Kavakos
Brahms

Decca 478 5342
1 CD • 10min • 2013
12.11.2013
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Dass der dunkel grundierte, erdige Klang des Leipziger Gewandhausorchesters hervorragend mit der Tonsprache von Johannes Brahms harmoniert, dürfte keine Überraschung darstellen. Dennoch ist diese Neueinspielung des Brahms’schen Violinkonzerts weit entfernt von jener pastosen, leicht dicklichen Physiognomie, wie sie Interpretationen dieser Musik gelegentlich noch immer prägt. Wie schon in seiner Gesamtaufnahme der Beethoven-Sinfonien mit dem Gewandhausorchester gelingt es Ricardo Chailly, die Wärme des Orchesterklangs mit größtmöglicher Transparenz und glasklarer Artikulation zu verbinden – was eine vorbildliche Rubato-Kultur keineswegs ausschließt.
Zum anfänglich eher zurückhaltenden Gestus des Werks wie auch von Chaillys Dirigat passt die Interpretation des Solisten: Leonidas Kavakos stellt seine Virtuosität wie auch sein bewunderungswürdiges Stilempfinden stets in den Dienst der Struktur der Komposition, hält sich bisweilen beinahe bis zur Selbstverleugnung zurück, wo dies angebracht ist, zeigt aber ebenso kräftigen Zugriff – und dies nicht nur in der explizit ungarisch geprägten Fröhlichkeit des Finalsatzes. Seine ganz natürlich atmende Phrasierung vermag ebenso zu begeistern wie seine sehr sensible Gestaltung des Vibratos. Gemeinsam mit Dirigent und Orchester gelingt ihm eine zwar keineswegs leichtgewichtige, doch durchaus entspannte und unangestrengte Deutung des Werks – und dies bei durchweg eher gemessenen Tempi, die sich, wie im Beiheft vermerkt ist, an den Metronomaufzeichnungen Joseph Joachims orientieren, der, mit dem Komponisten am Pult, die Uraufführung im Leipziger Gewandhaus bestritt.
Die „Zugaben“ führen, über das Finale des Violinkonzerts hinaus, weiter nach Ungarn – einerseits in Form der Bearbeitung einiger Brahms’scher Ungarischer Tänze, die Joseph Joachim für Violine und Klavier anfertigte, andererseits in Béla Bartóks beiden Rhapsodien, hier eingespielt in der Fassung mit Klavierbegleitung. Hier überrascht es ein wenig, dass Kavakos in Bartóks Stilisierung der „echten“ ungarischen Folklore wesentlich vorsichtiger – darf man schreiben: intellektueller? – zu Werke geht als in Brahms’ Anverwandlung ungarischer Kaffeehausklänge. Die Rhapsodien hat man schon zupackender, risikofreudiger, auch musikantischer vernommen (etwa von Barnabas Kelemen und Zoltán Kocsis bei Hungaraton), hingegen setzen die Ungarischen Tänze in Kavakos’ Interpretation einen befreiten, temperamentvollen und einfach mitreißenden Schlusspunkt unter diese durchweg empfehlenswerte CD.
Thomas Schulz [12.11.2013]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johannes Brahms | ||
1 | Konzert D-Dur op. 77 für Violine und Orchester | 00:41:34 |
Béla Bartók | ||
4 | Rhapsodie Nr. 1 Sz 86 für Violine und Klavier | 00:09:30 |
6 | Rhapsodie Nr. 2 Sz 89 für Violine und Klavier | 00:10:02 |
Johannes Brahms | ||
8 | Ungarischer Tanz No. 1 g minor – Allegro molto | 00:03:12 |
9 | Ungarischer Tanz No. 2 d minor – Allegro non assai | 00:03:15 |
10 | Ungarischer Tanz No. 6 D major – Vivace | 00:03:25 |
11 | Ungarischer Tanz No. 11 d minor for Orchestra – Poco andante | 00:03:19 |
Interpreten der Einspielung
- Leonidas Kavakos (Violine)
- Péter Nagy (Klavier)
- Gewandhausorchester Leipzig (Orchester)
- Riccardo Chailly (Dirigent)