Dazu gehört Courage: Ein ganzes Programm aus Übertragungen von Werken zu bestreiten, die nicht für das eigene Instrument geschrieben wurden. Céleste-Marie Roy hat es gewagt: Sie bietet Kompositionen für Flöte auf dem Fagott dar und spannt darüber hinaus noch einen weiten zeitlichen Rahmen vom Spätbarock J. S. Bachs über den für die frühe Klassik prägenden Stil seines Sohnes Carl Philipp Emanuel bis zum Zeitalter der Romantik, das hier von Friedrich Kuhlau (1786-1832) verkörpert wird. Ein mutiges Vorhaben, nicht nur die instrumentale Stimme von der Flöte auf das Fagott zu übertragen, sondern dabei auch ein musikalisches Jahrhundert zu umspannen, das zu Friedrich Kuhlaus Lebzeiten in den letzten hundert Jahren – ganz ähnlich zur politischen Geschichte – einen radikalen Wechsel vollzogen hatte.
„Ich werde nie eine Symphonie komponieren! Du hast keinen Begriff davon, wie es unsereinem zu Mute ist, wenn er immer so einen Riesen hinter sich marschieren hört“, schrieb bekanntlich Johannes Brahms. Den britischen Komponisten des frühen 19. Jahrhunderts – einer Zeit exzessiven Imports von Musik und Musikern aus Kontinentaleuropa – dürfte es ähnlich gegangen sein. Für sie hieß der Riese Haydn, Beethoven, von dem Brahms sprach, kam freilich später ebenfalls hinzu. Aber wie Brahms schließlich doch noch vier Symphonien komponierte, so gab es auch im Vereinigten Königreich der 1810er Jahre einen Komponisten, der den Bann brach, sich in London als Autor anspruchsvoller Orchesterwerke etablieren konnte und als Lehrer namhafter Schüler eine Tradition britischer Symphonik begründete: Cipriani Potter.
Thomas Reiner, der aus Baden-Württemberg stammt, verliebte sich als Zwölfjähriger in die Trompete. Damals erlebte er den legendären Maurice André im Konzert. Längst hat Thomas Reiner selbst eine erfolgreiche Karriere als Trompeter vorzuweisen. Inzwischen legt er sein fünftes Album für das Label Naxos vor. Die „Italian Baroque Trumpet Concertos“ knüpfen an seine vielgelobte Aufnahme mit deutschen Barocktrompetenkonzerten an, die vor zwei Jahren auf den Markt kam. Mit dabei sind abermals die Interpreti Veneziani, die ansonsten allabendlich in Venedigs Kirche San Vidal die Touristen mit Vivaldi-Aufführungen beglücken.
Erinnerungen an das Goldene Zeitalter der seinerzeit in zwei Jahrzehnten gereiften historisch informierten Aufführungspraxis ruft diese CD den Freunden der Alten Musik ins Gedächtnis. Denn hier erscheint eine Aufnahme von Neuem, mit der seinerzeit ein erstrangiges Ensemble Literatur vorstellte, die nach Jahrhunderten der Vergessenheit entrissen wurde: Das erste Madrigalbuch von Johann Grabbe (1585-1655) – er teilt nicht unverdient sein Geburtsjahr mit Heinrich Schütz – wurde 1985 eingespielt; jetzt kommt eine Neuauflage auf CD: Sie bedeutet die Würdigung des diesjährigen 80. Geburtstags von Anthony Rooley, der mit seinem Consort of Musicke seinerzeit diese noch noch auf dem damaligen Leitmedium der Schallplatte erschienene Einspielung aufgenommen hat.
