieser das Instrument an den Mund gehalten, aber nicht in selbigen genommen wird. Eine sehr komplexe Technik, die ein absolut spannendes Klangerlebnis bringt. Ihre Arbeit mit der Loop Station kann man sich in Reisers Eigenkomposition For Dad anhören, auch das ein sehr gelungenes Stück. Mit ihrem letzten Stück bringt Olga Reiser zum Ende das klassische Repertoire mit den von ihr hervorragend beherrschten Techniken zusammen: Bachs Menuett Nr. 2 g-Moll erklingt zum Abschluss in einer Fassung für Flöte, Altquerflöte und Loop Station. Hier gelingt ihr, was sie sich laut Booklet wünscht: Eine musikalische Brücke zwischen den Zeiten.
Verena Düren [29.09.2021]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Claude Debussy | ||
1 | Syrinx L 129 | 00:03:00 |
Eugène Bozza | ||
2 | Image op. 38 für Flöte solo | 00:04:37 |
Arthur Honegger | ||
3 | Danse de la chèvre für Flöte solo | 00:03:49 |
Niccolò Paganini | ||
4 | Caprice Nr. 24 für Flöte solo | 00:05:22 |
Astor Piazzolla | ||
5 | Tango-Etude Nr. 3 für Flöte solo | 00:03:45 |
Tilmann Dehnhard | ||
6 | Wake Up! For Piccolo & Alarm Clock | 00:02:33 |
Ian Clarke | ||
7 | The Great Train Race für Flöte solo | 00:04:18 |
Greg Pattillo | ||
8 | Three Beats for Beatbox Flute | 00:06:08 |
Ian Clarke | ||
9 | Zoom Tube für Flöte solo | 00:04:14 |
Olga Reiser | ||
10 | For Dad für Altflöte und Loop Station | 00:07:28 |
Johann Sebastian Bach | ||
11 | Minuet Nr. 2 g-Moll BWV Anh 515 für Flöte, Altflöte und Loop Station | 00:10:43 |
Interpreten der Einspielung
- Olga Reiser (Flöte)