Boris Papandopulo
Works for Piano & Strings

cpo 555 106-2
1 CD • 78min • 2016
06.09.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Boris Papandopulo (1906–1991), eine der markantesten Figuren der kroatischen Musik seiner Generation, war ein enorm produktiver und vielseitiger Komponist, der mehrere Hundert Werke (ein großer Teil davon mehrsätzig!) geschrieben und dabei eine ausgesprochen breite stilistische Palette abgedeckt hat. Während sein Schaffen, speziell die Werke für und mit Chor, auf jugoslawischen Schallplatten und später einigen kroatischen CDs überblickshaft recht gut dokumentiert ist, ist es außerhalb des ehemaligen Jugoslawiens vor allem das Label cpo, das sich in den letzten Jahren für seine Musik eingesetzt hat. Die vorliegende CD ist bereits die vierte, und erstmals steht Kammermusik (für Klavier und Streicher) auf dem Programm. Dankenswerterweise sind die fünf Stücke so gewählt, dass sie einen Zeitraum von nicht weniger als 55 Jahren umfassen, wodurch sie wenigstens ansatzweise eine Reihe von Entwicklungen in Papandopulos Stil abbilden.
Frühe und mittlere Werke
Das früheste Werk ist das Concertino in modo antico für zwei Violinen, Cello und Klavier aus dem Jahre 1935, zugleich ein exzellentes Beispiel für Papandopulos neoklassizistische (bzw. neobarocke) Seite, sehr effektvoll, voller Vitalität und musikantischer Spielfreude, insofern das Zweite Klavierkonzert antizipierend. Ähnlich, aber mit deutlicherer folkloristischer, insbesondere orientalischer Prägung und reichlich Ornamentik und Melismatik speziell in der einleitenden Introduzione gestaltet sich die Rapsodia Concertante für Cello und Klavier, die etwa vier Dekaden später entstandene Revision eines Werks aus dem Jahr 1938. Die Fantasie für Violine und Klavier repräsentiert die Nachkriegsjahre; vielleicht ist der neoromantisch-passionierte Ton, der dieses dreisätzige Werk von Beginn an beherrscht, tatsächlich ein Tribut an den Sozialistischen Realismus, aber andererseits standen Papandopulo auch zuvor schon romantische Tendenzen sicher nicht fern.
Folkloristisch geprägter Neoklassizismus
In etwa ab Mitte der 1950er Jahre bezog Papandopulo auch zahlreiche andere Einflüsse in sein Schaffen mit ein wie Jazz- und Popmusik, aber auch (gemäßigt) avantgardistische Tendenzen. Nicht alles davon findet sich auf dieser CD wieder, aber tatsächlich ist das Lyrische Trio von 1982 stilistisch heterogener als die früheren Werke und verwendet etwa im Mittelsatz Dodekaphonie; besonders gelungen erscheint hier indes das folkloristisch geprägte Finale, das einmal mehr nahelegt, dass bei aller stilistischen Vielfalt ein folkloristisch getönter Neoklassizismus wohl das Idiom war, in dem Papandopulo am meisten zu Hause war und zu dem er nicht umsonst immer wieder zurückkehrte. Bei den Drei musikalischen Sätze für Orlando für Klaviertrio (1990) schließlich handelt es sich um Papandopulos letztes Werk überhaupt. Hier beherrschen Reduktion, Sparsamkeit in der Wahl der Mittel und mitunter scharfe Kontraste die Musik. Herzstück ist sicherlich der verhaltene und doch expressive Mittelsatz, aber auch das Finale illustriert einige der besagten Punkte recht eindrücklich: überwiegend auf ganz einfachem musikalischem Material wie stilisierten Dreierrhythmen und Skalen aufgebaut, wird die Szenerie kurz vor Schluss urplötzlich mit einigen energischen Gesten auf den Kopf gestellt, und der eigentlich in d-moll stehende Satz endet mit pompöser As-Dur-Akkordik. Dies alles ist auf gerade einmal zwei Minuten kondensiert, und die Stimmung kippt innerhalb von kaum zehn Sekunden!
Engagierte Interpreten
Die Interpretationen bewegen sich auf einem insgesamt soliden bis partiell sehr guten Niveau. Besonders überzeugend gelingen dem Ensemble rund um den Pianisten Oliver Triendl die schnellen, motorisch geprägten und unmittelbar kommunikativen Abschnitte, prächtig etwa die toccatenhaften, temperamentvollen Ecksätze des Concertinos. In manchen langsameren (wie den quasi-improvisatorischen Melismen der Rapsodia Concertante) oder abstrakteren Passagen (Drei musikalische Sätze für Orlando) müssten die melodischen Linien allerdings differenzierter und (dadurch) spannungsvoller herausgearbeitet werden. So bleibt hier der Eindruck einer sicherlich ordentlichen Lesart, die das expressive Potential der Musik aber nicht voll ausreizt. Der Klang der Aufnahmen ist gut, die Streicher klingen aber hier und da etwas matt und könnten mehr Präsenz vertragen. Außerordentlich informativ ist einmal mehr das von Davor Merkaš verfasste Beiheft, das neben einer detaillierten Diskussion der auf dieser CD versammelten Werke auch mit einer umfassenden Einordnung von Papandopulos Tonsprache aufwartet. Insgesamt eine gerade angesichts der Auswahl des Repertoires sehr interessante neue Folge der Papandopulo-Serie von cpo.
Holger Sambale [06.09.2021]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Boris Papandopulo | ||
1 | Concertino in modo antico op. 56 | 00:15:43 |
4 | Fantasy für Violine und Klavier | 00:18:35 |
7 | Lyrical Trio für Violine, Violoncello und Klavier | 00:16:22 |
10 | Rapsodia Concertante für Violoncello und Klavier | 00:13:35 |
13 | Three Musical Movements for Orlando für Klaviertrio | 00:13:20 |
Interpreten der Einspielung
- Oliver Triendl (Klavier)
- Amaury Coeytaux (Violine)
- Vanessa Szigeti (Violine)
- Andrei Ionitā (Violoncello)