Allenthalben wird Messiah bzw. Der Messias von Georg Friedrich Händel auf englisch gesungen, weil er in dieser Sprache komponiert worden ist. In Deutschland natürlich auch oft in deutscher Sprache. Aber in Italienisch? Mit „Il Messia. Florence Version 1768“ ist diese vorliegende Aufnahme betitelt: In Florenz im Palazzo Pitti fand am 6. August 1768 die erste Aufführung dieses Oratoriums auf dem europäischen Festland statt, weil ein Lord Cowper das englische Original nach Florenz mitgebracht hatte. Leopold, Großherzog von Toskana, wollte alles in italienischer Sprache hören und ließ deswegen das Oratorium bearbeiten: Antonio Pillori bearbeitete den Text und Salvatore Pazzaglia die Musik
„Warum toben Völker“, die erste Zeile aus dem Psalm 2 spricht alle Menschen an, die Frieden suchen, und sie gibt das Motto vor für ein Gemeinschaftsprojekt von Annette Schavan und Julius Berger. Im Mittelpunkt steht neben ausgewählten Psalmen aus der hebräischen Bibel Musik des Komponisten Ernest Bloch (1880 – 1959), dessen Tonsprache jüdische Quellen mit der europäischen Kunstmusik zusammen führt. Annette Schavan trägt zehn Psalmen mit klarer, ernster Stimme und ganz ohne aufgesetztes Pathos vor, der Cellist Julius Berger und das Duo GRAD, das aus dem Vibraphonisten Andrei Pushkarev und dem Marimba-Spieler Pavel Beliaev besteht, spielen in eigenen Bearbeitungen Ausschnitte aus Werken Blochs.
Der Titel des vorliegenden Albums des Baritons Alexandre Beuchat und der Pianistin Marija Bokor begreift „travel“ in einem sehr allgemeinen Sinne – als Reise „durch verschiedene Werke und Epochen, eine Reise in die Ferne und eine Reise zu uns selbst“. Ausgangspunkt sind die Songs of travel, die der junge Ralph Vaughan Williams (1872-1958) in den Jahren 1901-1904 auf Texte von Robert Louis Stevenson schrieb. Über die Stationen Schubert und Bloch führt das Programm dann zum Zyklus Lieder eines fahrenden Gesellen von Gustav Mahler (in der originalen Klavierfassung).
Was für Dimensionen! Präludium und Fuge heißt das Es-Dur Opus von Franz Schmidt, das der Churer Domorganist Andreas Jetter im Rahmen der zweiten Folge seiner Einspielung von Orgelwerken Schmidts aufgenommen hat. Wer sich da jetzt ein kompaktes Werkchen vorgestellt hat, liegt falsch. Geschlagene 37 Minuten dauert das Opus, allein die Fuge beansprucht über 20 Minuten. In der Zeit könnte man manche Choralphantasie von Max Reger glatt zwei Mal spielen, so gigantisch ist dieses riesenhafte Werk, das man beim ersten Hören kaum zu begreifen imstande ist. Auf eine vertiefende Analyse verzichtet Jetter im sehr lesenswerten Booklet wohlweislich, das hätte den Rahmen garantiert gesprengt.
Wenn noch eher unbekannte, junge Musiker über eine Debüt-CD versuchen, größere Aufmerksamkeit zu erzielen, ist das trotz der schnellen Verfügbarkeit über Streaming-Dienste stets ein Wagnis. Da reicht die selbstverständlich eingeforderte hohe künstlerische Expertise alleine meist nicht aus; auch programmatisch muss man aus dem immensen Angebot hervorstechen. Die Brüder Severin Van Schmid (Jahrgang 1995) – das Mitglied der Münchner Symphoniker studierte u. a. bei Julia Fischer – und Zeno Minh Schmid (vorrangig Mediziner) wählten zwar den mittlerweile vielfach gewählten Titel „Forbidden Music‟, brachten jedoch vier Violinsonaten auf einer CD zusammen, die mehr gemeinsam haben, als aus der Feder zeitweise verfemter Komponisten zu stammen: alles Werke von überragender musikalischer Qualität
Der Waliser Paul Mealor, Jahrgang 1975, Schüler u.a. von William Mathias, John Pickard und Hans Abrahamsen, erfreut sich in Großbritannien (und nicht nur dort) augenscheinlich erheblicher Popularität. In erster Linie (obwohl längst nicht ausschließlich) ein Komponist von Chormusik, erhielt er in den vergangenen etwa 15 Jahren immer wieder Aufträge der britischen Krone, erklomm mit einem Chorstück auf Texte von und an britische Soldaten die Hitparaden und ist soeben (im Oktober 2024) erst 48-jährig nach knapp 20 Jahren als Professor an der University of Aberdeen in den vorzeitigen Ruhestand gegangen. Die vorliegende CD stellt seine „Choroper“ The Light of Paradise vor, ein gut 50-minütiges Werk für Chor und Saxophonquartett, das für die Zurich Chamber Singers entstand, hier sekundiert vom sonic.art Saxophonquartett und unter der Leitung von Christian Erny.
