Carus 83.307
1 CD • 61min • 2007
19.11.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Für die Musik der Frühklassik besitzen wir keine historisch auch nur einigermaßen weit zurückreichende Aufführungstradition. Im Gegensatz zur Musik des Spätbarock sowie auch der Hochklassik ist jene so überaus spannungsvolle Zeit dazwischen von den großen Dirigenten selten berücksichtigt worden; stark hat da wohl ein Vorurteil gewirkt, das bereits in der ungenügenden Bezeichnung der „Vorklassik“ wiedergegeben ist: dass nämlich zwischen Johann Sebastian Bach und Wolfgang Amadeus Mozart – mit Ausnahme einiger weniger Sonderfälle – kaum nennenswert bedeutende Komponisten geboren worden sind, und dass die in dieser als Übergangsperiode interpretierten Zeit entstandene Musik bloß unter den nur vorläufigen Vorzeichen einer erst noch zu vollendenden Klasse zu verstehen ist.
So blieb es also letztlich weitgehend den modernen Ensembles vorbehalten, die Musik der für diesen musikgeschichtlichen Abschnitt besonders konstitutiven Gruppe der Bach-Söhne zu pflegen und auch auf Schallplatte einzuspielen; und da die Ensemble-Neugründungen den Alten Instrumenten und der historisch informierten Spielpraxis einen deutlichen Vorzug geben, ist die Pflege dieser so aufregenden Musik eng mit diesem Klangbild konnotiert. Leider haben sich viele der betreffenden Alten-Musik-Ensembles zu schnell mit bloßer Fassade begnügt.
Nicht so das Freiburger Barockorchester! Mit einer wirklich beglückenden Einspielung von Werken Johann Christian Bachs zeigt dieses Ensemble unter der Leitung von Gottfried von der Goltz, wie sehr diese Musik nach Geistreichtum auf der einen Seite, nach leidenschaftlichem Feuer auf der anderen Seite verlangt. Auf der sechsten Folge einer Reihe mit Werken der Bach-Söhne wird jedes der an sich so jugendlichen Werke aus der Frühlingszeit der Klassik mit ansteckender Frische vorgestellt, als ob mit mächtigem Wind quasi der Staub von Jahrhunderten von ihm entfernt werden sollte. In der Sinfonia concertante etwa ist jeder Tutti-Akkord mit unglaublicher Strahlkraft ausgeführt, jede Geste, jede wenn auch nur floskelhafte Phrase, ja jeder Ton haben ihre Richtung, die Tempi sind perfekt getroffen, weil sie nicht ausschließlich auf Schnelligkeit und Geschäftigkeit setzen, sondern auch die Ausbreitung des Klanges zulassen. Gerade die sehnigen, aber immer weichen und auch genügend voluminösen Streicher können sich so wirklich entfalten. Wenn im Minuetto dieser Sinfonia concertante etwa ein metrisch verquerer Blitz in den Tanzschritt hineinschießt, dann kann dieser auch auf rein klanglicher Ebene wirken.
Andererseits führt das reduzierte Gewicht des Apparates, die Transparenz des Orchesters, auch dazu, daß die bekanntlich mit Durchsetzungsproblemen behaftete Traversflöte im Flötenkonzert D-Dur Warb C 79 mit lyrischer Brillanz durchkommt, gleichzeitig aber sogar, dem Flötisten Karl Kaiser sei Dank, trotz des so abgeschatteten Timbres so etwas wie Strahlkraft entwickelt. Kurz gesagt: der sogenannte „englische Bach“ wird hier auf ganz hinreißende Art und Weise porträtiert; man bedauert eigentlich nur, daß man so wenige Vergleichsmöglichkeiten zur Lesart historischer Dirigenten hat.
Prof. Michael B. Weiß [19.11.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Christian Bach | ||
1 | Ouverture Warb G 24 (Il tutore e la pupilla) | 00:05:05 |
4 | Sinfonia concertante in D Warb C 35 | 00:18:24 |
7 | Sinfonia in G op. 6 Nr. 1 Warb C 7 | 00:08:11 |
10 | Concerto per il Flauto traverso in D Warb C 79 | 00:19:41 |
13 | Sinfonia in F op. 8 Nr. 4 Warb C 14 | 00:09:06 |
Interpreten der Einspielung
- Karl Kaiser (Traversflöte)
- Anne Katharina Schreiber (Violine)
- Freiburger Barockorchester (Orchester)
- Gottfried von der Goltz (Violine, Leitung)