Dmitry Shostakovich
Symphony No. 5
SWRmusic 93.326
1 CD • 50min • 2011
23.09.2014
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Dass diese Folge des im Entstehen begriffenen Schostakowitsch-Zyklus des SWR-Radio-Sinfonieorchesters unter Andrey Boreyko so klangschön ausgefallen ist, ist angesichts des eingespielten Werkes durchaus eine Nachricht wert. Wie kaum einer anderen Sinfonie Schostakowitschs ist der fünften Sinfonie d-Moll op. 47 ihre Entstehungsgeschichte eingeschrieben; die Umstände der Komposition sowie der Uraufführung waren für den Komponisten bekanntlich lebensgefährlich. Das Finale geriet Schostakowitsch zu einem künstlerischen Triumph, erfüllte er doch einerseits die offiziellen Vorgaben und drückte andererseits dennoch im erzwungenen Jubel des Finales für alle verständlich Angst und Anklage aus. Es ist angesichts dieser Lage deshalb auch zweischneidig, den letzten Satz mit übertriebener Brutalität zu realisieren, wie es oft geschieht: Auch, wenn solche Effekte Erfolg haben, wird doch gerade damit jene Gewaltausübung gefeiert, welche die Musik selbst als so unmenschlich anprangert.
Die fünfte Sinfonie ist eines der meistgespielten Werke Schostakowitschs, und inmitten der vielen Vergleichsmöglichkeiten ist dieser Stuttgarter Konzertmitschnitt von 2011 nicht in allen Momenten der eindrucksvollste. Manche Passagen sind anderswo prägnanter vorgestellt worden. Die Stelle im Kopfsatz zu Beginn der großen Steigerung etwa, wenn das tiefe Klavier schwere Akzente setzt und die Hörner bedrohlich in die Tiefe steigen, entwickelt nicht die volle Bildlichkeit; da haben andere Dirigenten (Bernstein, der späte Solti, übrigens auch Yoel Levi mit dem Atlanta Symphony Orchestra) stärkere rhythmische, klangliche und vor allem quasi theatralische Macht erreicht. Der gebürtige St. Petersburger Boreyko verzichtet denn auch konsequent darauf, die Zirkusgroteske, in welche die Durchführung geradezu abrutscht, allzu grell zu überspitzen. Auch den Beginn des Allegretto-Scherzos hatte Mariss Jansons kürzlich in einer Aufführung mit dem BR-Symphonieorchester ungleich mitreißender gestaltet, mit massiven Kontrabässen, welche die einzelnen Töne unerbittlich in den Boden rammten; Boreyko und das SWR-Symphonieorchester agieren tänzerischer, leichter, aber auch weniger existentialistisch.
Wenn man aber mitbedenkt, dass auch dieses von Angst und Anklage durchzogene Werk nach allem ein künstlerisches ist, und die Gewalt und Gewalthaftigkeit ja auch kein bloßer Effekt sein soll, erweist sich Boreykos Mäßigung als durchaus angemessen. Die Strategie der Abdämpfung der grellsten Effekte ergänzt er auf überzeugende Weise durch die bemerkenswerte Klangschönheit des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR. Schon zu Beginn zeichnen die Streicher eher weiche, in sich lebendige Linien, nicht nur holzschnittartige, es fehlt vielleicht die letzte Schärfung der Punktierung. Doch die Coda des Kopfsatzes wird geradezu magisch ausgeleuchtet. Selbst die karikativen Passagen des Kopfsatzes, des Allegrettos und des Finales gleiten nicht ins Grobe oder Unmusikalische ab; bemerkenswert ist hierbei präzise Dosierung des Schlagwerks, das selbst in den Zusammenbrüchen des Kopfsatzes nicht die übrigen Instrumente überdeckt. So bietet diese hörenswerte Einspielung, wenngleich sie nicht direkt Maßstäbe setzt, eine komplexe Interpretation und gleichermaßen ein gutes Dokument der hohen klanglichen Qualität des Stuttgarter Orchesters.
Prof. Michael B. Weiß [23.09.2014]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Dimitri Schostakowitsch | ||
1 | Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 47 | 00:50:07 |
Interpreten der Einspielung
- Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR (Orchester)
- Andrey Boreyko (Dirigent)