Wenn die Kamancheh, das Streichinstrument, das wie eine Geige mit kreisrundem Korpus aussieht, aber wie ein Cello über einen Stachel verfügt und in Persien und Aserbaidschan beheimatet ist, ihre ernst-melancholische Stimme erhebt, dann hört die schnöde Welt da draußen für eine Weile zu existieren auf. Zumindest beim Spiel von Misagh Joolaee, einem der wohl berufensten Könner auf diesem Instrument, der im Trio gerade seine Debüt-Aufnahme „Morgenwind“ auf dem GWK-Label vorgelegt hat.
Mit der dritten Folge endet bereits die Einspielung sämtlicher nicht-konzertanten Orchesterwerke Grażyna Bacewiczs (1909–1969) unter Łukasz Borowicz. Und die CD hält einige Überraschungen bereit: vor allem die Ersteinspielung der 1. Symphonie, die noch 1942 begonnen, jedoch erst nach Kriegsende fertiggestellt und schließlich 1948 in Krakau uraufgeführt wurde. Die immer äußerst selbstkritische Komponistin hat das Werk dann allerdings weder veröffentlicht noch zurückgezogen, so dass hier nach dem Manuskript neu erstelltes Orchestermaterial erklingt. Borowicz – der auch wieder den informativen Booklettext verfasst hat, ist von der Repertoirefähigkeit des lange verborgenen Stückes zu Recht überzeugt.
Denkt man an das elisabethanische Lautenlied, fällt einem spontan John Dowland und vielleicht noch Thomas Morley ein. Wer verbindet jedoch etwas mit William Corkine, Robert Jones oder Tobias Hume? Letzterer mag Gambisten bekannt sein, aber denen begegnet man ja auch nicht übermäßig häufig. Interessant ist die Aufnahme vor allem deshalb, weil hier eine Lyra Viol zum Einsatz kommt, die zu den Vorläufern des von Haydns Dienstherren, Fürst Esterházy so geliebten Barytons gehört.
Die Lautten Compagney Berlin ist unermüdlich in der Produktion von CDs. Mit der neusten, betitelt „The Lute Songbook“, hat dieses Ensemble eine Art Resümee seiner künstlerischen Arbeit gezogen, sie „zeigt den aktuellen Stand der Ensemblekunst der Musizierenden in der lautten compagney im Jahre 2024“, schreibt Wolfgang Katschner, der mit Hans-Werner Apel seit 1984 zusammen musiziert und dieses Ensemble im damaligen Ostberlin gegründet hat, im zweisprachigen Booklet (in dessen deutschsprachigem Teil einige Seiten vertauscht sind). Die lautten compagney sei ihr „Lebensprojekt und als solches ein Gesamtkunstwerk“ geworden. Das Ensemble feiert also ihr 40-jähriges Bestehen. So hat die lautten compagney die liebsten Stücke aus diesen 40 Jahren zusammengetragen, neu arrangiert und neu aufgenommen.
Das 20. und bisherige 21. Jahrhundert brachten uns recht viele hochinteressante und natürlich technisch ungemein herausfordernde Konzerte für Bratsche & Orchester, von denen sich auch einige stets im Repertoire gehalten haben. Zwischen 1900 und 1910 sah dies noch anders aus, so dass damals etwa ein Virtuose wie Lionel Tertis schon international bei Komponisten um ein Werk für sein Instrument anklopfen musste. Die hier von der Deutschen Radiophilharmonie (Saarbrücken & Kaiserslautern) unter Brett Dean eingespielten Violakonzerte von York Bowen (1884–1961) und William Walton (1902–1983) entstanden beide für Tertis.
