OehmsClassics OC 914
1 CD • 62min • 2007
02.04.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Behüte Gott! Ist es doch, als ob man in einer Opera Comedie wäre“, beklagte sich eine fromme adlige Dame, nachdem Bachs Matthäus-Passion 1729 im Karfreitagsgottesdienst aufgeführt worden war. Intuitiv erfasste sie Bachs staunenswerte musikdramatische Fähigkeiten, wenn sie diese auch in der Kirche für fehl am Platze hielt. Sicher hätte Bach gern selbst eine Oper geschrieben, wäre nur Gelegenheit dazu gewesen. Jedenfalls besuchte er seinen ältesten Sohn gern in Dresden, als dieser dort Organist an der Sophienkirche war, und pflegte seine Lust auf einen Opernbesuch folgendermaßen zu bekunden: „Friedemann, wollen wir nicht einmal wieder die schönen Dresdner Liederchen hören?“
In seinem Begleittext zu seiner gegenwärtigen Einspielung weist Hansjörg Albrecht, seit 2005 Leiter des 1954 von Karl Richter gegründeten Münchner Bach-Chores, darauf hin, dass Bach zur Dresdener Hofoper Kontakt hielt und mit deren langjährigen Leiter Johann Adolph Hasse in freundschaftlicher Verbindung stand. Überdies hat er bei seinen verschiedenen Besuchen in Hamburg – zu Lüneburger Gymnasiastenzeiten oder später zur Bewerbung um den Organistenposten an St. Jacobi – auch wohl kaum das Opernhaus am Gänsemarkt unbeachtet gelassen, stand diese Institution doch lange an der Spitze des deutschen Opernlebens.
Von Bachs Hamburger Freund und Kantatendichter Erdmann Neumeister, Hauptpastor an St. Jacobi, ist der Ausspruch überliefert „Eine Cantata sieht aus wie ein Stück einer Opera“. Auch für Bach hatte dieses Wort zweifellos Gültigkeit; das ermutigte den Dirigenten und Organisten Hansjörg Albrecht, die weltliche Kantate um eine Ouvertüre (aus „Entfliehet, entschwindet, entweichet ihr Sorgen“ BWV 249a), einen Einleitungschor und einen Marsch (beides aus „Auf schmetternde Töne“ BWV 207a) zu Beginn und Abschluss des eigentlichen Werkes zu einem Dramma per musica zu erweitern. Anschaulich schildert Albrecht in seinem Text eine erdachte Aufführung dieser Version vor August dem Starken anlässlich eines Besuchs des Kurfürsten und polnischen Königs in Leipzig. Man hätte dem Thomaskantor einen solchen Erfolg vor der durchlauchtigsten Majestät wahrlich gegönnt, liegt doch auch dieser unterhaltsamen Kantate als Thema der Kampf für die Würde und den Ernst der Musik zugrunde, den Bach gerade in Leipzig gegen eine knauserige und engstirnige Obrigkeit zu führen hatte.
Mit erstklassigen Vokalsolisten, von denen die meisten regelmäßig bei Aufführungen in historischer Praxis mitwirken, und einem leicht und beschwingt singenden Chor beweist Hansjörg Albrecht, dass unter seiner Leitung diese Ensembles nicht mehr an der ideologischen Spitze eines (inzwischen wohl auch aussichtslosen) Kampfes gegen die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung über die Musizierweise der Bachzeit stehen. Das agil musizierende Bach Collegium München bestärkt diesen Eindruck. Gleichwohl ist in dem parallel zu den sechs Solisten ebenfalls sechsstimmig angelegten Chor ein klarer Hinweis auf den „Chor“ als zusammengefasstes Solistenensemble zu sehen; diese Erkenntnis in die Tat umzusetzen wäre dem Leiter eines der berühmtesten deutschen Chöre freilich kaum zuzumuten. Die Praxis einer solistischen Besetzung soll daher hier nicht eingeklagt werden; wir kommen indes um die Erwähnung, dass sie hier ebenso am Platze wäre wie in Händels Opern, nicht herum.
Detmar Huchting [02.04.2008]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | DerStreit zwischen Phoebus und Pan BWV 201 |
Interpreten der Einspielung
- Simone Nold (Momus - Sopran)
- Annette Markert (Mercurius - Alt)
- Markus Schäfer (Tmolus - Tenor)
- Werner Güra (Midas - Tenor)
- Konrad Jarnot (Phoebus - Bariton)
- Stephan Genz (Pan - Bariton)
- Münchener Bach-Chor (Chor)
- Bach Collegium München (Orchester)
- Hansjörg Albrecht (Dirigent)