Naxos 8.557824
1 CD • 69min • 2005
23.11.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Seit Igor Shukows Melodyia-Einspielung unter der Leitung von Gennadi Roshdestwenky betrachte ich diese neue – nach Glemser zweite! – Naxos-Einspielung als das stärkste, kraftvollste, dabei auch sensible Zeugnis auf diesem ausschweifenden, bald muskulös konzertanten, bald kammermusikalisch verweilenden Gebiet der slawischen Musikdokumentation. Scherbakov – auf dem Podium nicht unbedingt ein publikumsgenehmer Rattenfänger! – bezeugt auch hier einmal mehr, welch eine gewaltige pianistische Kompetenz in ihm, vor allem aber in seinen Fingern und Armen steckt. Die wuchtigen Akkordstrecken, die vielen „martellato“ geschüttelten Passagen der Kadenz-Episoden scheinen ihn nicht nur zum „Spielen“ herauszufordern, sie geben ihm offenkundig Gelegenheit, zu färben, zu gewichten, zu verdichten und zu durchlichten. Dadurch erhalten die von Tschaikowsky getürmten Schwierigkeiten, die vielen eher additiv als unausweichlich folgerichtig gesetzten Konzertsegmente ein sozusagen akustisch-menschliches Antlitz. Die Schwerarbeit des Pianisten ereignet sich als Dienst an einem geliebten, in Wahrheit nicht ganz gelungenen Musikkind. Und man lernt dieses Kind zu schätzen. Vor allem dann, wenn am Ende der weit ausholende Kammermusikmittelsatz durchlebt, durchhaucht, vielleicht auch durchlitten ist. Dann weiß man: hier handelt es sich um ein ganz wertvolles Kapitel der russisch-übernationalen Musik.
Scherbakov und sein auf Naxos bereits gut vertrauter Partner Yablonsky lassen keine Wünsche offen, was das Ineinandergreifen von Individualität und philharmonischerr Menge anbelangt. Auch die zwei werkinternen Streichersolisten – Andrey Kudryavtsev und Dmitry Yablonsky – fügen sich mit gewissermaßen stolzer Willigkeit in das sehnsüchtige Stimmengeplänkel und Stimmengeschlinge des Mittelsatzes – im Sinne eines Klaviertrios wie in vorübergehender Verneinung alles konzertanten Geschehens zuvor und im Nachhinein.
Zu danken ist Scherbakov und seinen Partnern – aber auch dem Produzenten – die Einspielung der Konzertfantasie, die nicht allzu oft auf Schallplatten zur Diskussion gestellt worden ist. Ein ungeliebtes (Adoptiv-)Kind aus dem Wertevorrat Tschaikowskys, aber für Liebhaber östlicher Klaviervirtuosität an der imaginären Schwelle zum aufgebauschten Papperlapapp eine schöne knappe halbe Stunde Buntheit und monströse Schmerzlichkeit - bis zur Verwegenheit von Scherbakov serviert, mehr noch: zum Leben erweckt, wie ein totgesagtes Partiturwesen.
Vergleichsaufnahmen: Glemser – Wit (Naxos 8.551055-56), Hoteev – Fedosejew (Koch 3-6490-2); op. 44: Shukov – Roshdestwensky (Melodya), Cherkassky – Kraus (Philips 456745-2), Pletnev – Fedosejew (Philips 456931-2), Moisiewitsch – Weldon (Naxos 8.110655), Sevidov – Friedmann (Arte Nova 65429 2); op. 56: Ardasev – Svarovsky (Supraphon SU 3382-2 031)
Peter Cossé † [23.11.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Peter Tschaikowsky | ||
1 | Konzert Nr. 2 G-Dur op. 44 für Klavier und Orchester (1881) | 00:40:39 |
4 | Konzertfantasie "Burja" (Der Sturm) f-Moll op. 56 | 00:28:20 |
Interpreten der Einspielung
- Konstantin Scherbakov (Klavier)
- Dmitry Yablonsky (Violoncello, Leitung)
- Andrey Kudryavtsev (Violine)
- Russian Philharmonic Orchestra (Orchester)