cpo 777 592-2
2 CD • 2h 12min • 2010
19.09.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Schatz, ich bitt dich, komm' heut Nacht – in solchen Einfällen offenbart sich die volle Eigen- und Einzigartigkeit des Komponisten Franz Lehár: Eine süße, eingängige Melodie in apartem Rhythmus, mit leicht laszivem Charakter, von subtiler Instrumentation begleitet. Kein Wunder, dass diese Romanze des Armand Eingang in das Repertoire unzähliger Tenöre aus alter und neuer Zeit gefunden hat. Allerdings ist das auch die einzige Nummer aus der Operette Frasquita, die bekannt und berühmt geworden ist. Obwohl Lehárs Komposition viele bemerkenswerte Momente enthält – etwa das dramatische und weit ausgesponnene zweite Finale oder die Karnevalsmusik im dritten Akt – fehlen auf lange Strecken die zündenden Ideen. Auch bewegt sich die Handlung in allzu konventionellen Bahnen. Die Geschichte von der Zigeunerin, die alle Männerherzen zum Glühen bringt, war bereits zur Zeit der Uraufführung ein „alter Hut", dessen neue Fasson sich nur durch allerlei erotische Freizügigkeiten erlangen ließ. Als Frasquita 1922 im Theater an der Wien Premiere hatte, wurde die Unmoral, die mondäne Verruchtheit des Stücks beanstandet, ebenso die Brutalität der Bühnenvorgänge. Damit war offenbar jene Szene gemeint, in welcher der eifersüchtige Tenor sich zum Othello verwandelt und die Zigeunerin erwüürgt – freilich nur beinahe.
Kaum vorstellbar, dass die Wiedergabe durch das Ensemble des Bad Ischler Franz-Lehár-Festivals ähnliche Entrüstungen hervorrufen könnte. Das liebenswerte Team besitzt zwar keine Künstler vom Rang und der Durchschlagskraft einer Betty Fischer oder eines Hubert Marischka – den Protagonisten der Wiener Premiere – dafür aber ein sympathisches, jugendliches Team, das die tragisch-komische Sache ganz unpathetisch und mit lächelnder Leichtigkeit darbietet. Alles ist hier als Verkleinerung, auch Verfeinerung zu erleben, und das tut dem Werk gut, weil es ihm alles massiv Theatralische nimmt.
Ein tüchtiger Tenor mit schlanker Gesangston, dem nur manchmal die Stimme in der Höhe kippt (Vincent Schirrmacher), eine Diva mit angenehmem, tragendem Sopran (Romana Noack), ein gut aufeinander eingespieltes Buffo-Duo (Laura Scharwitzl, Robert Maszl in ihren nicht sehr ergiebigen Partien), der obligate ältliche Bonvivant (Rupert Bergmann), sie alle, zusammen mit dem Chor, bescheren beste Operettenseligkeit.
Da das Stück in Spanien spielt, hat sich Lehár bemüht, möglichst viel südländisches Flair in die Partitur hineinzubringen, das Orchester erstrahlt daher in schillernder Buntheit. Es lässt sich jedoch nicht überhören, dass die Tanz- und Marschmelodien aus Frasquita eher am Donaustrand, in Wien und noch weit mehr in Budapest zu Hause sind. Das Ischler Lehár-Orchester unter Vinzenz Praxmarer gibt die quasi-spanischen Pusztaklänge mit aller Brillanz wieder.
Clemens Höslinger [19.09.2011]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz Lehár | ||
1 | Frasquita (Komische Oper in drei Akten) |
Interpreten der Einspielung
- Rupert Bergmann (Aristide Girot, Fabriksbesitzer - Bariton)
- Laura Scherwitzl (Dolly, Aristide Girots Tochter - Sopran)
- Vincent Schirrmacher (Armand Mirbeau, Aristide Girots Neffe - Tenor)
- Robert Maszl (Hippolyt Gallipot, Privatgelehrter - Tenor)
- Romana Noack (Frasquita - Sopran)
- Thomas Zisterer (Juan, der Wirt - Bariton)
- Chor des Lehár Festivals Bad Ischl (Chor)
- Franz Lehár-Orchester (Orchester)
- Vinzenz Praxmarer (Dirigent)