Hans Gál Orgelwerke

NCA 60162
1 SACD stereo/surround • 62min • 2005
01.06.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Diese Weltersteinspielung von Werken Hans Gáls ist eine der wichtigsten diskographischen Taten dieses Jahres. Das liegt weniger an dem ja kaum zu bestreitenden Raritätenbonus – bisher wurde nämlich kaum Musik dieses bedeutenden Komponisten eingespielt –, sondern allein an der hohen Qualität der Werke selbst. Gál, der 1987 im Alter von 97 Jahren starb, nahm im Musikleben des 20. Jahrhunderts einen wichtigen Platz ein; er publizierte nicht nur um die 100 Werke, von denen seinerzeit nicht nur die fünf Opern viel Beachtung fanden, sondern wirkte auch als Dirigent, Buchautor und Herausgeber unter anderem von Brahms’ Werken; heute noch bekannt ist seine so klare wie knappe Anleitung zum Partiturlesen von 1923.
Die Beschäftigung mit Gáls Musik lohnt sich immer noch, weil er ein Beispiel für einen bestens ausgebildeten und hochmusikalischen Tonsetzer des 20. Jahrhunderts darstellt, der das Erbe Brahms’ und Regers selbständig weiterführte, dabei aber gleichzeitig von der dodekaphonischen Schule um Schönberg weitestgehend unberührt blieb. Besonders interessant ist dabei, hörend zu begreifen, wie Gál in fast allen Werken dieser Aufnahme die überkommene hochromantische Tonsprache in ein überraschend sachliches Idiom überführt. Dabei geht jedoch nie die emotionale Ausdrucksqualität verloren, sie verbleibt vielmehr – wenn auch in einem von Traditionsballast bereinigten Zustand – stets erhalten, wie man etwa an den hinreißenden Zwei geistlichen Gesängen mit ihrer schmelzenden Besetzung von Sopran, Violoncello (ursprünglich Gambe) und Orgel (1923) sehr schön studieren kann. Die Sängerin Adrineh Simonian und der Organist István Mátyás, der die größten Teile dieser Platte bestreitet, tun richtig daran, die Texte sehr natürlich auszumusizieren.
Hans Gáls unaufgeregte Haltung zur einst so brennenden Fortschrittsfrage der Moderne führte keineswegs zu einer konventionellen Musiksprache; mit Ausnahme des vielleicht tatsächlich etwas reminiszierend und akademisch geratenen Orgelstücks Präludium und Fuge in As (1956) frappiert im Gegenteil immer wieder, wie kühn Gál innerhalb seines weitausgedehnten tonalen Raumes moduliert und welche harmonischen Welten er sich innerhalb seines selbstgesteckten Rahmens erschließt, ohne diesen Rahmen je sprengen zu müssen. Das bedeutendste und allein schon durch seine Besetzung mitreißende Werk auf dieser verdienstvollen Produktion ist das Concertino für Orgel und Streicher, das perfekte Exempel eines undogmatischen und komplexen Klassizismus’, das sicherlich als ein Gegenstück zu ähnlich beschaffenen Stücken von Bartók oder Poulenc bei jedem Publikum der Welt unmittelbaren Anklang finden dürfte. Besonders die Ecksätze beschreiben in sich, ohne jede formale Schematik, ungeheuer überzeugende Zeitverläufe. Der virtuose Mátyás fügt sich sehr gut in das Orchester Wiener Akademie ein, während dessen Dirigent Martin Haselböck nicht den Fehler macht, energische Passagen des Schlußsatzes zu vordergründig hervorknallen zu lassen, sondern bei aller Energetik immer noble Distanz wahrt. Eine echte Entdeckung, sowohl was das Repertoire angeht als auch interpretatorisch.
Prof. Michael B. Weiß [01.06.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Hans Gál | ||
1 | Concertino | |
2 | Zwei geistliche Gesänge | |
3 | Toccata | |
4 | Präludium und Fuge As-Dur | |
5 | Phantasie, Arioso und Capriccio |
Interpreten der Einspielung
- Istvan Mátyás (Orgel)
- Adrineh Simonian (Sopran)
- David Pennetzdorger (Violoncello)
- Wiener Akademie (Orchester)
- Martin Haselböck (Dirigent)