So mancher wird überrascht sein, wenn er die beiden Kammermusikwerke von Claude Delvincourt (1888 – 1954) hört: Zwischen dem Klavierquintett von 1908 und dem Streichquartett von 1954 liegt eine erstaunliche Entwicklung vom Spätromantiker zum kühnen Modernisten. Der in Paris geborene Komponist studierte dort bei Boëllmann, Büsser und Widor am Konservatorium, das er später ab 1941 selbst leiten sollte. Die vom „Quintette Syntonia“ mit Akribie und hohem Engagement eingespielten Aufnahmen bilden gleichsam den Rahmen seines Schaffens, das neben wenigen Kammermusiken Bühnenwerke, Orchesterstücke, Klaviermusik und Lieder umfasst.
Werke von Koerppen • Lack • Rummler Vokalwerk Hannover, Martin Kohlmann
Ambiente-Audio ACD-3068
1 CD • 51min • [P] 2024
23.10.2024 • 9 9 9
2019 gegründet, handelt es sich beim Vokalwerk Hannover um ein Ensemble aus jungen Konzertsängern (in der Mehrzahl Absolventen der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover), das von seinem Gründer und musikalischen Leiter Martin Kohlmann projektgebunden zusammengestellt wird und sich besonders mit Alter und Neuer Musik beschäftigt. Um Letztere geht es auf seinem hier vorliegenden CD-Debüt, das zwei dem Chor gewidmete Werke von Hans-Michael Rummler und Graham Lack umrahmt durch Musik von Alfred Koerppen, mit dem der Chor ebenfalls zusammengearbeitet hat.
Das international agierende tschechische Bennewitz Quartett (Jakub Fišer, Štêpán Ježek, Jiří Pinkas, Štêpán Doležal) benennt sich nach dem tschechischen Geiger Antonín Bennewitz (1833-1926), der – als böhmischer Geiger, Dirigent und Musikpädagoge – eine bedeutende Rolle für die tschechische Violin-Tradition gespielt hat. Seine Schüler bewirkten den Weltruhm der Prager Violinschule. Damit stellt sich das Bennewitz Quartett bewusst in die Tradition des böhmischen Musizierens, des kraftvoll-saftigen Klangs, der musikantischen Musizierlust. Sehr dicht, sehr lebendig und doch sehr transparent in völliger Gleichwertigkeit aller vier Instrumente ist der Quartett-Klang – und doch hebt sich die sonnighelle 1. Geige führend etwas ab. Alle vier Streicher spielen mit liebender Hingabe, mit Zärtlichkeit, absoluter Reinheit der Intonation und schwebender Leichtigkeit.
Selbst wenn Cornelis Floriszoon Schuyt (1557-1616) heute als Komponist weitgehend unbekannt ist, gehört er zu den unbestreitbar großen Meistern aus der Epoche, in der sich die Musik der späten Renaissance zum Frühbarock wandelte und stellt sozusagen einen älteren Bruder von Heinrich Schütz dar. Der Vater Floris Corneliszoon Schuyt (1529/30–1601) war Organist zweier Kirchen in Leiden, der Pieterskerk und der Hooglandse Kerk; die Ausbildung des Sohns Cornelis war für damalige Zeiten hochklassig, wurde sie doch durch einen Studienaufenthalt in Italien gekrönt, dem Mutterland der Renaissance.
Die Geigerin Natalia van der Mersch, geboren in Essen, deutsch-kroatischer Abstimmung, hat gemeinsam mit dem belgischen Pianisten Olivier Roberti im Jahr 2023 die drei Violinsonaten von Brahms eingespielt. Die Aufnahmen sind geprägt vom voluminösen Ton der Violinistin und von ihrem leidenschaftlichen Einsatz. Damit dominiert sie das Geschehen. Der Pianist, der seine Rolle als „Strukturgeber“ sieht, begleitet hellhörig und exakt, doch hätte er seinen Part, der vom Komponisten mit gleicher Bedeutung wie der der Violine behandelt wird, im Blick auf die thematische Entwicklung etwas pointierter gestalten können.
