Franz Liszt Transcriptions
cpo 777 472-2
1 CD • 70min • 2012
30.12.2013
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
„Liszts Werke wirkten befruchtender auf die nachfolgenden Generationen als die Wagners“, zitiert der kenntnisreiche Verfasser des Begleittextes aus den Schriften Béla Bartóks. „Wagner hatte seine Aufgabe in vollem Umfang und bis ins letzte Detail so perfekt gelöst, dass man ihn eigentlich nur noch sklavisch nachahmen konnte, eine Anregung zur Weiterentwicklung jedoch kaum von ihm erwarten durfte ... Liszt hingegen läßt in seinen Werken so viele neue Möglichkeiten anklingen – ohne sie selbst bis zum letzten ausgeschöpft zu haben –, dass von ihm unvergleichlich stärkere Impulse ausgehen ...“
Die vorliegende Produktion bestätigt diese leicht nachprüfbare Ansicht auf eine voluminöse, bisweilen sämtliche Grundfesten erschütternde Weise: Wenn die Karl Schuke-Orgel und die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern in der Luxemburgischen Philharmonie zusammentreffen, um Marcel Duprés phänomenale Einrichtung der Fantasie über Ad nos, ad salutarem undam zu exekutieren, entstehen zeitweilig Klangballungen und -wogen, die selbst die beste Aufnahmetechnik nur bedingt einfangen kann, weil unserem physikalischen Universum nach oben und unten nun einmal Grenzen gesetzt sind. Man hätte dabei sein sollen, als Christian Schmitt und Martin Haselböck – dieser Mann hat seinen Liszt wirklich verinnerlicht – das kolossale und doch so mächtig-überzeugende Gebilde einspielten.
Es ist ein unglaublicher Auftakt. Das „Arrangement“, das Dupré einstmals für die Wanamaker Foundation in Philadelphia herstellte und ebendort zur Uraufführung brachte, bevor die Partitur für lange Zeit verschwand – diese im Jahre 2007 im Merseburger Dom wiedergetauften Bearbeitung ist de facto eine Deutung, die aus den ursprünglichen „An-Deutungen“ in konzertantem Wechselspiel so ziemlich alles an versteckter Farbgebung herauspräpariert, was sich der Meister der Anregung vorgestellt haben dürfte, und plötzlich erweist sich das sonst streckenweise recht breiig dahinraunende Originalstück als ein geradezu atemberaubendes Panorama, dem wir – zumal in der fürwahr alle Register ziehenden Einspielung – von Anfang bis Ende gebannt lauschen können.
Ähnlich faszinierend geht es bis zum Schluß des Programms weiter. Auch die Fantasie über Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen, die Leo Weiner mit derselben glücklichen Hand in eine Tondichtung für Orchester verwandelte, wie er das sinfonische Potential der h-Moll-Sonate aufzuspüren verstand, ist in ihrer prophetischen Diktion rundum hörenswert, und die aktuelle Aufrüstung, die der 1947 geborene Rainer Bischof dem aus Präludium und Fuge bestehenden BACH-Gebäude zu Liszts 200. Geburtstag hat angedeihen lassen, mag zwar in einigen kessen Elementen (Vibraphon, Xylophon) etwas überraschend anmuten, trifft letztlich den Kern der Musik aber mit demselben Sinn fürs Wesentliche wie die beiden anderen „Transkriptionen“.
Dass die Bearbeiter beim Verfasser nicht um posthume Genehmigung einkommen mußten, versteht sich: Wer hat schließlich die Ruinen von Athen und die Wanderer-Fantasie zu Klavierkonzerten aufgebaut, wer den eigenen, versonnen harfenden Orpheus auf die Orgel übertragen? Christian Schmitt darf auf dem viermanualigen Instrument in den Hades der Luxemburgischen Philharmonie hinabsteigen und bringt es auch ganz allein fertig, die Fundamente zu rühren. Was wiederum, wenn wir zum Anfang zurückkehren wollen, letzten Endes auch eine Form der Anregung ist. Eine herrliche Produktion!
Rasmus van Rijn [30.12.2013]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
1 | Fantasie und Fuge über den Choral "Ad nos, ad salutarem undam" | 00:27:12 |
2 | Variations on Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen S 179 | 00:18:18 |
Franz Liszt | ||
3 | Orpheus (Sinfonische Dichtung für die Orgel) | 00:10:52 |
4 | Präludium und Fuge über B-A-C-H | 00:13:17 |
Interpreten der Einspielung
- Christian Schmitt (Orgel)
- Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern (Orchester)
- Martin Haselböck (Dirigent)