Jean-Philippe Rameau
Pigmalion • Dardanus
Suites & Arias
cpo 555 156-2
1 CD • 64min • 2017
17.08.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Was unterschied die französische Oper eines Jean Philippe Rameau um 1740 von der italienischen? Zunächst einmal der erhebliche Anteil getanzter Szenen, die den französischen Werken durchaus etwas vom Charakter einer Revue verleihen können. Diese wurden entweder rein instrumental begleitet oder dienten der simultanen Verdeutlichung eines gesungenen Textes. Somit sind häufig die Arien textierte Tanzsätze, die ansatzlos in verbindende rezitativische Abschnitte übergehen können. Der Ursprung für diese Setzweise liegt in der Zeit des tanzwütigen Sonnenkönigs, dessen Vorlieben den Stil Jean Baptiste Lullys entscheidend beeinflussten. Sie blieb für Frankreich nahezu bis gegen 1760 verbindlich und beeinflusste Christoph Willibald Gluck in erheblichem Maße und mündeten schließlich in das „Gesamtkunstwerk“ Richard Wagners. Jean Philippe Rameau bildet hier also ein Bindeglied zwischen Barock und Romantik. Quasi als Nebenprodukt entstand die Orchestersuite aus der Ouvertüre und ausgewählten Tanzsätzen aktuell populärer Werke. Dies legitimiert auch die von Michi Gaigg und dem L’Orfeo Barockorchester in dieser Aufnahme angewandte Praxis von Querschnitten aus den Opern Pigmalion und Dardanus.
Der Haute-Contre ist kein Countertenor
Beide Titelpartien wurden für einen typisch französischen Stimmtypus, den Haute-Contre entworfen, der keinesfalls mit dem Countertenor verwechselt werden sollte. Countertenöre sind meist (Bass)-Baritone, die die Altlage im Falsett erzeugen. Haute-Contres sind hingegen hohe Tenöre, deren Partien im Alt-Schlüssel notiert werden. Höchster Ton ist hier das notierte „hohe D“ des Postillions von Longjumeau, das allerdings aufgrund der tiefen französischen Opernstimmung ein c2 bei 440 Hz. ist.
Anders Dablin meistert die hohe Tessitur mit Eleganz und Bravour. Er führt seine Stimme in den teilweise halsbrecherischen Koloraturen souverän und ist jederzeit in der Lage, auch die kniffligsten Triller – die in diesem Repertoire nicht nur kadenzierend gefordert werden – Ports de Voix (Vorhalt) Coulés (Schleifer) und Pincés (Mordent) in die Linie einzubetten.
Brillante Bläser
Rameau schreibt in beiden Werken den Flöten, Piccolos – hier hätte man gern erfahren, ob Flageolets in G oder wirklich Piccolo-Traversen eingesetzt wurden – Oboen und Fagotte ausgesprochen virtuose Passagen in die Partitur, auch das ein Charakteristikum französischen Stils. Diese werden von den L’Orfeo-Bläsern phantastisch präzise und tänzerisch ausgeführt. So gute Barockbläser findet man selten! Michi Gaigg wählt moussierende, temperament- und charaktervolle Tempi. Die Phrasierung erfasst endlich einmal das zweitaktige Leicht-schwer in Sarabanden und Menuetten. So geht das direkt in die Beine!
Klangtechnisch gibt es nicht das Geringste auszusetzen. Allerdings hätten es Instrumentalisten und Instrumente verdient gehabt, im ansonsten informativen Booklet detailliert aufgeführt zu werden. Ich konnte mich aber nicht entschließen, deswegen einen Bewertungspunkt abzuziehen.
Fazit: Eine der besten Einspielungen französischer Barockmusik. Eine Werbung für den Opernkomponisten Rameau, der dem breiten Publikum zumeist nur als Tastenmeister im Bewusstsein ist. Unbedingte Empfehlung!
Thomas Baack [17.08.2020]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Jean-Philippe Rameau | ||
1 | Pigmalion (Acte-de-ballet, Suite) | 00:25:59 |
10 | Dardanus (Tragédie en musique) | 00:37:34 |
Interpreten der Einspielung
- Anders J. Dahlin (Countertenor)
- L'Orfeo Barockorchester Linz (Orchester)
- Michi Gaigg (Dirigentin)