Accent ACC 24201
1 CD • 62min • 2007
30.07.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Kühnes Originalklang-Wagnis oder enttäuschendes Experiment? Man muß schon ein sektiererischer Verfechter historischer Aufführungspraxis sein, um Rousseaus Forderung „Zurück zur Natur“ mit allen angestammten Zumutungen buchstäblich „in Kauf“ (dieser modernen Audio-Produktion) zu nehmen. Zumal die im gleichzeitigen Schaffen des Komponisten Franz Danzi mehrfach begegnende kuriose Balance-Mischung des damals neuartigen „Pianoforte“ mit einem Holzbläserquartett bei Mozart und Beethoven Unikate geblieben sind. Als exzentrische Geschwisterwerke während des damaligen Übergangsstadiums vom Hammerklavier zum Konzertflügel im Verein mit je einer nahezu klappenlosen Oboe und Klarinette, dem Naturhorn und dem ebenfalls noch recht rauh und brummig klingenden Fagott überrascht die Musikhistoriker nach wie vor die von Mozart mit charakteristisch überschäumendem Temperament kommentierte Pioniertat als „das beste, was ich noch in meinem Leben geschrieben habe“. Es spricht für Beethovens Verehrung für den Vorgänger, wenn er mit spürbar fortgeschrittenen Voraussetzungen im Instrumentenbau (auch bei den Blasinstrumenten) dessen Gedanken einer aparten Klangmixtur aufgegriffen hat. Nur: eine derartige kompositorische „Doppelvision“ hat erst unter gereifteren Umständen musikgeschichtlicher Entwicklung jene Bedeutung erreicht, die sie bis heute auszeichnet... Alle Vergleichseinspielungen belegen das.
Hier aber passiert nun eine Art pseudo-authentischen Rückgriffs auf museale Spiel- und Klangrekonstruktionen, deren teilweise recht unwirsche Ecken und Kanten ein Umdenken aller vertrauten klassisch-ästhetischen Kategorien beim Zuhören voraussetzen. Die Interpreten verwenden Nachbauten historischer Instrumente oder Originale: Jan Vermeulen ein Pianoforte nach Anton Walter, Wien 1795, gebaut von Chris Maene, 2001; Marcel Ponseele eine Oboe nach Grundmann von M. & F. Ponseele, 2003; Benjamin Dieltjens eine Klarinette nach H. Grenser von R. Tutz, 1981; Luc Bergé ein Horn nach Raoux von Jiracek, 2006; Alain Derijckere ein Fagott von G. Triebert père, Ende 18. Jh. Mozart naturbelassen also? Beethoven original? Was hier beim Eroberungsversuch theoretisch-ästhetischen Niemandslandes zu bewerten wäre, muß bei allem Fleiß, Können und philologischem Ehrgeiz eine historisierende Illusion bleiben. Über den Grad ihrer Verwirklichung vermöchte allenfalls ein Zeitgenosse des 18. Jahrhunderts zu urteilen. Diesen Ohrenzeugen gibt es aber nicht. So bleibt jeder Zuhörer, aber auch jeder Kritiker beim Nachspüren der Vergangenheit sich selbst und seinem eigenen Erleben überlassen. Gleiches gilt für den Erfolg des Ensembles Il Gardellino. Objektives Faktum hier ist ein Defizit an Flexibilität und Eleganz der Tongebung, das Fehlen einer differenzierten Dynamik, kurz, es fallen alle Vorzüge weg, die sich über Generationen mit gutem Grund in Konzertkultur und Werkrezeption mit ihren Hör-Erwartungen und Maßstäben entwickelt haben. Wenn sich darüber hinaus auch die Aufnahmetechnik für eine robuste Digitalisierung mit grobkörniger Lautstärke „einmischt“, dann scheint ein Übermaß von „Rekonstruktion“ erreicht zu sein.
Dr. Gerhard Pätzig [30.07.2009]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Wolfgang Amadeus Mozart | ||
1 | Quintett Es-Dur KV 452 für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott | 00:24:02 |
4 | Adagio h-Moll KV 540 | 00:12:00 |
Ludwig van Beethoven | ||
5 | Klavierquintett E flat major op. 16 | 00:26:12 |
Interpreten der Einspielung
- Il Gardellino (Ensemble)