cpo 777 338-2
1 CD • 73min • 2006
02.09.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Im jüngeren Konzertbetrieb hat bisher noch jedes Werk von Franz Schmidt einen echten Erfolg gefeiert. Beim Publikum kommt seine Kunst sehr gut an; in jedem Beitrag seines eher schmalen Œuvres drückt sich eine Moderne aus, welche die avantgardistischen Tendenzen Mahlers und Schönbergs nicht nachverfolgt, aber auch nicht ignoriert, sondern vielmehr auf subtile Weise in das Komponieren einarbeitet – und das auf höchster Höhe des handwerklichen Metiers.
Ein hervorragendes Beispiel für Schmidts komplexe Selbstpositionierung innerhalb der Musikgeschichte sind seine Konzertanten Variationen auf ein Thema von Beethoven für Klavier linker Hand und Orchester von 1923: Schmidt spielt auf hochintelligente Weise mit dem Topos der Variation, in dem er das Variierte erst spät im Sinne einer Rätselauflösung präsentiert, im Verlauf dieses sinnlich-intellektuellen Spiels jedoch einen unglaublichen Reichtum von Assoziationen und Anspielungen vorführt.
Genau in dieser Perspektive könnte man nun Fragen an den Interpreten, den Pianisten Markus Becker, richten: Müßten die quasi barockisierenden oder klassizistischen Passagen nicht eher im gleichsam durchlüfteten Nonlegato gespielt werden, behutsam, nur vorgestellt, aber dennoch merklich an der historischen Artikulation orientiert, als im breiten, wenngleich sicherlich sehr klangschönen Legato? Generell liegt Becker das impressionistische Bandelwerk, etwa in der Introduktion, ebenso das liedhafte Element, das tief empfunden und mit rundem Ton vorgestellt wird, mehr als die zupackende Geste; zumindest die Bolero-Passage könnte noch etwas mitreißender gespielt werden. Doch im großen Ganzen ist diese Einspielung eine sehr gute Ergänzung zur älteren und seinerzeit sehr verdienstvollen Einspielung von Karl-Andreas Kolly und dem Musikkollegium Winterthur unter Werner Andreas Albert (Pan Classics 1998).
All diese interpretationsästhetischen Fragen stellen sich nicht für die Realisierung von Schmidts monumentalem Klavierkonzert Es-Dur, weil die bei aller Vielfalt stärker einheitlich gehaltene Ästhetik, der durchgehend expressive Grundton, weniger stilistisches Rollenspiel verlangt als vielmehr blutvolles Virtuosentum. Ein immenser Vorzug dieser schönen Produktion ist die NDR Radiophilharmonie, die unter der sehr präzisen und Transparenz gewährenden Leitung von Eiji Oue sehr geschlossen in Erscheinung tritt und wunderbar gerade in die Tiefe hinein aufblüht.
Prof. Michael B. Weiß [02.09.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz Schmidt | ||
1 | Konzertante Variationen über ein Thema von Beethoven für Klavier linke Hand und Orchester | 00:30:09 |
12 | Klavierkonzert für die linke Hand Es-Dur | 00:43:13 |
Interpreten der Einspielung
- Markus Becker (Klavier)
- NDR Radiophilharmonie (Orchester)
- Eiji Oue (Dirigent)