Emil Nikolaus von Reznicek
Symphonische Suite No. 1 • Traumspiel-Suite • Karneval-Suite
cpo 555 056-2
1 CD • 69min • 2012
20.02.2019
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der neueste Zuwachs der „Reznicek-Edition“ von cpo umfasst drei Orchestersuiten, die binnen eines halben Jahrhunderts entstanden sind. Er zeigt uns Emil Nikolaus von Reznicek als stilistisches Chamäleon. Das jüngste Werk, die Karneval-Suite von 1931/1935, präsentiert sich als die konservativste des Trios, da es sich als eine perfekte Imitation eines Werks der Lully-Zeit gibt, dem einzig zum barocken Standardinstrumentarium zwei Klarinetten hinzugefügt wurden. Ursprünglich als Maskentreiben-Intermezzo für die Oper Der Gondoliere des Dogen entworfen, deren Handlung eine ungefähre Adaption des von Puccini vertonten Tabarro-Stoffs auf das Venedig um 1740 ist, hätte die Suite auch durchaus einem der Münchner Künstlerfaschingsfeste unter dem Motto „Am Hofe des Sonnenkönigs“ als pompöser Auftakt dienen können. Es handelt sich also eher um einen Nachzügler der Suiten im alten Stil à la Griegs Holberg als um eine Neo-Barock-Verfremdung in der Art von Ravels Tombeau de Couperin oder Strawinskys Pulcinella.
Harmonisch wesentlich avancierter gibt sich die Traumspiel-Suite (1915/21) mit expressionistisch bitonalen Effekten. Ursprünglich als Bühnenmusik zum gleichnamigen symbolistisch-nihilistischen Stationendrama August Strindbergs in solistischer Besetzung gedacht, lässt Reznicek eine Vergrößerung des Streicherapparats zu, die aber die Transparenz nicht beeinträchtigen sollte.
Das älteste Werk der Trias, die Symphonische Suite Nr. 1 in e-moll entstand 1882 als Abschlussarbeit von Rezniceks Kompositionsstudium bei Carl Reinecke und Salomon Jadassohn am Leipziger Konservatorium. Wohl ursprünglich als Sinfonie mit zwei langsamen Sätzen konzipiert – ein bei der Uraufführung noch vorhandener Trauermarsch wurde in der Druckfassung weggelassen und ist seitdem verschollen – wurde das Werk auf Anweisung der Kompositionslehrer wegen des Scherzo-Finales in Suite umbenannt. Im Kopfsatz erfordert das Werk aufgrund der Vortragsanweisungen die von „Gehalten und großartig“ bis zu „Immer wilder“ reichen, ein hohes Maß an Tempoflexibilität. Im Mittelsatz wollen die Kontraste ausgespielt sein, während sich das düstere Scherzo-Finale einheitlicher gibt.
Leider kann die Interpretation der Weimarer Staatskapelle unter Stefan Solyom nicht überzeugen, da in der Symphonischen Suite Haupt- und Nebenstimmen zu wenig differenziert und die agogischen Impulse zu zaghaft umgesetzt werden, was die von Reznicek intendierte Dramatik zu „Harmoniefolgen auf der Suche nach einem Thema“ verfäscht. Im Mittelsatz stimmt die Temporelation des Anfangs (3/4) nicht mit dessen figurierter Wiederaufnahme (9/8) am Satzende überein, so dass die Triolenachtel am Schluss ungefähr den Anfangsvierteln entsprechen, was kaum gemeint sein kann. Ähnliches geschieht auch in der Karneval-Suite, wo die Gigue (Allegretto auf punktierte Viertel) im Tempo eines Passepieds und das Passepied (Allegro auf Achtel) im Gigue-Tempo musiziert wird.
In die Satzübersicht des Booklets, das ansonsten mit einer sehr kenntnisreichen Einführung aufwartet, haben sich ein paar Ungenauigkeiten bei der Karneval Suite eingeschlichen: Laut Partitur: 1. Marsch, 2. Introduktion (Pantalon u. Columbine), 5. (Tempo di) Passepied (Allegro), 7. Zigeunermarsch
Das Klangbild ist mulmig und unterschlägt raffinierte Details der Instrumentation wie die die sul-ponticello-Tremoli der geteilten und gedämpften Violen im Adagio der Symphonischen Suite. Fazit: Zum Kennenlernen der Werke ausreichend, aber nur für Reznicek-Fans obligatorisch.
Thomas Baack [20.02.2019]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Emil Nikolaus Reznicek | ||
1 | Karneval-Suite im alten Stil | 00:14:05 |
8 | Traumspiel-Suite | 00:26:27 |
14 | Sinfonische Suite Nr. 1 e-Moll | 00:28:20 |
Interpreten der Einspielung
- Staatskapelle Weimar (Orchester)
- Stefan Solyom (Dirigent)