Emilie Mayer
Symphonies 4 & 6

cpo 555 615-2
1 CD • 68min • 2023
05.05.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Emilie Mayer (1812-1883) ist insofern ein Phänomen, als dass sie die einzige Frau in Deutschland war, die es im 19. Jahrhundert wagte, Sinfonien zu komponieren. Weder Fanny Mendelssohn noch Clara Schumann hatten sich an diese als Königsdisziplin geltende Form herangewagt. Mayer schrieb zwischen 1847 und 1853 deren sieben, denen 1862 noch eine Achte folgte. Allerdings sind nur sechs ihrer sinfonischen Werke auf uns gekommen. Somit ist die Gesamtaufnahme ihrer Sinfonien bei cpo mit diesen beiden Weltersteinspielungen komplett. Frankreich war uns in dieser Hinsicht offensichtlich voraus, da die drei Sinfonien von Louise Farrenc bereits Anfang der 1840er Jahre entstanden.
Eine Spätberufene
Vom Geburtsdatum her gehört Emilie Mayer zur Generation um Mendelssohn, Schumann, Liszt, Hiller, Chopin und Wagner, die sich alle von Kindesbeinen an mit der Musik beschäftigten. Mayer hat zwar bereits als Fünfjährige mit dem Klavierspiel angefangen, begann aber erst 1840 – durch die väterliche Erbschaft finanziell unabhängig geworden – ihren kompositorischen Traum zu verwirklichen. Von 1841-47 studierte sie beim Meister der Ballade, Carl Loewe. In diesem Zeitraum entstanden primär Vokalwerke. Sie wechselte danach zum Musiktheoretiker Adolf Bernhard Marx, dem wir die Normung der Gliederung des Sonatenhauptsatzes in Exposition, Durchführung und Reprise verdanken, was dieser aus den Werken Beethovens deduziert hatte, aber für Mozart, Haydn und Schubert mit Vorsicht betrachtet werden muss. Die Behandlung der Bläser brachte ihr der Chef der preußischen Militärmusik und Erfinder der Tuba Wilhelm Wieprecht bei.
Beethoven, Ries und Spohr lassen grüßen
Emilie Mayers 4. Sinfonie in h-Moll liegt nur noch in einer Fassung für Klavier vierhändig vor. Deshalb musste Andreas N. Tarkmann das Werk neu instrumentieren, wobei er sich an der Instrumentation der erhaltenen Sinfonien orientierte. Diese Instrumentation mit delikaten Bläser-Soli kann als überaus gelungen gelten. Dramatik beherrscht die Komponistin durchaus, bloß bleiben die lyrischen Themen äußerst blass, haben einen Hang zum Trivialen und klingen arg nach Ries oder Spohr in deren uninspiriertesten Momenten. Das an der Position des Scherzos stehende, rondoartige Allegro verwendet Material, das man eher in einem Ballett wie der Fille mal gardée von Hérold vermuten würde, was nach dem dramatischen Einstiegt unfreiwillig komisch wirkt. Die 6. Sinfonie in E-Dur verfügt nicht über genügend thematische Substanz, als dass sie als Ganzes fesseln könnte. Auch wirken die andauernden Dominante-Tonika-Pendel hier arg ermüdend. Das von feministischen Kulturwissenschaftlerinnen dominierte Feuilleton kolportiert hartnäckig, dass Mayer als der „weibliche Beethoven“ apostrophiert worden wäre, jedoch lassen sich trotz intensiver Suche durch Reinhard Wulfhorst hierfür keine zeitgenössischen Belege finden.
Liebevoll bemühte Interpretation
Jan Willem de Vriendt und die NDR-Radiophilharmonie geben ihr Bestes, diese qualitativ eher unbedeutenden Werke zum Leben zu erwecken. Das Booklet ist informativ und gegen die Aufnahmetechnik gibt es keinerlei Einwände.
Fazit: Wer sich mit origineller, eher unbekannter romantischer Sinfonik beschäftigen möchte, greife zu Franz Lachner, Carl Czerny, Niels Wilhelm Gade, Ferdinand Hiller oder Louise Farrenc.
Thomas Baack [05.05.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 4 | ||
Emilie Mayer | ||
1 | Sinfonie Nr. 4 h-Moll (orchestr.: Andreas N. Tarkman 2022) | 00:32:16 |
5 | Sinfonie Nr. 6 E-Dur | 00:35:48 |
Interpreten der Einspielung
- NDR Radiophilharmonie (Orchester)
- Jan Willem Vriend (Dirigent)