cpo 777 739-2
2 CD • 1h 57min • 2011
18.05.2015
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Heute begegnet man den Opern des Deutsch-Italieners Ermanno Wolf-Ferrari (1876-1948) kaum noch auf den deutschen Spielplänen, auf denen sie bis in die 1960er Jahre hinein einen festen Platz hatten. In ihrem geschmackvollen Klassizismus, der – anders als bei seinem Zeitgenossen Igor Strawinsky - von keinen avantgardistischen Ambitionen berührt scheint, wirken sie heute ein bisschen aus der Zeit gefallen, während sie bei ihrem ersten Erscheinen als eine Medizin gleichermaßen gegen den Wagnerismus wie den Verismus begrüßt und gepriesen wurden. Mit Le donne curiose erlebte der vorher kaum erfolgreiche gebürtige Venezianer seinen Durchbruch auf der Opernbühne. Allerdings wurde diese erste von mehreren Adaptionen einer Komödie Carlo Goldonis nicht, wie geplant, in seiner Heimatstadt uraufgeführt, sondern in einer deutschen Übersetzung 1903 im Cuvilliéstheater in München. Auch die Erstaufführung der ursprünglichen italienischen Fassung fand nicht in Italien, sondern erst 1912 an der Metropolitan Opera statt. Arturo Toscanini dirigierte, der große Bariton Antonio Scotti sang den Arlecchino, die Stars Geraldine Farrar und Hermann Jadlowker waren für das Liebespaar aufgeboten. Beide haben später Ausschnitte aus dieser Oper auf Schallplatten aufgenommen, von der Ouvertüre existiert eine Aufnahme unter Toscanini.
Le donne curiose (1753) war ein erster prominenter Versuch Goldonis, das alte Masken- und Stegreiftheater durch eine moderne Charakter- und Sittenkomödie zu ersetzen. Nur Arlecchino und Colombina bringen noch die alte Tradition ins Spiel. In I rusteghi (1760) wird dieser Ansatz weitergeführt. Auch bei Wolf-Ferrari, dessen Librettist sich sehr eng an die Vorlage anlehnt, sind Die neugierigen Frauen als eine Vorstudie zu Die vier Grobiane (1906) zu sehen, die ihre Uraufführung ebenfalls in München erlebten. Die Handlung ist ziemlich simpel und eigentlich nicht ganz abendfüllend. Einige Männer haben sich zu einem Club zusammengeschlossen, in dem Frauen keinen Zugang haben sollen. Deren Neugier, um nicht zu sagen Argwohn, ist damit prompt geweckt. Drei Akte lang werden Intrigen gesponnen und Schlüssel ausgetauscht, doch am Ende stellt sich heraus, dass die Herren nur in Ruhe schlemmen wollten. Ein Sturm im Wasserglas also wie später in Wolf-Ferraris Einakter Susannes Geheimnis, wo das unschuldige Laster der Hausherrin, die heimliche Zigarette, beinahe zu einem ehelichen Eifersuchtsdrama führt.
Wolf-Ferrari hat für solche Petitessen ein geschicktes Händchen gehabt. Schon in den Neugierigen Frauen entzücken das leichtfüßige Parlando und die an großen Vorbildern geschulte Kunst der Ensembles; dabei schafft der Komponist innerhalb der durchkomponierten Form, in der die Handlung stetig fortschreitet oder besser -tänzelt, kleine lyrische Inseln, die beinahe Nummern-Charakter haben. Die Vier Grobiane enthalten zwar mehr eingängige Melodien, aber auch in diesem Vorgänger-Stück wird der Hörer über zwei Spielstunden hinweg gefällig bedient.
Die im Prinzregententheater aufgenommene Produktion des BR, die cpo jetzt vorlegt, füllt eine Lücke im Katalog, auch wenn zwei ältere Aufnahmen (SDR 1950, Venedig 1968) zumindest antiquarisch noch greifbar sind. Das Münchner Rundfunkorchester findet unter Ulf Schirmers Leitung den richtigen Zugang zu Wolf-Ferraris Delikatesse, wobei sich das mediterrane Flair mit bodenständig-deutschem Humor verbindet. Die Sänger bilden ein homogenes Ensemble, aus dem keiner der Solisten bemerkenswert heraussticht. Etwas schmal nimmt sich der Tenor Andreas Weller, ein renommierter Evangelist, in der Partie des Florindo aus, während Jürgen Linn (Ottavio), Hans Christoph Begemann (Arlecchino), aber auch Violetta Radomirska ((Eleonora) und Viktorija Kaminskaite (Colombina) erkennen lassen, dass sie sonst Rollen von schwererem Kaliber singen.
Das Booklet enthält einen informativen Essay über das Werk und den Komponisten und das komplette deutsche Textbuch. Die Künstlerbiographien sind dagegen unvollständig, über einige der Protagonisten muß man sich im Internet kundig machen.
Ekkehard Pluta [18.05.2015]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ermanno Wolf Ferrari | ||
1 | Die neugierigen Frauen (Musikalische Komödie in drei Aufzügen nach Carlo Goldoni) | 01:17:09 |
Interpreten der Einspielung
- Agnete Rasmussen (Rosaura - Sopran)
- Viktorija Kaminskaite (Colombina - Sopran)
- Violetta Radomirska (Eleonora - Sopran)
- Kathrin Göring (Beatrice - Mezzosopran)
- Andreas Weller (Florindo - Tenor)
- Jörg Schörner (Leandro - Tenor)
- Kay Stiefermann (Pantalone - Bariton)
- Peter Schöne (Lelio - Bariton)
- Jürgen Linn (Ottavio - Baß)
- Hans Christoph Begemann (Arlecchino - Baß)
- Mitglieder des Madrigalchores der Hochschule für Musik und Theater München (Chor)
- Münchner Rundfunkorchester (Orchester)
- Ulf Schirmer (Dirigent)