Musik bei Kriegsende 1944-46
sophia classics SCI17081
1 CD • 62min • 2007
20.11.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
„Die mehrfachen Preisträger internationaler Wettbewerbe begeistern Publikum und Rezensenten in Europa, den USA und Japan mit ihrem mitreißenden und virtuosen Ensemblespiel.“ Eine austauschbare Standardformulierung, wie sie nicht nur in der Biographie des 1994 gegründeten Jacques Thibaud Trio Berlin zu lesen ist, sondern wie sie in ähnlichen Worten zahllose andere Künstler für sich in Anspruch nehmen. Doch mit welchem Feuer, mit welch draufgängerischer Leidenschaft die drei Musiker den um das Kriegsende zwischen 1944 und 1946 entstandenen Streichtrios von Gideon Klein, Heitor Villa-Lobos und Arnold Schönberg zu Leibe rücken, ist tatsächlich ein elektrisierendes Ereignis. Faszinierend ist ebenso das Programm der CD, das in seinem spannungsvollen Nebeneinander von Tonalität und Atonalität den musikalischen Umbruch zur Mitte des 20. Jahrhunderts verdeutlicht und zudem unterschiedliche instrumentale Möglichkeiten innerhalb der jeweils einzigen Streichtrioschöpfungen der Komponisten aufzeigt.
Gideon Kleins Trio entstand 1944 im Konzentrationslager Theresienstadt, kurz vor seinem gewaltsamen Tod in Auschwitz. In seiner Vitalität, seiner kraftvollen Rhythmik und fantasievollen Melodik sowie mit dem Einbeziehen tschechischer Volksmusik ist es ein bewegendes Zeugnis menschlichen wie künstlerischen Überlebenswillens, das in stets nachvollziehbaren tonalen Bahnen verläuft und nur selten Dissonantes oder kaum Verständliches streift. Und es bietet Burkhard Maiß (Violine), Philip Douvier (Viola) und Bogdan Jianu (Violoncello) besonders im langsamen Mittelsatz reichlich Gelegenheit, das für sie typische energische Zupacken mit vorzüglichen lyrischen Qualitäten zu verbinden. Die Kunst, selbst in vollständig fremdartige Klangwelten eintauchen zu können, demonstrieren die Musiker eindrucksvoll mit der Wiedergabe des Streichtrios von Heitor Villa-Lobos, in dem brasilianische Einflüsse, Kontrapunktik, Zwölftönigeit und impressionistische Züge eine einzigartige Verbindung eingehen. Wie dynamisch und im Ausdruck differenziert sie dieses farbintensive und hoch virtuose Werk angehen, ist bewundernswert.
Von ihrer scharfsinnigen Gestaltungskraft profitiert auch Schönbergs zwölftöniges, höchste Ansprüche an die Spieltechnik stellendes Streichtrio op. 45. In einem Essay aus dem Jahr 1949 mit dem Titel „Mein Todesfall“ bezeichnet der Komponist sein Werk als „humoristische Darstellung“ seiner Herzattacke und seines Überlebenskampfes. Inwieweit derartige autobiographische Details dem Verständnis dieses Trios dienlich sind, sei dahingestellt. Das Stockende, Eruptive und Verstörende in seiner kompositorischen Anlage wird von dem Berliner Jacques Thibaud Trio allerdings bezwingend herausgearbeitet. Womit die drei Musiker zum wiederholten Mal eine Lehrstunde in Sachen beredten und innigen Ensemblespiels abliefern – auf der Grundlage technischer Überlegenheit, Stilvertrautheit und großer interpretatorischer Intelligenz.
Christof Jetzschke [20.11.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Gideon Klein | ||
1 | Streichtrio (1944) | 00:12:32 |
Heitor Villa-Lobos | ||
4 | Streichtrio (1945) | 00:28:18 |
Arnold Schönberg | ||
8 | Streichtrio op. 45 | 00:21:05 |
Interpreten der Einspielung
- Jacques Thibaud Trio Berlin (Ensemble)