Wenn Simone Drescher im Booklet ihrer neuen CD als eine der „interessantesten Cellistinnen ihrer Generation“ angekündigt wird, sollte man das nicht nur als Allgemeinplatz und typischen PR-Text abtun. Spätestens nach dem Hören dieser CD schwant dem geneigten Musikfreund, dass da durchaus was dran sein könnte, denn Simone Drescher bietet hier nicht nur ein äußerst spannendes Programm, das verschiedene Facetten des Cellos und Cellospiels ebenso wie seine Historie mit modernen bzw. zeitgenössischen Kompositionen spiegelt. Die Bandbreite reicht von einer Suite von Enric Casals, dem Bruder des berühmten Cellisten Pablo Casals, bis hin zu Werken von Pēteris Vasks und David Chaillou.
Den kuriosen Spruch „Liebe ist nicht ohne bitter“ fand Kurt Tucholsky einmal auf einem Kalender in einem Schweizer Hotel. Der könnte auch das Motto des vorliegenden Programms sein, das die Sopranistin Eva-Maria Hartmann und der Pianist Hilko Dumno gemeinsam erarbeitet haben. Der von ihnen gewählte Untertitel „Von einer Liebe, die zerbrach“ trifft die Sache nur halb, denn es geht um das Auf und Ab in Liebesbeziehungen, ihre Glücksmomente und ihre Vergänglichkeit. Der Liebesschmerz freilich überwiegt in den sehr originell zusammengestellten Liedern und Songs.
Wer war Ioannes Cuisean? Wir wissen es nicht! Seine Messe für das Fest des Heiligen Gereon zu Köln 1663 ist ein Unikat, das vom Straßburger Domkapellmeister, Lexikographen und vielseitigen Komponisten Sébastien de Brossard gegen Ende des 17. Jahrhunderts katalogisiert wurde und dessen einzige Abschrift sich heute als Stimmensatz in der Pariser Nationalbibliothek befindet. Meinolf Brüser kombiniert seine Ersteinspielung mit den zugehörigen gregorianischen Propriumsgesängen sowie Orgelmusik von Johann Jakob Froberger und rekonstruiert so einen schlüssigen liturgischen Ablauf.
Das Stuttgarter Sonus Quintett, ein junges Holzbläserensemble, bestehend aus Linda Gulyas (Klarinette), Viviana Rieke (Bassklarinette), Lena Iris Brendel (Saxophon), Eloi Enrique Hernández (Oboe) und Annika Baum (Fagott) hat sich 2021 gegründet. Mit dem Album „Light“ will das Ensemble gleichsam die verschiedensten Klangfarben zum Leuchten bringen, und es tut dies mit Musik von der Klassik bis zur Moderne, meist in Bearbeitungen für die seltene Instrumentalkombination.
Der 1774 gegründete Musikverlag André mit eigenen Verkaufsräumen existiert heute noch als unabhängiges Unternehmen. Dabei sind die glamourösen Zeiten schon lange vorbei. Für sie zeichnete ganz besonders der Sohn des Gründers, Johann Anton André (1775-1842), verantwortlich, der sich vor allem um die Verbreitung der Werke Mozarts verdient machte. Dass er selbst ein veritabler Komponist – einer der besten seiner Zeit – war, ist längst vergessen. Wunder muss nicht nehmen, dass der Einfluss Mozarts sich in seinem Schaffen am stärksten niederschlug. Dieser war selbstredend der bestmögliche Einfluss, und er hat aus André eben keinen bloßen Epigonen gemacht, sondern ihn zu einem geistreichen Meister reifen lassen, dessen Œuvre es tatsächlich wert ist, auch im Konzertleben wiederbelebt zu werden.
Man lernt nie aus in der Musik: Immer wieder taucht ein neuer unbekannter Komponist auf. Als immer liebenswürdig und angenehm, hilfsbereit, mit feinen Umgangsformen und einnehmendem Verhalten wurde der holländische Komponist Johannes Bernardus van Bree beschrieben, und so sympathisch und liebenswürdig schaut er einen auch aus dem Porträt im Booklet an. Van Bree ist 1801 in Amsterdam geboren und dort 1857 gestorben. Es war ein fleißiges Musikerleben: Er war als Sologeiger tätig, wurde 1829 zum Musikdirektor der Musikgesellschaft „Felix Meritis“ ernannt, hatte leitende Funktionen in den katholischen Kirchen Amsterdams, hatte eine private Musikschule und gründete die Musikgesellschaft „Caecilia“, aus der de facto das erste niederländische Berufs-Orchester entstand.
Die Barockmusik ist mit Sicherheit eine der beliebtesten Musikrichtungen bis heute in den Konzertsälen – und dennoch birgt sie noch immer viele ungehobene Schätze. Damit sind gar nicht unbedingt die immer noch vorhandenen Komponistinnen und Komponisten gemeint, deren Werk unverdient in der Versenkung verschwunden ist, sondern es gibt durchaus auch Musik aus bekannter Feder, die aufgrund der solistischen Besetzung heutzutage selten zu hören ist. Diesem Umstand haben 1998 Elke und Wolfgang Fabri die Gründung ihres Solisten-Orchesters „caterva musica“ entgegensetzt. Das Orchester vereint zahlreiche hervorragende Musikerinnen und Musiker der Alten Musikszene und widmet sich gerade den selten zu hörenden Solokonzerten der Zeit.
Symphonies Heidelberger Sinfoniker • Johannes Klumpp
hänssler CLASSIC HC24039
4 CD • 4h 44min • 2022, 2023
12.10.2024 • 10 10 10
Mit dieser vier CDs umfassenden Box ist das Projekt der Heidelberger Sinfoniker beendet, alle Haydn-Sinfonien einzuspielen. Begonnen haben die Heidelberger mit dem Dirigenten Thomas Fey, geendet mit Johannes Klumpp. Am besten liest man erst das von Klumpp verfasste Booklet. Denn keiner kann so herzlich nichtwissenschaftlich und doch so feinsinnig-gelehrt und damit so appetitanregend über Haydn-Sinfonien reden bzw. schreiben wie eben Johannes Klumpp.
Eine CD vorwiegend mit Fagott-Soli ist ein Wagnis. Aber warum sollte man dieses Wagnis nicht eingehen, wenn man bereits mit Geburtsjahrgang 2004 über ein solch hervorragendes Können verfügt, dass einem mit einem Nischeninstrument für diese innovative Idee der Fanny-Mendelssohn-Förderpreis zugesprochen wird? Emanuel Blumin-Sint nimmt diese Herausforderung an und ist dabei über weite Strecken erfolgreich. Ja, er hat es sogar erreicht, dass zwei zeitgenössische Komponisten ihm extra Stücke für dieses Projekt geschrieben und gewidmet haben. Über den Umgang mit historischem Material wird zu reden sein.
Obwohl für das Klarinettentrio mit Klarinette, Violoncello und Klavier wunderschöne Kammermusik geschrieben wurde, findet man diese Besetzung doch eher selten als feste Formation. Dass aber gerade die Verbindung von Holzblasinstrument, tiefem Streicher und Tasteninstrument eine besonders reizvolle Kombination ist, die noch dazu ein warmes Timbre hat, bewog die drei Musiker des Chimaera Trios 2012 zur Gründung ihres Ensembles. Annemiek de Bruin (Klarinette), Irene Kok (Violoncello) und Laurens de Man (Klavier) schöpfen in ihren Programmen aus dem erstaunlich großen Repertoire der Originalwerke sowie Arrangements und Neukompositionen für ihr Trio. Nachdem sie sich auf der vorangegangenen Aufnahme dem „Fin de Siècle“ und damit der Musik Gustav Mahlers, Alexander von Zemlinskys, Alban Bergs und Anton Weberns gewidmet haben, ging es für die neue CD bei MDG zeitlich noch einen Schritt zurück und geographisch in den Norden.